Abkaik Raffinerie - © Foto: APA / AFP / Planet Labs Inc./HO

Wer kann das perfekte Attentat?

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Die Hintergründe des Anschlags auf die größte saudische Erdölraffinerie sind noch lange nicht geklärt. Ein Versuch, sich durch das Gewirr möglicher und unmöglicher Erklärungen zu tasten.

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Die Hintergründe des Anschlags auf die größte saudische Erdölraffinerie sind noch lange nicht geklärt. Ein Versuch, sich durch das Gewirr möglicher und unmöglicher Erklärungen zu tasten.

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Das Spiel soll den Menschen bekanntlich auf den Ernst des Lebens vorbereiten. Für besonders Interessierte an den Feldern der Weltpolitik und den Ränkespielen der Geheimdienste und Regierungen empfiehlt sich da ein international bekanntes Spiel zur Vorbereitung auf höhere berufliche Weihen. Es trägt in England den Namen „Bullshit“ und heißt in deutschen Landen „Berliner Beschiss“. Dabei gewinnt jener Teilnehmer der Kartenrunde, der es am besten versteht, seine Mitspieler zu belügen.

Einen nicht unähnlichen Eindruck musste man in den vergangenen Tagen als Newskonsument gewinnen. Da ereigneten sich auf dem Gelände der größten saudischen Raffinerie in Abkaik heftige Explosionen, ausgelöst durch unbekannte Flugobjekte. Die Zerstörungen an der Aramco-Anlage legten fünf Prozent der globalen Ölversorgung lahm, ein Ausfall von 5,7 Millionen Fass Öl pro Tag. In der Folge kam es zu einem Reigen von heftigen Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen, ausgetauscht zwischen Saudi-Arabien, dem Iran, den Huthi-Rebellen im Jemen und den USA. Alle vier sind in den jemenitischen Krieg verwickelt. Und alle vier gefielen sich in der Herausgabe von Teil- oder Unwahrheiten: 1. Gleich nach dem Attentat meldeten sich die Huthi-Rebellen zu Wort und bekannten sich zu dem Attentat. 2. Die USA und Verteidigungsminister Pompeo machten die iranische Führung für den Anschlag direkt verantwortlich. Ein anonymer Regierungsbeamter sprach sogar von einem Raketenangriff vom unmittelbaren Staatsgebiet des Iran aus. 3. Der Iran leugnet jede Rolle bei dem Attentat. 4. Die Saudis sagen, dass die verwendeten Waffen aus dem Iran stammen und nicht im Jemen abgefeuert worden sind.

Was ist also, wenn alle diese Angaben nicht stimmen? Im Hintergrundgespräch mit der FURCHE machte ein Militärexperte keinen Hehl daraus, dass „die Wahrheit vermutlich erst in Jahren ans Licht kommen wird“. Inzwischen ist man auf Spekulationen angewiesen: Was also könnte wirklich passiert sein in Abkaik, wenn die genannten Narrative nicht wahr sind?

Überschätzte Huthi

Zunächst: Was können die Huthi – und vor allem, was nicht? Dass sie Drohnen bedienen und zusammensetzen können ist seit Jahren bekannt, auch dass sie über Drohnen von über 800 Kilometer Reichweite verfügen. Allerdings sind die Rebellen nach Angaben des in London beheimateten Rüstungsnetzwerks Conflict Armament Research (CAR) (das unter anderem die Hochrüstung der Huthi beobachtet) nicht in der Lage, ein unbemanntes Flugobjekt auf dem technisch höchsten Stand zu produzieren. CAR nimmt an, dass der Iran die Huthi durch Waffenschmuggel über den Oman mit Teilen von Drohnen versorgt, die zur Aufklärung und für Angriffe verwendet werden.

Die Huthi scheinen aber nicht in der Lage, zusätzlich die detaillierte Aufklärung über das Ziel (Raffinerie) und die Präzision eines Angriffs herzustellen, in dem – wie hier – mehr als zehn Drohnen oder Fernlenkwaffen präzise die verwundbarsten Teile der Anlage treffen – aus einer Entfernung von über 1000 Kilometern. Der Anschlag sei „hochprofessionell“ durchgezogen worden, meint etwa der Raketenexperte Markus Schiller in der Welt.

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