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„Wir brauchen jetzt eure Solidarität!”

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Politisch motivierte Attentate nehmen bei unserem Nachbarn Slowakei zu. Müssen wir uns vor dem Chaos furchten? Die Christdemokraten Carno-gursky und Miklosko nehmen dazu Stellung.

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Politisch motivierte Attentate nehmen bei unserem Nachbarn Slowakei zu. Müssen wir uns vor dem Chaos furchten? Die Christdemokraten Carno-gursky und Miklosko nehmen dazu Stellung.

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Eine neue Welle der Gewalt im politischen Geschäft schwappt über die Slowakei. Sowohl der Chef der Christdemokratischen Partei (KDH), der Jurist Jan Carno-gursky, als auch der ehemalige slowakische Pariaments_präsi-dent und Parteikollege Carno-gurskys, Frantisek Miklosko, beide seinerzeit im religiösen Untergrund äußerst aktiv, gehen davon aus, daß dies Resultat der politisch verschlechterten Lage in der Slowakei ist. „Das Niveau der Gewalt ist allgemein gestiegen”, so Carno-gursky zur furche. Und Frantisek Miklosko fügt hinzu: „Es dauert jetzt schon einige Monate, daß diese brutalen Angriffe auf einzelne Persönlichkeiten fortgesetzt werden.” Miklosko selbst wurde ja am 12. September vor seinem

Haus in Bratislava (Preßburg) Opfer eines Uberfalls dreier Schläger, die schon am Pag davor, ihn und sein Haus beobachtet hatten.

Es komme ihm jetzt vor wie in seiner Untergrundzeit während der Kommunistenära, bestätigt Miklosko. Er verweist auf den ersten Fall eines politischen Übergriffs, als im Juni nach dem Protest dreier slowakischer Bischöfe (darunter der Vorsitzende der Slowakischen Bischofskonferenz, Jan Balaz von Bans-ka Bystrica) gegen die politischen Attacken auf Präsident Michal Kovac seitens der Meciar-Partei eine Bombendrohung gegen den Dom von Bans-ka Bystrica (Neusohl) eingegangen war. Zwei Wochen nach dem Papstbesuch in der Slowakei war es dann zu jener ominösen Hausdurchsuchung bei Bischof Balaz gekommen, die -so Miklosko - „gegen das Gesetz und die Strafordnung war, eine klare politische Attacke auf den Vorsitzenden unserer Bischofskonferenz. Bedenken Sie, die letzte Hausdurchsuchung bei einem Bischof führten die Kommunisten 1951 bei Bischof Vojtassak durch.” Wieder drängt sich der Vergleich mit der Kommunisten -zeit auf.

Miklosko betont, daß hier „etwas Neues” in der politischen Auseinandersetzung begonnen habe, daß jemand dahinter stehen müsse. Gefährlich sei das insofern, als sich die brutalen Schläger schon zu weit vorgewagt, gewissermaßen schon die Brücken hinter sich verbrannt hätten: „Sie können nun nicht mehr zurück, müssen so weitermachen wie bisher und das ist sehr gefährlich, wir wissen nicht, was uns noch bevorsteht.”

Parteichef Carno-gursky sieht in der Begierungspolitik, unliebsame Gesetze einfach zu brechen oder zu mißachten, den Grund für die derzeitige Situation der Gewalt. Er verweist auf das Privatisierungsgesetz, an dessen zweite Welle sich die Begie-rung, trotz des Verkaufs von Kupons an Privatleute, die glaubten, damit an der Privatisierung der Staatsbetriebe teilnehmen zu können, nicht mehr gebunden wissen wollte, obwohl sie dies ursprünglich versprochen hatte. Auch an das Lustrationsgesetz, wonach bestimmte ehemalige KP-Funktionäre keine hohen Posten im Staatsdienst mehr bekleiden können, fühle sich die Regierung nicht gebunden. In der Bevölkerung herrscht Angst, die Christdemokraten versuchen nach besten Kräften, so Carnogursky, „die Regie-rungspolitik zu entlarven”.

Miklosko registriert eine tiefe Frustration der Bevölkerung noch aus der Zeit des Kommunismus; dazu geselle sich die schlechte soziale Lage - „Bei uns gibt es wirklich eine große Anzahl von Arbeitslosen” -, die eine totale Unsicherheit der Menschen vor der Zukunft ausgelöst habe. „Das spielt radikalen Populisten wie Meciar in die Hände. Es ist diese tiefe Frustration, aus der die Radikalisierung unserer Gesellschaft entsteht.”

Die Slowakei sei außerdem ein noch junger Staat, der keinerlei Erfahrung mit der Polizei und der Staatlichkeit habe. „Es ist also möglich, daß alle unter großem Einfluß der Mafien und verschiedener Unterweltgruppen stehen. Der Staat ist schlecht vorbereitet darauf. Wir dürfen nicht alle Probleme nur von der Warte Meciar her sehen, wir müssen die grundsätzlich schwierige Lage unseres Staates verständlich machen, denn das kann katastrophal enden.”

Unisono appellieren Carnogursky und Miklosko an die österreichische Öffentlichkeit, sie im Kampf für demokratischere Verhältnisse nicht allein zu lassen. „Wir brauchen eure Solidarität”, so Miklosko. Und Carnogursky bittet um moralische Unterstützung, die sehr wirksam sein könne.

Frantisek Miklosko präzisiert: „Seid solidarisch mit allen Menschen, die ehrlich, demokratisch verwurzelt sind und europäisch denken, übt Druck auf Kräfte aus, die gegen die Demokratie gehen. Denn man darf nicht akzeptieren, was schlecht ist, und dieses Spiel mitspielen.”

Klare Worte müßten seitens Österreichs auch gesprochen werden, um die apathische slowakische Bevölkerung herauszufordern. Carnogursky und Miklosko sind jedoch noch optimistisch genug zu glauben, daß „wir in der Slowakei die Lage selbst meistern können”.

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