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Zarte Hoffnung für das „Schlußlicht“

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Der außerordentliche Parteitag der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP), der kurz vor Weihnachten stattfand, konnte -entgegen seinen selbstgesetzten Zielen - keinen überzeugenden Ausweg aus der Wirtschaftskrise im lande weisen. Der vielumstrittene Vorsitzende der Partei, Jean Widenow, gab zwar sein Amt ab und trat auch als Ministerpräsident zurück. Doch die Erwartungen, daß der Parteitag der ExKommunisten eine neue Politik und ein stärkeres Regierungsteam vorschlagen würden, hlieben unerfüllt.

Bulgarien wird von einer schweren Wirtschaftskrise erschüttert, die der sozilistischen Regierung Widenow angelastet wird. Die Experten sind sich einig, daß der Staat vor dem Bankrott steht. Die Inflation kletterte von Jänner bis Ende 1996 auf 223,6 Prozent, die Kreditzinsen in Höhe von 180 Prozent drohen viele Betriebe endgültig in den Ruin zu treiben. Dazu kommen die Schließung von 14 zahlungsunfähigen Banken und die große Kriminalität im Lande. Die Devisenreserven Bulgariens sind auf eine halbe Milliarde US-Dollar geschrumpft. Ein Produktionsrückgang in der Industrie um zwei Prozent wurde in den ersten neun Monaten von 1996 im Vergleich zum selben Zeitraum von 1995 verzeichnet. Die Landwirtschaft befindet sich in einer katastrophalen Lage. Im Sommer letzten Jahres ist es zu Problemen bei der Versorgung mit Brot und Mehl gekommen. Der Durchschnittslohn liegt bei 14.323 Lewa (etwa 350 Schilling) und die Durchschnittsrente bei 5.712 Lewa (130 Schilling). Die Landeswährung Lew ist seit dem Anfang des Jahres 1996 um das siebenfache gegenüber westlichen Währungen abgewertet.

Als Ausweg aus der Wirtschaftskrise hat der Internationale Währungsfonds (IWF) Bulgarien die Einsetzung eines W ährungsausschus-ses vorgeschlagen, dieser wurde dann von der bulgarischen Regierung im November vergangen Jahres bestätigt. Die Einführung des Währungsausschusses soll das Vertrauen in die drastisch abgewertete Nationalwährung und das krisengeschüttelte Bankwesen wiederherstellen. Die Lew wird dabei an den US-Dollar oder an die D-Mark gebunden.

Am 19. Dezember haben in Sofia mehr als 50.000 Anhänger der antikommunistischen Opposition mit einer Großkundgebung die Bildung einer neuen Begierung und vorgezogene Parlamentswahlen gefordert. „Nur das Volk kann sagen, wer es durch die schwere Prüfung führen wird, die auf Bulgarien zukommt“, sagte Iwan Kostow, Vorsitzender der Union der demokratischen Kräfte (UDF), vor der Menschenmenge. Die Opposition fordere eine nicht-sozialistische Kontrolle über den Währungsausschuß. Auch die Führung der Nationalbank solle zurücktreten. Die Bedner riefen dazu auf, durch Demonstrationen nach dem Vorbild Serbiens einen Wandel in Bulgarien durchzusetzen. An demselben Tag brachten alle antikommunistischen Kräfte eine „Deklaration zur Rettung Bulgariens“ in das Parlamentein. Der Antrag wurde durch die Mehrheit der Sozialisten abgelehnt.

Die Opposition hat schon bei den im November abgehaltenen Präsidentschaftswahlen einen großen Erfolg verbucht. Deren Kandidat Peter Stojanow hatte seinen sozialistischen Konkurrenten mit fast 20-prozentigem Vorsprung geschlagen. Politische Beobachter sehen mit der sich im Aufwind befindenden Opposition und mit der Wahl des 44-jährigen Juristen Stojanow zum Präsidenten gute Chancen für eine tiefgreifende Wirtschaftsreform in Bulgarien - einem der ökonomischen Schlußlichter der ehemaligen Ostblock-Staaten.

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