
"Waffen sind Brandbeschleuniger"
Weitere Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine rücken ein Ende des Krieges in zeitlich unbestimmbare Ferne, sagt Jan Opielka. Ein Contra.
Weitere Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine rücken ein Ende des Krieges in zeitlich unbestimmbare Ferne, sagt Jan Opielka. Ein Contra.
Wird die jüngste Entscheidung westlicher Ukraine-Verbündeter, dem Land schwere Kampfpanzer zu liefern, im Rückblick als der zeitverzögerte „Gamechanger“ zugunsten Kiews gelten? Oder wird sie sich als ein zu weit gegangener Schritt hin zu einer unermesslichen Ausdehnung des Abgrunds erweisen? Vieles spricht dafür, dass die Kampfpanzerlieferungen bis auf Weiteres unkontrollierbarer Brandbeschleuniger werden – einer, der die längst auf Eis gelegten Verhandlungen und ein Ende des Kriegs in zeitlich unbestimmte Ferne rückt und politisch ins Reich des Fast-Unmöglichen.
Sich die Opfer-Sicht nicht zu eigen machen
Denn mit jedem Tag, mit jedem Toten verhärten sich die Fronten, jene politischen und auch jene psychologischen der Leidtragenden – bis womöglich nur der volle Sieg oder die absolute Niederlage als Optionen erscheinen. Dass die meisten Menschen in der Ukraine, die angegriffene Opfer sind, so denken und fühlen und nach westlichen Waffen rufen, ist verständlich. Doch sich diese Position, dieses Sieg-Ziel, als Außenstehender eins zu eins zu eigen zu machen, ist etwas anderes.
Viele politische Beobachter und Militärfachleute bezweifeln das Narrativ aus Kiew (und vieler Entscheidungsträger aus dem Westen), Russland könne besiegt werden und aus dem besetzten Gebiet vertrieben werden – auch die Befreiung der Krim wird ernsthaft diskutiert. Die Ukraine „kämpft für unsere gemeinsamen Werte“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor ihrer letzten Kiew-Reise. „Deshalb muss die Ukraine diesen Krieg gewinnen.“ Der Historiker und Osteuropakenner Karl Schlögel meinte wiederum: „Was in der Zukunft aushandelbar sein könnte, wird jetzt im militärischen Kräftemessen entschieden.“
Aber ab welchem Zeitpunkt beginnt die „Zukunft“? Können nicht gewichtige Staaten in der EU – die USA werden es kaum tun – sagen: Genug des „Kräftemessens“!?
Ende März 2022 verpasste es der Westen, die Ukraine auf einen damals durchaus aussichtsreichen und, ja, schmerzhaften, Pfad der Verhandlungen und Kompromisse zu drängen. Wenn nun, Monate später, das Ziel des vollständigen Sieges über Russland erreicht werden soll: Der Preis dafür werden weitere zehntausende Todesopfer sein.
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