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Die Sensation der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist verflogen. Die Regierungsbildung aus CDU und FDP mit einer Mehrheit von zwei Mandaten ist für viele weniger überraschend gekommen, als man aus den Kommentaren entnehmen könnte. Die Vorgänge enthüllen aber mehr von der innenpolitischen

Situation der Bundesrepublik, als diese nüchternen Tatsachen vermuten lassen.

Es sind zwei Umstände, die eine eingehende Betrachtung n twendig machen: Einmalig, daß die FDP, obwohl mit einem Mandatgewinn zu den Wahlsiegern gehörend, sich trotzdem mit der schwer geschlagenen CDU zusammentat Zum zweiten, was bisher völlig unbeachtet blieb, daß die 1962 noch mit über drei Prozent vertretenen Splitterparteien diesmal 0,3 Prozent erhielten.

Die erste Frage liegt teilweise in der Landespolitik begründet. Als sich 1956 die FDP mit der SPD zu einer Anti-Adenauer-Koalition gegen die stärkste Partei, die CDU zusammenschloß, waren die Folgen für die FDP verheerend. Sie kam in Nordrhein-Westfalen in Gefahr, unter die 5-Prozent-KlauseJ zu fallen. Insofern ist es verständlich, daß sich der FDP-Landesvorsitzende Weyer vor der Wahl auf eine Koalition mit der CDU festlegte und danach bei dieser Zusage blieb. Bedenklich ist bei dieser Sachlage nur, daß damit die FDP auf dem besten Weg ist, sich als selbständige Kraft auszuschalten. Ist sie nämlich nur eine verlängerte CDU, so wird sie bald für jene Wählergruppe uninteressant, die von der CDU enttäuscht ist, aber die SPD nicht wählen will. In einer CDU-FDP-Koalition wird sieh die FDP immer hart tun, ihre Eigenständigkeit zu wahren. In dieser Position ist sie genau wie die DP und der BHE in Gefahr, von der CDU aufgesogen zu werden.

Der Vorsitzende der FDP Erich Mende scheint das Problematische einer allzu engen Bindung an die CDU, wie aus einem Interview mit der Illustrierten „Stern“ hervorgeht, auch erkannt zu haben. Er meinte, die FDP werde sich künftig vor Wahlen nicht festlegen und sei prinzipiell zu einer Koalition mit der SPD bereit.

Für die SPD zerstörten die Erfahrungen von Düsseldorf einige Illusionen. Selbst ein Stimmenanteil von 47,5 Prozent oder 99 von 200 Mandaten konnte ihr nicht zur Regierung verhelfen. Das heißt, sie würde höchstwahrscheinlich auch als stärkste Partei im Bundestag in der Opposition sein, es sei denn, sie er ringe die absolute Mehrheit Auch dann käme es zu knappen, problematischen Mehrheitsverhältnissen, wie sie jetzt in Düsseldorf in Kauf genommen wurden. Das heißt aber, daß der so heiß ersehnte Besitz der Macht in Bonn für die SPD erst der Anfang neuer Schwierigkeiten wäre. Aus diesem Dilemma könnte nur die in Düsseldorf so demonstrativ geleugnete Koalitionsfähigkeit der SPD herausführen. Der Graben zwischen den bürgerlichen Parteien und der SPD, der in Düsseldorf aufge- risSėn Würde, Veranschaulicht eine sehr ernste Entwicklung. Er geht auf Kosten der Politik und der zur Lösung anstehenden Probleme.

Der Weg nach rechts

Die zweite, anfangs gestellte Frage nach dem Verbleib der Splitterparteien zielt noch eine Schicht tiefer. Bisher galt die Erfahrung, daß die Anhänger von Splitterparteien zum größten Teil zur CDU abwan- derten. Das ist diesmal nur bedingt richtig, weil sicher die Wähler der DFU entweder der Wahl fern geblieben sind oder SPD gewählt haben. Für zirka zwei Prozent Nicht-DFU- Wähler bleibt die Erfahrung aber bestehen. Betrachtet man die Wahlergebnisse seit 1949, so ist eine interessante Verschiebung festzustellen. Die großen Wahlerfolge der CDU gingien prallel mit dem Verschwinden kleinerer Parteien, die fast ausnahmslos rechts von der CDU standen. Mit dieser Entwicklung ging auch eine Veränderung innerhalb der CDU vor sich, die von einer Mittelpartei immer mehr zu einer Rechtspartei wurde. Hatte das Ahlener Programm der CDU noch die Sozialisierung der Grundstoffindustrien gefordert, so würde eine solche Forderung im Mund der SPD heute von der CDU zum Anlaß genommen, von kommunistischen Tendenzen innerhalb der SPD zu sprechen.

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