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Wenig Hoffnung auf Entschädigung

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Bei der Unterzeichnung des Pariser Friedensvertrages hatte sich die ungarische Begierung im Jahre 1947 zur Entschädigung der Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung verpflichtet. Die ein Jahr später erfolgte kommunistische Machtübernahme verhinderte jedoch die Umsetzung des Vorhabens. Die von der aus den ersten freien Nachkriegswahlen hervorgegangenen christlich-nationalen Koalition 1993 begonnenen Verhandlungen mit den Interessenvertretungen des ungarischen Judentums sind vom sozial-liberalen Begierungsbündnis weitergeführt worden, eine Vereinbarung sieht'die Einrichtung einer Stiftung des öffentlichen Rechtes vor, die als Verwalterin des Entschädigungsbetrages fungieren soll. Das Vermögen der Stiftung beziehungsweise deren Umsätze können nur Personen und Organisationen zugute kommen, die in Ungarn ansässig sind.

Die Opposition bezeichnet die Erfüllung der im Friedensvertrag übernommenen Verpflichtungen als gerecht und notwendig, sie weist jedoch darauf hin, daß der dem Parlament unterbreitete Entschließungsantrag keine Angaben über die Höhe des Entschädigungsbetrages enthalte, außerdem fehlten auch noch die genaue Bestimmung der Personen oder aber der Organisationen, denen er zukommen soll. Fest steht auf jeden Fall, daß das Nachlaßgesetz juristische Vorgänge vorsieht, die unzählige Nachforschungen sowie mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürften.

Eine Entschädigung der Opfer des nationalsozialistischen Verbrecherre -gimes ist von deutscher Seite bis zum Jahre 1971 bereits erfolgt. Die von der Bundesrepublik getätigten Zahlen wurden seinerzeit von gleichgeschalteten Organisationen wie dem Partisanenbund oder dem „Verein der Verfolgten des NS-Regimes” nach bestimmten, näher jedoch nie beschriebenen „volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten” verteilt. In unzähligen Fällen waren dabei Parteimitgliedschaft oder aber persönliche Beziehungen maßgebend.

Hinzu kommt noch, daß bei den damaligen Entschädigungsprozeduren zahllosen Betroffenen die Dokumente als „Nachweise” und „Belege” weggenommen wurden. Eine Auffindung dieser Unterlagen dürfte heutzutage außerordentlich schwierig sein, zumal in Ungarn nach wie vor Strukturen bestehen, in deren Gefüge sich Wirtschaftskriminelle des kommunistischen Regimes dank ihrer Beziehungen in Sicherheit wähnen können. Rei den ehemaligen Verfolgten handelt es sich außerdem mehrheitlich um hochbetagte Personen. Die Chancen der jetzigen Entschädigung werden von den ßetroffenen jedenfalls als äußerst gering geschätzt.

Rei ihrer Amtsübernahme hat die christlich-nationale Koalition mit dem Argument auf eine Vergangenheitsbewältigung verzichtet, jede Art von „Hexenjagd” störe und gefährde den nationalen Frieden. Ein Pakt mit den jetzigen Regierungsparteien sicherte damals das Fortgedeihen von Korruptionsstrukturen, die sich mittlerweile teils verfestigt haben und tief in die politische Sphäre eingedrungen sind. So wird etwa der Privatisierungsminister, in dessen Auftrag eine Vermittlungsperson für ihre erfolgreiche Tätigkeit nicht weniger als 800 Millionen Forint erhalten hat, vom Regierungschef noch an dem Tage, als die Staatsanwaltschaft gegen die Vermittlerin Ermittlungen einleitet, vom Regierungschef als ein ehrenhafter Mann bezeichnet,, dessen Rücktritt höchst bedauerlich sei. Gleichzeitig weigert sich die ins Zwielicht geratene Person, vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu erscheinen. Ein hoher Funktionär der Sozialistischen Partei kann es sich leisten, in den Medien Drohungen gegen alle auszustoßen, „denen es einfallen soll”, an der Aufdeckung der Geschäfte zu rühren, die Sozialisten und frühere aber auch jetzige Regierangsmitglieder mit dubiosen russischen Ölfirmen treiben.

In bezug auf die Entschädigung ungarischer Juden hat die Regierung auf die „außerordentlich schwierige Lage der Wirtschaft” aufmerksam gemacht. Ein Betrag von rund vier Milliarden Forint ist den Betroffenen bereits andeutungsweise in Aussicht gestellt worden. Davon dürften rund 17.000 Holocaust-Opfer eine monatliche Rentenzulage von umgerechnet etwa 400 Schilling erhalten.

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