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Von KSZE zu OSZE: Grabgesang auf hoffnunggebende Institution?

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Bosnien und Tschetschenien werfen dunkle Schatten auf die KSZE. Wird sie als OSZE mehr Erfolg haben?

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Bosnien und Tschetschenien werfen dunkle Schatten auf die KSZE. Wird sie als OSZE mehr Erfolg haben?

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Die Ergebnisse des Gipfeltreffens der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) anfang Dezember in Budapest sind weit hinter den ursprünglichen Absichten einer Stärkung dieses mittlerweile 52-Staaten-Forums zurückgeblieben. Nach dem 5. Gipfel in der 19jährigen KSZE-Geschichte hat sich bei den aktuellen Kriegen in Europa nichts geändert. Kurz nach dem Gipfel begann Moskau mit der Bombardierung Grosnys. Auch die Mißstimmung in Rußland über die geplante Osterweiterung der NATO ist geblieben.

Rückblickend klingt die Wortmeldung von Boris Jelzin in Budapest absurd, der - wie schon öfter zuvor - den Ausbau der KSZE zu einer Art europäischen Sicherheitssystems gefordert hatte. Rußland ist über die Veränderungen in der NATO besorgt, hat Angst vor neuen Blöcken und Koalitionen, mit denen sich nach Jelzin keine Sicherheitspolitik betreiben lasse.

Wurde von dem außenpolitisch wirklich unbelecktenUS-Präsidenten Clinton die Gelegenheit versäumt, mit Jelzin Klartext zu sprechen? Der Austausch von außenpolitischen Vorstellungen via vorbereitete Reden ist doch wohl zu wenig. Hat der sogenannte Westen die Isolations-angst Moskaus überhört oder die Drohung Jelzins, daß dem Kalten Krieg bald ein Kalter Friede folgen könnte?

Daß eine Verurteilung der bosnischen Serben in Budapest, nicht zuletzt wegen des russischen Widerstands, unterblieb, war ein Signal für Moskau, daß westliche Mächte sich in innere Angelegenheiten eines anderen Staates auch weiterhin kaum einmischen werden. Für die bosnische Delegation war das eine klare Kapitulation vor den Serben.

So konnte das Schlußdokument der Staats- und Regierungschefs aus 52 Ländern bloß die Umbenennung der KSZE in OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa - festhalten. Im Sinne der

UNO-Charta soll diese OSZE künftig als „regionale Abmachung” eine sinnvolle Arbeitsteilung ermöglichen. Beschlossen wurde ferner eine operative Stärkung der KSZE vor allem im Bereich der Konfliktverhütung (wie oft hat man das schon vergeblich betont?) und der Friedenserhaltung sowie ihre aktive Einbeziehung bei der Beilegung regionaler Konflikte.

Angesichts des Scheiterns der KSZE-Resolution zur Lage in Bosnien sollen die Mechanismen zur Konfliktvorbeugung deutlich gestärkt werden. Künftig soll die OSZE Vorrang haben bei allen Fragen, die Europa betreffen. Falls notwendig soll die OSZE den UNO-Sicherheitsrat anrufen, gegebenenfalls auch ohne die Zustimmung der am Konflikt beteiligten Parteien. Diese zuletzt genannte Bestimmung soll aber erst durch den Ständigen KSZE-Ausschuß in Wien überprüft werden.

Die Grundsatzentscheidung über die Aufstellung und Entsendung eigener friedensbewahrender Streitkräfte in Krisengebiete, vor zwei Jahren beim KSZE-Gipfel in Hel-sink getroffen, ist mit einer Resolution über den Einsatz von Streitkräften aus Drittländern erweitert worden. Die Bereitschaft, eine multinationale Friedenstruppe in Krisenge-biete zu entsenden, wurde kürzlich konkretisiert: eine 3.000 Mann starke Truppe soll in die von Armenien und Aserbeidschan umkämpfte Region Berg Karabach entsandt werden.

Rußlands Widerstand - Moskau will seinen Hinterhof wie die USA auf ihrem Kontinent selbst „ruhig halten” - konnte überwunden werden. Es ist auch ein Verhaltenskodex für den staatlichen Gewalteinsatz insbesondere bei inneren Konflikten (Rußland-Tschetschenien wäre ein solcher Fall) verabschiedet worden. Dieser Kodex untersagt den Gebrauch bewaffneter Gewalt gegen friedliche Demonstranten oder zur Unterdrückung von Minderheiten.

Wurde die KSZE gestärkt? Oder war Budapest der Grabgesang auf eine einst noffnunggebende Einrichtung? An den Früchten sollte man es erkennen. Was aber in Europa reif geworden ist, ist nichts anderes als das Umsetzen alter Denkschemata: Konfliktlösung mit Gewalt und das bequeme Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten.

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