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Wirtschaftslokomotive für den Schwarzen Kontinent?

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Schwarzafrika hat jahrzehntelang alles getan, um das südafrikanische Apartheidregime international zu isolieren. Heute sind der Begeisterung für Südafrika keine Grenzen mehr gesetzt.

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Schwarzafrika hat jahrzehntelang alles getan, um das südafrikanische Apartheidregime international zu isolieren. Heute sind der Begeisterung für Südafrika keine Grenzen mehr gesetzt.

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Etwas allzu wundergläubig wird oft nichts weniger als die Rettung des Schwarzen Kontinents durch Südafrika erwartet. Völlig unbegründet ist der schwarze Optimismus allerdings nicht. Die Republik Südafrika ist mit Naturschätzen überreich gesegnet. Gold und Diamanten trugen viel dazu bei, den immer härter werdenden Bedingungen des internationalen Boykotts standzuhalten. In den Jahrzehnten der Apartheid mußte aber auch große Betonung auf die einhei mische Verbrauchsgüterindustrie gelegt werden. Sie mag international nicht immer voll wettbewerbsfähig sein, doch stellt sie zur Zeit einen wichtigen Faktor in den Wirtschaftsbeziehungen zu Schwarzafrika dar.

Heute haben sich die Flugverbindungen Johannesburgs mit den größeren schwarzafrikanischen Städten vervielfacht, die Maschinen sind stets vollbesetzt.

„Wenn ich ein größeres Problem habe, fliege ich nach Johannesburg“, erklärt mir der Präsident der kongolesischen Handelskammer, Ngabala. „In wenigen Tagen finden wir mit den Leuten dort eine Lösung, wenn nicht, kommt ein Experte mit mir zurück nach Brazzaville. Die Südafrikaner sind an Langzeitergebnissen interessiert.“ Ähnliches höre ich aus Kinshasa.

Die Vorteile liegen natürlich nicht nur bei den Schwarzafrikanern. Südafrika hat gewaltige Altlasten aufzuarbeiten. Bisher lebten hier zwei Welten nebeneinander, eine weiße auf europäischem, eine schwarze auf afrikanischem Niveau. Jedes Problem stellt sich in Südafrika mit verzehnfachtem Schwierigkeitsgrad, denn in diesem Verhältnis stehen Weiße und Schwarze wirtschaftlich zueinander.

Das Pro-Kopfeinkommen etwa liegt nahe diesem Wert, bei 900 Dollar pro Kopf für den schwarzen Bevölkerungsteil und nahe 12.000 Dollar für den weißen. Erschwerend wirkt das Fehlen von schulischer und fachlicher Ausbildung eines großen Teils der schwarzen Bevölkerung. Das zwingt von vornherein, einen guten Teil der wirtschaftlichen Entwicklung vorerst abseits der allgemeinen Rationalisierungswelle auf Produkte und Produktionsweisen zu konzentrieren, die mehr Arbeitskraft brauchen. Das bedeutet in der Praxis Entwicklung mittlerer und kleiner Unternehmen und wird wiederum erleichtert durch das Ausweiten der wirtschaftlichen Beziehungen zu Schwarzafrika.

Seit den zwei Jahren, in denen der Boom der Handelsbeziehungen begann, brachte er jedenfalls bereits eine Konjunkturwende: Mit über fünf Milliarden Band Exportüberschuß nach dem restlichen Afrika südlich der Sahara im Jahr 1993 hat dieser neue Exportmarkt einen gewichtigen Anteil am allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung. Dazu ist noch zu erwähnen, daß Afrika der einzige Kontinent ist, mit dem Südafrika eine positive Handelsbilanz aufweist.

SORGEN UM POLIT-STABIUTÄT

Zwar machen die Exporte nach Schwarzafrika nur rund 13 Prozent der Gesamtexporte aus, doch eine Steigerung von 13 Prozent der Gesamtexporte kann ja wohl den Unterschied zwischen Krise und Konjunktur ausmachen. Das erleichtert auch die intensive Ausweitung der internen wirtschaftlichen Kreisläufe auf dem Niveau der schwarzen Bevölkerung: Zur dauerhaften, tiefgreifenden Entwicklung gehört die Einbeziehung des schwarzen Bevölkerungsteils, wenn auch in der Übergangsperiode mit noch sehr bescheidenem wirtschaftlichen Standard. Das ist die unvermeidliche Alternative zur wirtschaftlich nicht tragbaren Befriedigung der materiellen Bedürfnisse über soziale Assistenz für die so lange benachteiligte schwarze Bevölkerung.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung konnte auch die Inflation unter Kontrolle gebracht werden. Hatte man sich in den achtziger Jahren schon an eine zweistellige Inflationsrate gewöhnt, so fiel sie im Mai bereits auf 7,3 Prozent mit weiter fallender Tendenz.

Diesen insgesamt eher günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen Sorgen über die politische Stabilität gegenüber. Niemand hat vergessen, daß vor wenigen Monaten noch viele Hunderte Menschen durch meist politische Gewalttaten ums Leben kamen. Die Inka- tha des Buthelezi hat sich zwar dem allgemeinen Prozeß hin zu einer normalen Zivilgesellschaft angeschlossen, doch noch konnte die Gewalt aus den Spannungen zwischen den verschiedenen Kräften nicht völlig ausgemerzt werden. Wird die Eigendynamik des neuen Südafrika stärker sein als die Dämonen der Vergangenheit?

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