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Waffengleichheit herstellen!
Der Lauschangriff könnte es ermöglichen, der Organisierten Kriminalität einmal zuvorzukommen, sagt Michael Sika: Das müßte allen einleuchten.
Der Lauschangriff könnte es ermöglichen, der Organisierten Kriminalität einmal zuvorzukommen, sagt Michael Sika: Das müßte allen einleuchten.
dieFurche: Wird in Österreich das Rotlichtmilieu zunehmend von Osteuropaern beherrscht? Michael
Sika: Das stimmt. Wir bemerken, daß es Kooperationen gibt zwischen österreichischen und ausländischen Zuhälterorganisationen. Es ist sehr günstig, sich in diesem Bereich osteuropäischer Mädchen zu bedienen, weil die wesentlich geringere Ansprüche stellen, daher billiger sind. Die Profite werden höher. Und diese Entwicklung ist sehr übel, weil wir wissen, daß viele dieser Mädchen nicht zu diesem Zweck nach Osterreich kommen. Sie werden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen als Kellnerinnen, Bardamen und so weiter nach Österreich gelockt und hier dann zur Prostitution gezwungen. Das hat einen kriminellen und einen gesundheitspolitischen Aspekt. Wir versuchen das nach Kräften zu verhindern, nur ist es sehr schwierig. Man hat auch da letztlich keine Handhabe.
dieFurche: Wieso scheitern Sie hier?
Sika: Die Organisierte Kriminalität wird zu 95 Prozent durch Ausländer betrieben. Das sind natürlich andere Ausländer als unsere Gastarbeiter. Das hat nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun. Aber eben 95 Prozent der Straftäter in der OK sind Ausländer, nicht nur bei uns, sondern in einem geringeren Maß auch in der Schweiz und in Deutschland. Und da gibt es Sprachprobleme. Es ist furchtbar schwer, mit einem Dolmetscher als Zwischenglied Straftaten aufzuklären, die Einvernahmen gestalten sich sehr schwierig. Schon durch die Sprache haben wir eine riesige Hürde - und das geht noch weiter, die in der OK Tätigen sind in der Regel aggressiver und grausamer als unsere Leute. Die Strizzis sind im Vergleich dazu harmlos. Wir haben zum Beispiel mit chinesischen Gruppierungen größte Probleme, und zwar deshalb, weil wir keinen finden, der einen bestimmten chinesischen Dialekt spricht. Wir haben manchmal schon mit chinesischen Polizeibehörden Kontakt aufnehmen müssen, um hier weiterzukommen".
dieFurchk: Operkren chinesische Gruppen auch im Kotlichtmilieu in Wien?
Sika: Sie operieren vor allem im Bereich von Restaurantketten. Aber davon ausgehend betreiben sie Prostitution und Suchtgiftkriminalität, Erpressung, Schutzgelderpressung und so weiter. Es ist leichter, gegen inländische Täter vorzugehen. Man muß sich nur vorstellen, wenn man verdeckt ermitteln will, etwa in einer so geschlossenen Gruppierung wie bei den Tschetschenen: Da bringt man ja niemanden hinein, bei Chinesen ist es" genauso. Die Ermittlungstätigkeit bringt hier ungleich weniger Erfolge und verschafft natürlich den ausländischen Straftätern, die jede Menge Geld haben und sich die besten Anwälte leisten können, alle Vorteile.
dieFurche: Was kann man gegen die OK wirklich tun? Wie sieht die internationale Zusammenarbeit aus? Hat der Lauschangriff da eine Bedeutung?
Sika: Der Lauschangriff hat natürlich auch eine Bedeutung. Die Gegner des Lauschangriffs werden sagen, naja, der wird so selten verwendet werden, eigentlich steht er nicht dafür. Sie sagen das auch für die Daten Verknüpfung und für alle Dinge, die zu einem Instrumentarium gehören. Ich sage darauf immer: Das ist so, wie wenn in einer Gemeinde ein Hochhaus steht und die Gemeindeväter sagen, wir brauchen keine Feuerwehrleiter bis ins letzte Stockwerk, denn die Gefahr, daß es in diesem Hochhaus brennt, ist prozentuell sehr gering. Genauso ist es mit den rechtlichen Instrumentarien. Natürlich werden wir sie in vielen Fällen nicht einsetzen, aber das ist der springende Punkt: Wir haben die Möglichkeit, wir können auswählen, und jeder Arzt wird froh sein, wenn er eine größere Anzahl von Medikamenten zur Verfügung hat, mit denen er eine Krankheit bekämpfen kann. Genauso ist es mit der Bekämpfung der Kriminalität. Denn die andere Seite hat alle Vorteile für sich: Sie hat mehr Geld, sie ist nicht das, was wir Bürokratie nennen, sie benützt die besten Anwälte, Wirtschaftsfachleute als Berater, benützt die beste Technik, die beste Kommunikation - sie kann sich alles leisten, wovon wir nur träumen können und muß sich an keinerlei Begeln halten. Wir müssen eine halbwegs vernünftige Waffengleichheit herstellen - eine wirkliche wird es deswegen nie geben, weil in der Kriminalität der Täter immer noch das Handeln bestimmt. Wir sind meistens einen Schritt hinten nach. Der Lauschangriff könnte uns unter Umständen ermöglichen, einmal dem Täter sogar zuvorzukommen und damit Straftaten verhindern und sie nicht erst im nachhinein aufklären zu müssen. Das muß dem Bürger einleuchten. Es ist viel besser, präventiv wirken zu können, als repressiv. Und der Lauschangriff ist ein Mittel der Prävention.
dieFurche: Kann man hinsichtlich der Organisierten Kriminalität irgendetwas der Bevölkerung sagen? Kann der Bürger unmittelbar dagegen etwas unternehmen?
Sika: Im Suchtgiftbereich muß man natürlich warnen. Man liest immer wieder Zahlen über Konsumenten. Ich sage Ihnen, meiner Einschätzung nach sind diese Zahlen alle viel zu niedrig. Der Drogenkonsum ist wesentlich weiter verbreitet als man glaubt. Man kann die Bevölkerung nur warnen, sich auf krumme Dinge einzulassen, denn das Ausbluten des Sozialstaates, das am Ende eines Weges liegt, die Zerschlagung einer Gesellschaft oder der Werte, das ist etwas, was uns droht, wenn wir uns nicht alle bemühen, möglichst regelgerecht zu leben. Das ist es, was ich auch dem Bürger sagen kann. Und das ist es, was der Bürger verstehen soll. Es ist oft ein kleiner Schritt vom Diebstahl einer Zeitung am Sonntag hin zur Bestechlichkeit. Es ist im Grunde eigentlich nichts anderes zu tun, als die Moral der Bevölkerung zu stärken, dann wird man wahrscheinlich die Organisierte Kriminalität im Mark treffen. Denn mit anständigen Menschen kann man kein krummes Geschäft machen.
Das Gespräch
führte Franz Gansrigier:
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