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Wer sich wehrt, bedroht den Frieden?

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Die Kritik Kanzler Vranitzkys an der kroatischen Offensive erinnert an einen Lehrer, der einen Schüler zur Ruhe mahnt, der eben Opfer eines gewalttätigen Kameraden geworden ist.

Es darf daran erinnert werden, daß es seit 1986 (Belgrader Memorandum) der offiziellen serbischen Politik nicht draum geht, die Rechte der Serben in Knin und anderen Gebieten zu sichern, sondern ein territoriales Großserbien mit der Linie Karlobag-Virovitica als Nordwestgrenze zu schaffen. Kroatiens Verfassung nennt zwar die Serben nicht als staatstragendes Volk, wie es sich Belgrad wünschte, garantiert aber der ethnischen Minderheit (etwa zwölf Prozent der kroatischen Gesamtbevölkerung) alle Rechte. Die Situation in Zagreb, wo Zehntausende Serben mit allen Rechten gut leben, zeigt, daß eine ethnische Säuberung nach serbischem Muster nie Absicht der Kroaten war.

Die Kroaten im Burgenland haben Anspruch auf alle Rechte und Förderungen, aber nicht auf einen kroatischen Landkorridor quer durch die Oststeiermark und Slowenien, damit sie endlich einmal mit dem kroatischen Mutterland ver- • bunden sind. Jeder würde das für eine verrückte Idee halten, die Serben in Knin hingegen finden dafür aber Verständnis (nicht nur bei Vranitzky). Serbiens Politik ist eine Absage an eine multikulturelle Gesellschaft. Ausgeprägt ist vor allem bei den Intellektuellen das Redürfnis nach Äquidistanz. Für jemanden Partei zu ergreifen, gilt manchmal fast als unredlich. Trotzdem sehge ich zwischen Milosevicv und Tudjman beziehungsweise zwischen der serbischgen und der kroatischen Politik gewaltige Unterschiede. Die

Kapitulation vor der Gewalt lähmt schließlich auch die serbische Opposition. Leider trifft dieser Unterschied auch die Kirchen. Kardinal Kuharic warnt vor Rache und ruft zur Versöhnung auf, während der orthodoxe Bischof von Trebinje in der Ostherzegowina die großserbischen Pläne unterstützt.

Es ist schwer, mit diesem undifferenzierten byzantinischen Expansionismus in einen Dialog zu treten. Gerade von sozialdemokratischen Politikern hat man gelernt, daß Nächstenliebe nicht nur in der Hilfe für den einzelnen besteht, sondern daß man gerechte Rahmenbedingungen beziehungsweise Strukturen schaffen müsse. Die KMB-Steier-mark übergab den zweiten LKW im Rahmen der Aktion „Nachbar in Not” am 31. Mai 1992 dem steiri-schen Landesintendanten Ziesel. Als ich darauf den Hilfszug nach Varaz-din begleitete, sagten mir dort in der ehemaligen Kaserne ein Bauer aus Ostslawonien und eine Frau aus der sogenannten Krajina: „Wir freuen uns sehr über eure Hilfe, wir möchten aber nur heim und für uns selber sorgen.”

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