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Wir und Afrika

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Wer sich wenig mit dem brennenden; aber überaus komplexen Afrikaproblem beschäftigt, anderseits aber im Begriff Österreich nur das kleine und relativ kapitalarme Land innerhalb weltweiter Kräftegruppen sieht, der wird die Einfluß- und Hilfsmöglichkeiten dieses kleinen Landes auf die Gestaltung Afrikas sehr gering beurteilen. Die Grenze mag mit der Bereitstellung einer gewiß wertvollen Auswahl an medizinisch geschulten Kräften im Rahmen eines internationalen Hilfsprogrammes bereits gezogen sein.

Daß rein finanzielle Hilfsprogramme in den afrikanischen Ländern vor einem Chaos keine endgültige Rettung bringen können, ist wohl bereits allgemeine Erkenntnis geworden. Wenn nun eine allmähliche Schulung der Bevölkerung und eine langfristige Beratung sowohl fachmännischer wie auch politischer Natur im allerwesent-lichsten Anteil von den europäischen Ländern wird ausgehen müssen, dann besteht der Kern der Probleme in der Art, festzustellen, in weichet Form ein solcher Beitrag zu leisten sein wird.

Es ist bekannt, daß von den ehemaligen Kolonialländern manch unberechtigte und unerfüllbare Forderungen gestellt werden, wobei natürlich die Uneinigkeit im Lager des weißen Mannes ausgenützt wird. Man kann aber heute nicht darüber hinwegkommen, daß aus der Situation einer Kolonialvergangenheit heraus gewisse berechtigte Ansprüche auf Hilfeleistungen bestehen — und zwar unter Modalitäten, welche dem Souveränitätsgedanken jener Länder entgegenkommen müssen. Hierin liegt wohl die größte Schwierigkeit. Der Franzose Lacouture bekennt in seinem lesenswerten Buch „Le Maroc a l'epreuve“. daß es unvergleichlich leichter sei, das Lenkrad zu fuhren,-als dem Führer den Weg zuzuflüstern, dem er folgen soll.

Es wäre ein großer Fehler, a priori den Wunsch jener noch erfahrungsarmen Länder — die vielleicht eine selbstsichere Miene aufsetzen — grundsätzlich zu verneinen, gute Ratschläge entgegenzunehmen. Zunächst muß von europäischer Seite erkannt werden, daß aus der Tatsache der allmählichen Umwandlung Afrikas in selbständige Staatsgebilde der Aspekt bisheriger Beziehungsverhältnisse zwischen Euro-

päern und Afrikanern einer grundsätzlichen Revision bedarf. Diese Revision mag für erprobte Kolonialisten besonders schmerzhaft sein. Weite Kreise werden ein solches Umdenken und Umgestalten im Endeffekt als Illusion bezeichnen. Doch auch maßgebende Stimmen des britischen Weltreichs, die etwa im „Observer“ oder „Economist“ in letzter Zeit die Zukunftsmöglichkeiten für britische Kolonien und Mandate in Afrika beurteilen, sprechen der Notwendigkeit das Wort, neue und den Verhältnissen angepaßte Beziehungsformen zwischen den beiden Kontinenten herzustellen.

Wenn in diesem Zusammenhang nun Österreichs Möglichkeiten beinahe verpflichtender Art kurz erwähnt werden sollen, dann sei zunächst festgestellt, daß Österreich eine sehr günstige Ausgangsposition verzeichnet. Es hat weder eine Kolonialvergangenheit noch gehört es den bekannten Mächteblöcken an.

Um die neuen Länder Afrikas zu studieren und zunächst provisorische Brücken herzustellen, bedarf es als erstes eines intensiven diplomatischen Kontaktes mit diesen Staaten. Europäische Regierungen ähnlicher Stellung wie Österreich, vornehmlich die Schweiz und Schweden, haben diese Notwendigkeit beizeiten erkannt und in zahlreichen Ländern des afrikanischen Kontinents diplomatische Vertretungen errichtet. Diese sind mit erfahrenem Personal versehen und leisten sehr wertvolle Dienste. Es ist bekannt, daß die eidgenössische Sparsamkeit hier ein großzügiges außenpolitisches Budget walten läßt und in manchen prekären afrikaniohen Situationen, etwa erst kürzlich in Kairo, unersetzliche diplomatische Aushilfsdienste geleistet hat.

Österreich ist im afrikanischen Kontinent nur an drei Stellen vertreten: in Ägypten, Marokko und der Afrikanischen Union. Rabat beherbergt nicht weniger als 46 ausländische Missionen. Hiervon sind 44 Vertretungen als Botschaften erklärt. Unter den beiden Restländern fungieren das kleine saidistische Königreich Jemen und Österreich als einzige Gesandtschaften, letzteres im strengen Hofprotokoll des Diplomatenverkehrs als einsames Schlußlicht.

So wie andere europäische Länder müßte auch Österreich hergebrachte

Photo: Archiv

Ansichten über Außendiensteinteilung den gegenwärtigen Umständen anpassen. Deshalb braucht noch nicht ein junger Botschafter in Afrika einem solchen in Paris oder London gleichgesetzt werden. Entsprechend ausgebaute diplomatische Vertretungen in Entwicklungsländern können sehr rasch einen wirklich fruchtbaren Kontakt und aus diesem heraus eine Bereicherung an Erfahrung für solche Länder geben, welchen Erfahrung in der verwirrenden Weltpolitik und im Aufbau ihrer Länder mangelt und mangeln muß. Aus dem geschaffenen Vertrauensverhältnis läßt sich dann leicht die Möglichkeit erwägen und erarbeiten, österreichische junge Fachkräfte vieler Berufszweige für entsprechende, sehr interessante Posten in den Entwicklungsländern, insbesondere in jenen, die bereits fortgeschritten sind, zu gewinnen. Lehrpersonal für die Schulen erscheint besonders dringlich. Als Sprachkenntnisse wären bloß Englisch oder Französisch erforderlich.

Der Vorwand, daß auch in Europa Fachkräfte rar geworden sind, geht an den wesentlich bereits aufgezeichneten Problemen und Verpflichtungen vorbei. Denn eine isolierte Wertung des Konjunkturaufschwungs in den Zivilisationszentren der Welt müßte als sehr kurzsichtige Zukunftspolitik angesprochen werden.

Wenn zunächst diplomatische Vorarbeit geleistet werden soll im Sinne einer Anbahnung von Beziehungsverhältnissen des beratenden Europas zum beratenen Afrika* dann muß erkannt werden, daß hierfür nicht immer die beste Wegbereitung erfolgt ist.

Auf alle Fälle sollte in Zukunft vermieden werden,, über das Forum der UNO afrikanische Länder mit innereuropäischem Gezanke zu beschäftigen. Es braucht nicht darauf hingewiesen werden, wie wenig zweckdienlich es ist, wenn Entwicklungsstaaten, welche Erfahrung über demokratische Staatskunst benötigen, zu Schiedsrichtern in Minoritätenfragen im Herzen Europas aufgerufen werden, deren wirkliche und oft wenig erfreuliche Zusammenhänge außerhalb eines engen Kreises keineswegs überblickt werden können.

Aus manchen endlich in Fluß geratenen Diskussionen scheint die Notwendigkeit einer gewissen Revision außenpolitischer Ziele Österreichs allgemein anerkannt zu werden. Eine solche Revision wäre unvollständig, wenn in den Rahmen verantwortungsbewußter Neutralitätsauffassung nicht auch Aufgaben und Verpflichtungen den Entwicklungsländern gegenüber eingebaut würden.

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