Zukunft hat wieder Vorrang

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Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung Frankreichs am 29. Mai den Verfassungsentwurf der Europäischen Union ablehnt, passiert zunächst gar nichts. Das Regieren nach dem Vertrag von Nizza würde halt noch mühsamer, und der Rückschlag im "Klima" würde viele Initiativen spürbar dämpfen. Aber bald wäre ein neues Verfassungspaket im Visier. Nationaler Wählerunmut über unliebsame Folgen der Globalisierung (die auch ohne eu über uns gekommen wäre) können das Integrationsprojekt Europa nicht mehr umbringen.

Aber die Politik muss aus solchen Zitterpartien lernen. Es ist unentschuldbar, wie uninformiert man die Bevölkerung auch in Österreich über Inhalte der eu-Verfassung gelassen hat. Der Textentwurf bekennt sich zum "kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas", definiert klar Menschenwürde, Menschen- einschließlich Minderheitenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit von Frauen und Männern, Rechtsstaatlichkeit als verbindliche Werte der Union.

eu-Ziele sind Frieden, Werte und das Wohlergehen aller ihrer Völker. Jedem wird Recht auf Leben, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie auf Bildung zugesichert. Die Marktwirtschaft muss sozial und umweltbewusst gestaltet werden, der Dialog mit Kirchen und Religionsgemeinschaften wird eu-Pflicht. Warum wurde das alles in Österreich versteckt?

Der Nationalrat wenigstens hat es gewusst und mit nur einer freiheitlichen Gegenstimme die eu-Verfassung ratifiziert. Diese Einmütigkeit war noch wichtiger als alle Jubiläumsreden zu 1945 und 1955, so notwendig auch diese als Klarstellung waren. Erinnern ist Bürgerpflicht. "Zukunft hat Herkunft." Aber jetzt gilt es, rasch die Gefahr des Gedenküberdrusses zu bannen und sich wieder der Zukunft Österreichs im zusammenwachsenden Europa zuzuwenden.

Der Autor ist freier Publizist.

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