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Wahl 1994: Wo sind die Inhalte?

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Noch 24 Tage bis zur Nationalratswahl: in den Parteien steigt die Nervosität - und in der Volkspartei ist unversehens eine Obmanndebatte ausgebrochen.

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Noch 24 Tage bis zur Nationalratswahl: in den Parteien steigt die Nervosität - und in der Volkspartei ist unversehens eine Obmanndebatte ausgebrochen.

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Wer ist Erhard B.?“ - so lautet der Titel eines Computerspiels, das dieser Tage für politisch Interessierte mühe- und kostenlos erhältlich ist. Das Cover der Diskette ziert das gleiche Sujet wie das Eröffnungsbild des Spiels: ein undefinierbarerer schwarzer Schatten auf dominantem, knallrotem Hintergrund. Bewußte oder unbewußte Symbolik?

Im sogenannten „Abgrenzungsspiel“ wird dann mit den bekannten Wahlkampfslogans Stimmung gemacht: Erhard Busek will „...der starke Partner in der Regierung sein“, „.. .die Kontrolle in der Regierung haben“, „...für Wettbewerb in der Regierung sorgen“. Auch welche Regierungsform damit gemeint ist, verrät die Diskette: die Große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP. Jeder anderen Koalitionsform wird eine klare Absage erteilt.

Die Slogans offenbaren das gesamte Dilemma der ÖVP und ihres Spitzenkandidaten Erhard B.: Sie gehen davon aus, daß eine SPÖ, versehen mit der relativen Mehrheit, auch in Hinkunft eine Koalition mit der ÖVP als Juniorpartner bilden will.

Voraussetzung für die Durchsetzung der Ziele der ÖVP ist also der Wahlerfolg der Sozialdemokraten; die Erfüllung der Wünsche Bu- seks hängt weniger von den Wählern ab als vom Willen Franz Vranitzkys. Ein gravierender wahlkampfstrategischer Fehler: statt zu sagen, was die ÖVP - unabhängig von den Vorstellungen anderer Parteien - an inhaltlichen Reformen verwirklichen will, wenn sie Regierungsverantwortung trägt, definiert sie sich selbst bloß in ihrem Verhältnis zum größeren Regierungspartner.

Der Vorwurf, daß im aktuellen Wahlkampf Sachthemen so gut wie keine Rolle spielen, trifft freilich nicht nur die ÖVP (so finden sich etwa in deren Wahlprogramm, den „Erhard-Busek-Plänen“, bloß drei mickrige Absätze zum Thema Familienpolitik: die Erhöhung des Alleinverdienerabsetzbetrages, die Sicherung des Familienlastenausgleichs sowie die Verhinderung von Mißbräuchen beim Bezug der Familienbeihilfe) - auch die Hauptaussagen der anderen Parteien beschränken sich entweder auf unangreifbare Allgemeinplätze (Franz Vranitzky: „Unsere Jugend ist unser größtes Kapital. Sie verdient die bestmögliche Ausbildung.“) oder eben auf Eigendefinitionen in der Relation zu anderen Parteien („Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“ — Jörg Haiders FPÖ).

SANDKASTENSPIELE

Kein Wunder also, daß das inhaltliche Vakuum des Wahlkampfes mit Koalitionsspekulationen oder - im Falle der ÖVP beinahe schicksalshaft vorbestimmt - mit Personaldebatten aufgefüllt wird. Beides fällt natürlich zum jetzigen Zeitpunkt unter die Kategorie „theoretische Sandkastenspiele“: ohne vorliegendes Wahlergebnis ist jede Debatte über die Regierungszusammensetzung müßig. Und die einzigen beiden Parteien, die den Anspruch stellen, Regierungsverantwortung zu übernehmen, sind eben die SPÖ und die ÖVP. Ähnlich verhält es sich mit den ÖVP- internen Turbulenzen: sie sind zum jetzigen Zeitpunkt sinnlos und kontraproduktiv - und auch Erhard Busek hat sich nicht verdient, bereits vor der Wahl als Verlierer abgestempelt zu werden. (Wenn auch klar ist, daß ein durchaus möglicher Absturz der ÖVP unter die 30-Prozent-Marke unvermeidlich sowohl die Koalition als auch den Obmann in Frage stellen würde.) •

So gesehen ist der Mangel an Sachthemen im Wahlkampf mehr als verwunderlich, zumal man damit einerseits von Personaldebatten ablenken könnte und es ja andererseits an Themen nicht fehlen würde. Erst diese Woche berichtete „Die Presse“ über wenig optimistische und teilweise widersprüchliche Ankündigungen von Spitzenpolitikern der Koalition: Finanzminister Ferdinand Laci- na sprach von einem „rigorosen Sparprogramm“, das nach dem EU- Beitritt verwirklicht werden müsse; Bundeskanzler Franz Vranitzky schloß hingegen „eine Politik der Kürzungen“ aus; Vizekanzler Erhard Busek wiederum versicherte, daß es zwar Kürzungen, jedoch keine „weiteren Belastungen“ geben dürfe. Gleichzeitig wird aber nicht verraten, in welchen Bereichen oder in welchem Umfang die notwendigen Maßnahmen gesetzt werden sollen.

Die Debatte läuft zudem vor dem Hintergrund der Tätigkeit einer von Franz Vranitzky eingesetzten Kommission - mit den Ministern Lacina und Josef Hesoun - ab, die erst nach der Wahl Vorschläge zur Reform des Sozialstaates vorlegen soll.

Der Wähler wird sich seinen Reim darauf machen: jene Politiker, die erklärtermaßen auch für die nächsten vier Jahre Regierungsver- antwortung tragen wollen, deuten immer wieder die Notwendigkeit von Reformen an, ohne jedoch zu sagen, welchen Inhalts diese Reformen sein sollen.

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