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Währung heißt währen

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So sehr auch die Meinungen über verschiedene Probleme der Währungspolitik überhaupt auseinandergehen mögen, so ist doch die übergroße Majorität der Kenner der Materie der Ansicht, daß eine stabile Währung der feste Punkt sein muß, auf dem allein ein gesundes Budget, eine vernünftige Handelspolitik, eine gesunde Kapitalspolitik und eine gefestigte Sozialpolitik aufgebaut sein können. In Österreich ist man bemüht, dem Grundsatz eines währungsneutralen Budgets Rechnung zu tragen, auch wenn dies manchmal schmerzhaft und politisch schwierig sein mag. Der Kurs des Schillings ist denn auch ausreichend stabil, und Österreich hat sich sogar an der Währungshilfe für andere Staaten beteiligt, wozu sein großer Gold- und Devisenschatz ausreichende Handhabe geboten hat. Allerdings sind jährliche Verluste der Kaufkraft, wenn auch in relativ bescheidenem Ausmaß, zu verzeichnen gewesen, Verluste, Welche zweifellos eine gewisse Unruhe, zum Beispiel bei Löhnen und Gehältern, ausgelöst haben. Wenn dennoch der Kurs unerschüttert steht, so hat dies vor allem seinen Grund darin, daß die wichtigsten anderen Staaten die gleichen, ja noch größere Verluste zu verzeichnen hatten, so daß auf Grund dieser Parallelentwicklung Kurseinbrüche nicht bewirkt worden sind. Es muß auch zugegeben werden, daß eine Reihe von Institutionen, wie das Bundesministerium für Finanzen, die österreichische Nationalbank und nicht zuletzt die Paritätische Kommission und die Gewerkschaften bemüht waren, von der Preisseite und Lohnseite her eventuelle Exzesse zu bremsen und das Wohl der Allgemeinheit über individuelle Forderungen reinen Eigennutzes zu stellen. Sicher ist jedenfalls, daß diese Bemühungen nicht nach- lassen dürfen, wenn auch ein noch so großer Druck von verschiedenen Seiten ausgeübt werden sollte. Darüber hinaus wird man sich bemühen müssen, jene, welche Forderungen inflatorischen Charakters stellen, davon zu überzeugen, daß bei einer Bewilligung derselben sie nur Scheinwerte erhalten würden und letzten Endes ebenso die Leidtragenden sein würden wie alle anderen. Gewiß ist ein solcher Appell an die Vernunft und an das Maß nicht immer leicht durchzusetzen, denn er erfordert auf seiten deren, an die appelliert wird, sowohl guten Willen als auch allgemeines wirtschaftliches Verständnis und auch einen starken Sinn für das Allgemeinwohl. Er erfordert auch auf seiten der Parteien ein besonders starkes Staatsgefühl, das in diesem Punkt unter allen Umständen über das engere unmittelbare Parteiinteresse hinausgehen muß. Er erfordert den Verzicht auf Lizitieren und fordert Ehrlichkeit und Auf - richtigikeit.

Mit diesem Problem aber sind eine ganze Reihe anderer, scheinbar fernliegender Probleme verknüpft. Hierher gehört, um nur eines zu erwähnen, das Problem jeder Form der Integration. Wer würde sich mit einem Staat integrieren wollen, dessen Budget und dessen Währung nicht in Ordnung wären? Wie könnten handelspolitische Abmachungen ohne feste Währung getroffen werden; sie müßten sonst von selbst zerrinnen. Wer würde gewissermaßen in ein gesundes Gebiß einen kariösen Zahn einsetzen lassen? Je gesünder unser Budget, je fester die Währung ist und je deutlicher die Grenzen dem Preisauftrieb gesetzt sind, desto leichter werden sich auch Probleme jeder Form der Integration lösen lassen. Hierzu kommt noch, daß die Integration, damit wir eine solche ohne Preisgabe des Prinzips der Vollbeschäftigung durchführen könnten, starke Kapitalinvestitionen erfordern wird. Solche könnten aber nur auf Grund von Ersparnissen und raschem Zuwachs derselben gemacht werden, wenn sie nicht illusionären Charakter tragen sollen. Ebenso, wie niemand das Ausland zwingen könnte, zu höheren Preisen bei uns einzukaufen als in einem anderen Land, ebensowenig könnte man den Sparer zwingen, ohne Stabilisierung auch dėr Kaufkraft eine genügende Wachstumsrate beim Sparen für Investieren beizustellen. Auch ein Abbau des Zinsniveaus wird immer auf enge Grenzen stoßen, solange der Zins eine nicht unbeträchtliche Risikoquote des Preisauftriebs enthält. Wenn wir bestehen wollen, müssen wir drei Dinge zeigen und uns nicht nur mit Worten dazu bekennen: den Willen zur richtigen Erkenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge, Maßhalten, auch wenn es manchmal unangenehm ist, und ein absolutes Bekenntnis zu einer Wertordnung innerhalb der Wirtschaftspolitik, bei der die Stabilität der Währung ein absolutes Primat hat.

Kredit heißt Vertrauen

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß Wäh- nxngsstabilität nicht nur ein rein währungstechnisches, ja nicht einmal nur ein rein ökonomisches, sondern mindestens ebenso weitgehend ein psychologisches, ja man könnte sagen moralisches Problem ist. Adam Müller hat einmal gesagt, daß das Geld der ökonomische Ausdruck des Staates und der staatlichen Einheit sei. Wir möchten dies dahingehend ergänzen, daß die Festigkeit des Staates von der Festigkeit der Währung und die Festigkeit der Währung von der Festigkeit des Staates in allen seinen Belangen weitgehend abhängig erscheint. Währung heißt währen und Kredit heißt vertrauen. Wer gegen diese Erkenntnis sündigt, vergeht sich gegen Staat und Währung zugleich. Wirtschaftliche und politische Vernunft stehen als maßgebliche Faktoren hinter dem richtigen Funktionieren beider. Gerade heute, wo die Forderung nach Einhaltung dieser beiden Grundsätze durch zahlreiche Institutionen noch gewissermaßen internationalisiert ist, ist die Befolgung dieser Grundsätze doppelt wichtig, weil Gefährdung des internationalen Gebäudes an irgendeiner Stelle das Gebäude als Ganzes schwer erschüttern könnten. Denn auch die internationalen Organisationen der Währungspolitik, die heute zum größten Teil technisch gut funktionieren, sind letzten Endes von dem wirtschaftlichen Funktionieren jedes einzelnen Staates und seinem Verantwortungsbewußtsein abhängig.

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