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Was hat sich geändert?

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Wir haben also eine neue Regierung. Und was hat sich eigentlich geändert? Erinnern wir uns: Vor etwa Jahresfrist schien eine Regierungsumbildung in greifbarer Nähe. Verteidigungsminister und Handelsminister schienen schon dem Druck der öffentlichen Meinung geopfert zu werden. Im letzten Moment ein Rückzieher. So blieb einstweilen alles beim alten. Oder besser, es sah wenigstens so aus. Bis auf einmal der Termin dafür geeignet zu sein schien, das Team auszuwechseln. „Never change a winning team“, sagen die Engländer. „Winning“ — na ja. Wer gehen sollte, war lange offen. Immer wieder hatte ein anderer den „schwarzen Peter“ in der Hand. Selbst gegen den Regierungschef mehrten sich die Stimmen. Viele wollten nicht mehr von einer Umbildung, sondern von einer Neubildung der Regierung gehört haben. Und die drei Bünde, aus denen sich die Regierungspartei bekanntlich zusammensetzt, berieten immer häufiger, was denn nun eigentlich kommen, wie es denn weitergehen solle. Denn so — und darin waren Bauern-, Wirtschafts- und Arbeiter- bündler einig — gehe es auf keinen Fall mehr.

Daß Generalsekretär Dr. Withalm das Amt des Vizekanzlers übertragen wurde, bringt einen „starken Mann“ in die Regierung, der in einem Kraftakt offenbar das angeschlagene Prestige der Einfarbenregierung einigermaßen wiederherstellen soll. Ob Withalm wirklich 1969 eine Sprosse höher klimmt? Wer vermag das heute schon zu sagen? Was der Kanzler und Parteiobmann im Klub gesagt hat, von der „Hofübergabe“ — das schien nur für den innersten Kreis bestimmt und obendrein noch etwas anders formuliert gewesen.

Aber: Wer käme außer Withalm denn noch in Frage! ÖAAB-Bundes- obmann Maleta heute wohl kaum. Er wäre schlecht beraten, würde er unmittelbar vor Neuwahlen das schwierigste Amt, das es in Österreich derzeit — und wohl auch noch in zwei Jahren — gibt, übernehmen. Er hat im übrigen auch selbst keinen Zweifel daran gelassen, daß er gar nicht daran denkt. Alle Spekulationen, vorwiegend sozialistischer Blätter, sind deshalb ins Reich der Fabel zu verweisen.

Anders die Bauern. Auffallend die Ruhe, mit der sie bei der Regierungsumbildung agierten. Landwirtschaftsminister Schleimer — von dien Seinen nlichtt öhine liebevollen Stolz „eiserner Karl“ genannt — hält sich einstweilen geschickt in der Reserve. Wartet er auf seine Stunde? Viele sahen in dem agilen Landwirtschaftsminister schon den künftigen Vizekanzler. Doch der winkte ab, Freilich, ohne ernsthaft gefragt worden zu sein.

Wann „Hofübergabe“?

Wann kommt nun die „Hofübergabe“, wem wird der Hof übergeben? Das kann sich bis zum nächsten Jahr noch oft genug ändern. Wir glauben jedoch, daß die Eigenschaften eines „starken Mannes“ zu wenig sind, um das Staatsschiff geschickt über alle Untiefen hinwegzusteuern. Starke Männer haben zu allen Zeiten die glückliche Hand dazu vermissen lassen. Natürlich ist es nicht an uns, Vorschläge zu machen. Doch wird viel davon abhängen, ob es der neuen Mannschaft gelingt, jene vor allem wirtschaftspolitischen und budgetpolitischen Gedanken in die Tat umzusetzen, die offenbar bei ihrer Zusammenstellung Pate gestanden sind. Denn nur dann kann die Partei mit vollen Segeln auf den Wahlkampf 1970 hinsteuern. Alles andere kann nur Krampf, nur „fortwursteln“ sein. Auch der „starke Mann“ kann dann nicht mehr, als gewiß imponierendes Muskelspiel zu zeirm.

Sicherlich: die Zusammenstellung des neuen Kabinetts bietet einigermaßen Gewähr für die Berücksichtigung jener Schwerpunkte. Oder sagen wir: fast. Denn der neue Finanzminister, der ja in erster Linie Wirtschafts-, weniger Finanzexperte ist, wird wohl eng mit dem neuen Handelsminister zusammenzuarbeiten haben. Eingeweihte allerdings zweifeln an dieser Zusammenarbeit schon heute, ehe sie überhaupt über Präliminarien hinausgekommen ist. Dabei fragt man sich, ob der Wirtschaftsbundobmann etwa auch seine Reserven zurückgehalten hat?

Eine der Überraschungen dieser gewiß nicht an Überraschungen armen Regierungsumbildung war die Tatsache, daß der ausgeschiedene Finanzminister — posthum sozusagen — reichlich mit Lorbeerkränzen bedacht wurde, mit Dekorationen also, die ihm während seiner Amtszeit nur recht spärlich zuteil wurden. Es muß freilich gesagt werden, daß nur ihm diese nachträgliche LiebesbezeUgung entgegengebracht wurde...

Was kommt morgen? Lesen wir einmal nicht aus dem politischen Kaffeesud. Wir sind der Ansicht, daß der neuen Regierung erst einmal eine gewisse Zeit gegeben werden muß, ihre Arbeit zu tun.

Vergessen wir aber nicht: Morgen — das ist in der Politik 1970. Und 1970 — das heißt Nationalratswahlen. Das weiß man in der Kärntnerstraße. Und nimmt es mit einem gewissen Bauchkribbeln zur Kenntnis.

Schon sind die ersten Wahlen regionaler Natur des heurigen Jahres ins Blickfeld gerückt: Im Burgenland wird gewählt werden. Es wäre zweifellos falsch, ihnen den Charakter von Barometerwahlen zuzumessen. Doch wird sich aus dem Ergebnis zeifellos eine Reaktion auf die Aufstellung der neuen Mannschaft herauslesen lassen. Und dann werden wir ein wenig klarer sehen.

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