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Woher nehmen?

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Je mehr der Parteienstaat Macht an sich zieht (und dies in aller Welt), um so größer wird der Apparat der Parteien, der sich proportional dem Staatsapparat entwickelt. Aus einem verständlichen Trieb heraus sind die Parteien daran interessiert, an der Staatsmacht, die ja nicht für sich bestehen kann, teilzuhaben. Die Machtteilhabe erfordert aber eine Betriebsbereitschaft der Parteien, soweit sie keine Wahlgemeinschaften sind.

Je größer der Apparat der Parteien ist, um so mehr sind Mittel notwendig, diesen Apparat zu erhalten. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die Parteien stets darauf bedacht sind, Geldquellen ausfindig zu machen.

Daß die Parteien Geld brauchen, ist weder gut noch schlecht und einer moralischen Wertung an sich nicht unterworfen. Es muß daher verwundern, daß gerade solche Personen, die einem System mit dem sinnigen Namen „Einparteienstaat" anhängen, sich besonders erregt über den Umstand ereifern, daß Parteien, wie alle anderen Institutionen, die keine eigenen Erwerbsquellen haben, Geldzuwendungen gegenüber nicht spröde sind. Freilich: Wenn die „Einheit von Partei und Staat" herrscht, gibt es derlei Probleme nicht, weil dann eben der Staat die

Kosten der Erhaltung der einen Partei dem Budget einverleibt und die Parteibeamten zu faktischen Staatsbeamten macht.

Uebrigens hat man vor einiger Zeit auch in der Bundesrepublik in privaten Kreisen allen Ernstes die Frage erörtert, ob man nicht an die Parteien, entsprechend ihrer Wählerzahl, Staatszuschüsse leisten und auf diese Weise die tatsächliche öffentlich-rechtliche Funktion der Parteien anerkennen solle.

Wer die Parteien ablehnt, lehnt den Parteienstaat ab. Wer sich gegen diesen erklärt, spricht sich für irgendeine. Form der Despotie aus. Sind nun die Parteien notwendig, müssen wir ihnen auch einen Apparat zubilligen, dessen Funktionäre zu einem Teil hauptberuflich tätig sind und daher besoldet werden müssen.

Diese Feststellungen sollen nun keineswegs alles, was im Zusammenhang mit der Finanzierung der Parteiapparate geschieht, vorweg billigen.

Im Rahmen eines Prozesses wurde kürzlich behauptet, daß einzelne Parteien von den Angeklagten Geld genommen hätten. Ob das nun richtig ist oder nicht, ist an sich gleichgültig. Nicht übergangen werden darf aber die Tat-

sache, daß im Zusammenhang mit den Gerüchten das Problem der Finanzierung der Parteien wieder zur Sprache kam und Anlaß zu einer Pressepolemik wurde.

Die Frage, die sich uns stellt, ist nun nicht die, ob Parteien Geld nehmen dürfen, sondern, wann bzw. von wem Parteien kein Geld nehmen sollen.

Nun gibt es gewisse Verwaltungsmsßnahmen im Bereich der Wirtschaftsführung, an denen die Parteien als solche Anteil haben und haben dürfen (Außenhandel u. ä.). Der Einbau nur-politi- scher Elemente in Institutionen öffentlich-rechtlicher Natur wird bisweilen damit begründet, daß es sich bei manchen Verwaltungsentscheidungen um eminent politische Fragen handelt, über die zu entscheiden nicht Sache von Verwaltungsbeamten sein kann. Zudem sind die großen Interessentenverbände formell auch nach parteipolitischen Gesichtspunkten organisiert, so daß überall da, wo notwendig Interessenvertreter mitentscheiden, wenn nicht allein entscheiden müssen, die Entscheidungsgremien von Farteien- vertretern besetzt sind. Dabei sollte man nicht übersehen, daß die Parteien gerade in Wirtschaftsfragen oft von Menschen vertreten werden, die nur-wirtschaftlich denken und mit Gesinnung nicht allzusehr belastet sind.

Die Parteien sind nicht nur in der Lage, wirtschaftspolitisch belangreiche Entscheidungen mitzubestimmen, sondern haben auch in Sachen der Verwaltung zuweilen den Charakter von pressure groups, d. h. sie können einen nachhaltigen Druck auf Verwaltungsorgane ausüben. Ob das gut ist oder nicht soll hier ebenfalls nicht untersucht werden, wenn es auch viele Fälle gibt, in denen die Parteieinflüsse notwendige Korrekturen von Verwaltungsakten sind, die vielleicht formell dem Gesetz entsprechen, nicht aber seinem Sinn.

Soweit aber die Parteien quasi amtlichen Charakter haben, darf es ihnen in keiner Weise erlaubt sein, unter welchem Titel immer, Geld von Interessenten zu nehmen. Da, wo die Parteienvertreter wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen dürfen, haben sie nicht das Interesse einer Gruppe (ob diese nun honoriert oder nicht) zu vertreten, sondern das allgemeine Interesse, auch wenn die Entscheidung einzelnen Parteigängern Schaden bringt. Der Parteienstaat ist trotz aller menschlichen Mängel die ideale Form, in der sich ein demokratischer Staat manifestieren kann, aber nur dann, wenn die Parteien zuerst auf das gemeine Wohl Bedacht nehmen.

Die Uebertragung gewisser Aufgaben an die Parteien entspricht auch dem Subsidiaritätsprinzip und vermag eine totale Verbiirokratisie- rung ebenso zu verhindern wie die Zentralisierung der Macht bei einer bürokratischen Spitze. Das setzt aber voraus, daß die Parteien, wenn sie allgemeine staats- und wirtschaftspolitische Akte setzen, jene Objektivität in ihren Handlungen haben, die auch die Staatsbeamten (die „Bürokraten") bei ihrer Amtsführung kraft Diensteid haben müssen.

Man sollte aber nicht in das Extrem verfallen und von der sehr publikumswirksamen Annahme ausgehen, daß die Parteien das für ihre Organisation und vor allem für die Wahlkämpfe notwendige Geld nur durch Manipulationen erhalten. die das Tageslicht zu scheuen haben. Das hieße das Anormale zur Regel erklären und wäre ebenso ungerecht, als wenn man etwa die Verfehlung eines Arztes seinem ganzen Berufsstand anlasten würde.

Daß unlautere Dinge in Sachen der Finanzierung des Parteiapparates geschehen, wird wohl von niemandem bestritten werden. Von Korruption aber kann man erst dann sprechen, wenn nach Kenntnisnahme durch die Parteiführung die Unzukömmlichkeiten nicht abgestellt werden.

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