Willkommen in der Schattenwelt

Werbung
Werbung
Werbung

Spion, "Informator" oder nur "Gesprächspartner"? Die Aufregung um Helmut Zilk weckt Erinnerungen an eine Zeit, die vielen fremd und fern geworden ist. Für meine Generation und meine Profession - den (außenpolitischen) Journalismus - aber war die Bedrohung jahrzehntelang präsent: auf Reisen, vor allem in Osteuropa und Nahost. Und auch zuhause, im unvermeidlichen Kontakt mit Botschaften und ihrem undurchsichtigen Personal. Mit jeder denkmöglichen Verlockung - journalistisch, finanziell und privat.

Markierungen am Koffer

Irgendwie bin ich dieser Schattenwelt entkommen. Und ahne doch, wie oft mein Name in alten Archiven ruht. Ahne, was Zuträger berichten mussten, wann immer ich als Journalist bei Arafat oder Gaddafi, bei Reagan, Havel oder dem Dalai Lama war. Und auf welche Listen ich geraten war, nur weil ich die Feinde und Dissidenten mancher Regime interviewt hatte.

In vielen Ländern habe ich kleine Markierungen am Koffer angebracht, um zu wissen, wann mein Gepäck geöffnet wurde. In manchen Telefonaten habe ich den Lauschern in der Leitung gesagt, dass ich um ihren jämmerlichen Job weiß - worauf nicht selten aufgelegt wurde. Und wann immer ich am Telefon das Wort "Waldheim" sagte, war klar, dass mich das US-Abhörsystem "eingefangen" hatte.

Der Begegnung mit jenen Agenten des Prager Geheimdienstes, die jetzt in der "Causa Zilk" auftauchen, bin auch ich nicht entkommen, war aber gut beraten, mich stets uninformiert und innenpolitisch desinteressiert zu geben. Wer sich als "Insider" präsentierte, war schnell verloren.

Unvergesslich, wie ein Ressort-Kollege als Informant eines Ost-Geheimdienstes enttarnt wurde. Er war in die Mädchenfalle gegangen - und hatte dann am "Kick" des Doppellebens Gefallen gefunden. Unvergesslich auch, wie sich im iranischen Schiras nachts die Türe öffnete und in mein Hotelzimmer fotografiert wurde - eine junge Dame vom Geheimdienst hatte sich schon Stunden zuvor mangels Einladung frustriert verabschiedet gehabt.

Die wichtigste Lektion im Umgang mit Geheimdiensten verdanke ich Hugo Portisch. Der Sechstagekrieg 1967 war eben mit einem Triumph Israels beendet. Aber: Würden die besiegten arabischen Führer nun zum Frieden finden? Ich versuchte, mich von Tel Aviv zu König Hussein nach Amman durchzuschlagen. Meine Telexe nach Wien waren in Israel offenbar mitgelesen worden. Denn plötzlich war da ein jovialer Israeli - mit der Bitte, dem jordanischen Monarchen auch die von ihm mitgebrachten Fragen zu stellen, "koste es, was es wolle".

Rüge von Hugo Portisch

Jung und unerfahren ließ ich mich auf ein "Geschäft" ein: Fragen, die auch mich interessierten, würde ich Hussein stellen, sagte ich - dafür wolle ich kein Geld, sondern ein Exklusiv-Interview mit Israels Außenminister Abba Eban. Die Reise nach Amman erwies sich rasch als unmöglich, das Eban-Interview aber gelang. Nach Wien heimgekehrt, erzählte ich Hugo Portisch stolz von meinem Erfolg. Statt Lob gab es deutliche Worte: Niemals - auch nicht für ehrenwerte journalistische Ziele - ist ein Deal mit Geheimdiensten zu rechtfertigen, sagte er. Die "Causa Zilk" zeigt, wie Recht er hatte!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung