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Wirtschaftsprobleme der Steiermark

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Selbst wenn man nicht bereit ist, jede individuelle oder lokale Sorge einer heute gern geübten Mode gemäß gleich in den großen Rahmen der künftigen europäischen Freihandelszone zu stellen und von entsprechend hoher Warte aus zu betrachten, so ergeben sich bei einer intensiven Befassung mit der steirischen Wirtschaft dennoch zahlreiche Probleme, deren Größe es rechtfertigt, einen weiteren Kreis mit ihnen zu beschäftigen. Um jedoch nicht mit den Schattenseiten beginnen zu müssen: Die Steiermark gilt als eines der an Rohstoffen und Bodenschätzen bestens ausgestatteten Bundesländer Oesterreichs, so daß ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Wirtschaft direkt oder indirekt mit diesen Vorkommen zusammenhängt. Trotz starker Ausweitung des Welthandels hat sich das Vorhandensein dieser Rohstoffe und Bodenschätze, darunter besonders Eisen, Holz, Magnesit, Graphit und Talkum, noch immer als äußerst segensreich für so gut wie alle Zweige der Wirtschaft erwiesen, so daß von dieser Seite her keine ernstlichen Sorgen aufkommen sollten. Produktion,' Produktivität und Beschäftigung haben sich in der Steiermark in den letzten Jahren ungefähr im gesamtösterreichischen Durchschnitt erhöht; die allgemeine Wohlstandsmehrung, wie sie einer blühenden Wirtschaft entspricht, hat also auch vor den Toren der Steiermark nicht haltgemacht.

Mit dieser letzteren Feststellung sind wir aber auch schon im Kernpunkt eines spezifisch steirischen Wirtschaftsproblems angelangt. Die Verkehrsferne unseres Bundeslandes wiegt in doppelter Hinsicht schwer: einmal ist die Steiermark von jenen Staaten, mit denen Oesterreich rund 70 Prozent seines Außenhandels abwickelt, am weitesten entfernt, und zweitens genügen die Eisenbahnen und Straßen, welche die innerösterreichische Verbindung zwischen der Steiermark und den übrigen Bundesländern darstellen sollten, trotz anerkennenswerter Anstrengungen in der jüngsten Vergangenheit, den heutigen wirtschaftlichen Anforderungen in keiner Weise. Daß sich die Politik der stiefmütterlichen Behandlung der steirischen Belange durch einige Zentralbehörden einmal rächen wird, ist eine Binsenwahrheit; keinem Staat kann es von Nutzen sein, wenn einige seiner Gebiete infolge Vernachlässigung den allgemeinen Durchschnitt verschlechtern und möglicherweise eines Tages der Gesamtheit zur Last fallen. Es wäre daher dringend zu hoffen, daß dieser Erkenntnis auch Entschlüsse folgen, die den steirischen Forderungen wenigstens einigermaßen gerecht werden.

Daß mit dem beschleunigten Bau von Zubringerstraßen und mit der grundlegendsten Verbesserung der Eisenbahnverbindungen noch längst nicht alles getan ist, dürfte klar sein; die Länge der Transportwege aus den steirischen Wirtschaftszentren auf die Weltmärkte und zu den Seehäfen und die damit verbundenen Frachtkosten stellen ebenfalls ein sehr ernstes Problem dar, das sich auf die Kalkulation und damit über zahlreiche weitere Stationen letzten Endes auch auf die Sicherheit der Arbeitsplätze auswirkt.

Die sowohl innerösterreichisch als auch europäisch schwer ins Gewicht fallende Verkehrsferne brachte es leider mit sich, daß die Steiermark von dem gewaltigen Aufschwung des Fremdenverkehrs bisher bestenfalls bescheidene Ansätze zu spüren bekam. Obwohl gerade auf dem Gebiet der Fremdenverkehrsförderung zwischen der steiermärkischen Landesregierung und der Handelskammer Steiermark ein reger Gedankenaustausch und eine harmonische Zusammenarbeit gepflegt wird, und obwohl die landschaftlichen Schönheiten und Unterbringungsmöglichkeiten in der Steiermark jenen in den anderen Bundesländern keineswegs nachstehen, sind die Nachteile der langen und zum Teil sogar beschwerlichen Anfahrtswege so groß, daß es offenbar massiverer Verlockungen bedarf, um die Steiermark in den Welt-Fremdenverkehr erfolgreich einzuschalten. Bessere Straßen und bequemere Eisenbahnverbindungen dürften auf diesem Gebiet allerdings eine positive Wendung herbeiführen.

Einen weiteren Schwerpunkt der wirtschaftlichen Sorgen stellt die ungenügende Ausstattung weiter wirtschaftlicher Bereiche mit K a p i t a 1 dar. Zwar hat die Handelskammer Steiermark auch hierin die Initiative ergriffen und schon vor mehreren Jahren gemeinsam mit dem Land einige Kleinkreditaktionen ins Leben gerufen, doch reichen die Beträge angesichts der vielfältigen Notwendigkeit der Modernisierung von Klein- und Kleinstbetrieben nicht aus. Es müßte sich unbedingt ein Weg finden lassen, um die großen Unternehmungen mit ihrem anerkanntermaßen gewaltigen Kapitalbedarf auf die normale Finanzierungsmöglichkeit eines hoffentlich bald funktionierenden einheimischen Kapitalmarktes zu verweisen und die so freiwerdenden Beträge der großen Kreditaktionen wenigstens zum Teil den kleinen und mittleren Betrieben zur Verfügung zu stellen. Die zum Teil durch die Wirtschaftslage Oesterreichs in den vergangenen Jahrzehnten bedingten Versäumnisse, die großen Kriegsschäden und die hohen Steuern haben eine nennenswerte betriebliche Kapitalbildung bisher verhindert, anderseits erweisen sich Betriebsrationalisierungen, Auflassung oder Neuaufnahme von Produktionen als unbedingt notwendig. Daß die Kapitalfrage auch bei den kleinsten und kleinen kommerziellen und gewerblichen Betrieben, an denen die Steiermark besonders reich ist, eine der Hauptsorgen bildet, dürfte klar sein.

Eine dritte, wenn auch nicht spezifisch stei-rische Sorge stellen schließlich die sogenannten unterentwickelten Gebiete dar, die sich durchaus nicht nur an der östlichen und südlichen Grenze unseres Bundeslandes hinziehen. In letzter Zeit hat sich die öffentliche Meinung in zunehmendem Maße mit diesen Gebieten beschäftigt; auch behördlicherseits sieht man die Notwendigkeit ein, hier einschneidend zu helfen. Freilich scheint uns dieses Problem mit der Industrialisierung dieser Gebiete nicht gelöst, wenn auch die begünstigte Ansiedlung von gewerblichen oder industriellen Unternehmungen in diesen Gegenden einen gewissen Aufschwung auf allen Wirtschaftsgebieten bringen kann. Richtiger und für die Sicherung einer gesunden Wirtschaftsstruktur vorteilhafter wäre es zweifellos, wenn sich die unterstützenden Maßnahmen auch auf den Fremdenverkehr und die Landwirtschaft ausdehnen würden und damit ein sozusagen natürlicher Belebungsprozeß eintreten könnte. Jedenfalls muß alles, was an amtlicher oder privater Initiative beabsichtigt ist oder mit Recht erwartet werden darf, möglichst rasch geschehen, denn mit entvölkerten und verarmten Grenzen und einer dadurch völlig ungleichmäßigen Wirtschaftsstruktur werden wir weder den Konsolidierungsprozeß unserer Binnenwirtschaft weiterführen noch mit besonderen Hoffnungen an der Freihandelszone teilnehmen können.

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