Was wir von Saudi-Arabien lernen können

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Das Königreich Saudi-Arabien fühlt sich grundsätzlich und im Fall Jamal Kashoggi im Speziellen von der Welt schlecht behandelt und fordert die Fairness, zumindest gehört zu werden. Man sollte also so fair sein, selbst im Wissen, dass in Saudi-Arabien Fairness ein äußerst prekäres Gut ist und Menschenrechte gar keines.

Was also ist die Meinung des saudischen Establishments und ihrer Medien zum Mordfall? Nun, sie hat einen zarten Hauch Täter-Opfer-Umkehr und kennt nicht ein, sondern zwei Opfer. Ein kleines, den toten Kashoggi, und ein großes, den Prinzen Mohammed bin-Salman. Jener Prinz also, dessen persönliche Mitarbeiter das kleine Opfer Kashoggi auf nicht alltäglich bestialische Weise umbrachten. Wie das zusammenpasst? Die Ermordung sei ein quasi monolithisch in der Landschaft stehender Kriminalfall ohne Bezug zum Prinzen, der nun von düsteren "Kräften"(Muslimbrüder) instrumentalisiert würde: "All das ist ein Tauziehen darum, die Situation zu ändern oder die Reform zu stoppen", schreibt etwa Abdulrahman al-Rashed, der Ex-Chef des staatlichen News-Outlet Al-Arabiya.

Tatsächlich geht es in Saudi-Arabien in diesen Tagen um Reformen. Und tatsächlich wird viel reformiert, auf Geheiß des Prinzen. Die Wirtschaft wird umgestellt, auf Nachhaltigkeit. Die Wandlung von einem Wüstenkönigreich mit Kamelen, Öl und Petrodollars zu einem Königreich mit Solarenergie, Nachhaltigkeitsindustrie und internationaler Vernetzung läuft. Kino und Führerschein für Frauen nicht zu vergessen!

Aber unter all diesen Themen und Plänen ist "Presse-und Meinungsfreiheit" nicht zu finden. Letztlich ist Letzteres natürlich die souveräne Entscheidung des Hauses Saud. Aber es muss auch eine souveräne Entscheidung des Restes der Staatenwelt sein, ob sie dazu Ja und Amen sagt. Und daraus ergibt sich die Gretchen-oder Scheherazade-Frage: Soll und darf man mit Saudi-Arabien Handel treiben? Einem Land, das - wenn die jüngste Version aus Riad stimmt - seinen Sicherheitsapparat so sehr nicht im Griff hat, dass hochdekorierte Beamte als Killer in Privatjets durch die Welt reisen und mal hier, mal da ihre Amputationen und Köpfungen an Missliebigen vornehmen. Oder aber ein Land, dessen Regierende diese Kommandos selbst schicken, wie zahlreiche Indizien belegen. Was immer letztlich stimmt, man wird nicht so weitermachen können wie bisher.

Zusehen und kassieren

"Bisher" war das gut-geübte Geschäft der Politik die Nichteinmischung gegen Öl und Milliardengeschäfte. Nun werden diese Milliarden aber zu einer Last, zu einer Art Schweigegeld im Sinne des berühmten "Hände falten, Goschen halten". So ein Schweigegeld kann schnell zum Schutzgeld werden, wenn man alles und jedes toleriert. Die unverhohlenen Drohungen der Königsund Prinzadlaten gegen jene, die den Saudis nun mit Konsequenzen drohen, sprechen hier Bände.

Tatsächlich gibt es wirtschaftlich-machtpolitische Motive, die für konsequenzloses Schweigen des Westens sprechen. Denn nicht nur sitzen die Saudis am Ölhahn, sie haben auch ein Investitionsparadies eröffnet und sind einer der eifrigsten Waffenkäufer des Westens. Die USA argumentierten zudem mit Informationen über Terroristen, die sie von den Saudis erhalten. Aber gleichzeitig hatte diese Politik schon bisher eine beachtliche Kollateralseite, indem sie die Inhaftierung und Folterung von Regimekritikern hinnahm, das Kidnapping des libanesischen Premiers Rafik Hariri und ein blutiges Schlachten im Jemen.

Und nun die Frage: Was tun? Saudi-Arabien ist unbestritten eine Macht, weil es die Welt mit 12 Millionen Barrel Rohöl täglich versorgt. Nun leben wir aber in einer Zeit, in der sich die Staatengemeinschaft Klimaziele setzen sollte, deren Erreichung nur mit dem Ausstieg aus -kurz gefasst -Öl erreichbar ist. Dieser Weg sollte längst eingeschlagen sein. Er ist es aber nicht. Just in Saudi-Arabien aber ist er es. Bis 2030 will das Königreich den Ausstieg geschafft haben, vor allem mit einem Mega-Solarpark, der 200 Atomkraftwerke an Output übertrumpfen soll.

Tatsächlich sollten Europa und der Westen in diesem einen Punkt von Saudi-Arabien lernen. Es würde nicht nur dem Klima guttun. Es würde auch die Erpressbarkeit von Saudi-Arabien und nahöstlichen Öl-Regimen stark vermindern. Aber das fällt unter "Hätti-wäri". Wie sagte so treffend einer der Proponenten des in diesen Tagen in Riad stattfindenden Wirtschaftsgipfels "Future Investment Initiative":"Nach dem Fall Kashoggi wird Business immer noch Business sein." Möge das nicht passieren.

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