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Wie sicher dürfen wir uns fühlen?

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Müssen unsere Politiker im Wahlkampf um ihr Leben zittern? Das Innenministerium hat ihnen Schußwesten angeboten. Ist es um die Sicherheit schon so schlecht bestellt?

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Müssen unsere Politiker im Wahlkampf um ihr Leben zittern? Das Innenministerium hat ihnen Schußwesten angeboten. Ist es um die Sicherheit schon so schlecht bestellt?

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Nein, mit den Briefbom-% ben habe das ganze-J- l nichts zu tun, auch nicht mit einer konkret bedrohlichen Situation für Politiker, ganz zu schweigen von etwaigen Hinweisen oder Erkenntnissen, daß etwas im Laufen sei: So der gemeinsame Nenner verschiedener Aussagen aus dem Innenministerium auf die Frage der Furche, wie denn das Fax zu interpretieren sei, das vergangene Woche den wahlwerbenden Parteien -Absender: das Innenministerium - auf die Schreibtische flatterte, mit dem Inhalt, es sei ein „gewisses Gefährdungspotential" für Politiker gegeben, wie das Hauptmann Rudolf Gollia vom Kabinett des Innenministers erklärt.

Der Schock des Attentates auf Israels Ministerpräsidenten Jizchak Rabin sitzt auch unseren Sicherheitsverantwortlichen in den Knochen. „Man sieht es im Ausland", so Gollia zur furche: „Eine Horde Leibwächter hat Rabin bewacht und trotzdem war das Attentat erfolgreich aus der Sicht des Täters. In Osterreich ist die Situation so, daß keine konkrete Gefährdung bei Poli tikern vorliegt. Dem Innenministerium ist nichts derartiges bekannt. Nur will man sich hier keinesfalls den Vorwurf machen lassen, sollte wirklich etwas passieren, wir hätten nicht aufmerksam gemacht beziehungsweise keine Information in diesem Zusammenhang angeboten. In diesem Fax an die Parteien ist lediglich das Angebot drinnen, bei Bedarf zur'Verfügung zu stehen. Jeder Politiker, der glaubt, daß bei ihm eine konkrete Gefährdung vorliegt, bekommt von uns einen Personenschutz beigestellt. "(Dazu ein Gespräch mit Madeleine Petrovic auf Seite 5)

Auch der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit, Michael Sika, zielt in diese Richtung: „Wir sind gezwungen, aus ausländischen Attentaten Schlußfolgerungen und Lehren zu ziehen und haben daher überlegt, ob wir nicht für Osterreich ein Modell entwerfen könnten, Politiker und Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, zu schützen. Wir haben daher die Wahlkampfleiter der politischen Parteien ersucht, besondere Vorsicht walten zu lassen, und haben auch in Erwägung gezogen, daß die Möglichkeit besteht, eine Schutzweste zu tragen." Daß tatsächlich Erkenntnisse da seien, es werde etwas passieren, sei eine „Überinterpretation der Kronenzeitung" gewesen, so Sika.

Wie es wirklich um unsere Sicherheit bestellt ist, zeigt die jüngste Kriminalstatistik des Innenministeriums aus dem ersten Halbjahr 1995 (siehe Beitrag unten). Herrn und Frau Österreicher interessiert die Entwicklung der Kriminalität mehr als etwa das Problem der Briefbomben. „Von zehn Briefen, die wir bekommen", sagt Sika, „befassen sich acht mit der landläufigen Kriminalität und nur zwei fühlen sich durch die Briefbomben verunsichert. Das ist für den Österreicher kein Hauptproblem; aber für uns ist es eines, weil die Briefbomben medial stark in den Vordergrund gestellt und wir im wesentlichen nicht an den Erfolgen gemessen werden, die wir in fast allen Bereichen haben, sondern nur am Mißerfolg in der Briefbombengeschichte."

Die Kriminalitätsentwicklung in Österreich ist 1994 und auch weiter im ersten Halbjahr 1995 rückläufig, bestätigt Hauptmann Gollia. Die seit Jah-aufgrund gleicher Maßstäbe geführten Sicherheitsberichte des Innenministeriums weisen das nach, „was sicher zu einem objektiven Sicherheitsgefühl beiträgt" (Gollia). Subjektiv sieht die Lage etwas anders aus, verursacht durch „gewisse Verunsicherungskampagnen mit Berichten über die organisierte Kriminalität, von der aber der einzelne Staatsbürger nicht unmittelbar betroffen ist. Rauschgiftdelikte, Geldwäscherei, großangelegte kriminelle Handlungen betreffen, Herrn X nicht unmittelbar." Auch Sika beruhigt: „Die Zahlen, die natürlich die Werte der konventionellen Kriminalität aufweisen, sind günstig und ergeben sogar ein leicht rückläufiges Bild der Kriminalität. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung muß also nicht leiden. Allerdings ist das ein subjektives Gefühl, das man zwar beeinflussen, aber nicht korrigieren kann. Daß natürlich die organisierte Kriminalität zugenommen hat, ist unbestritten."

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