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Zweck-Glaube und realistisches Mißtrauen

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Friedenswirken oder imperiales Machtstreben? Rußlands Verhalten ist voller Rätsel.

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Friedenswirken oder imperiales Machtstreben? Rußlands Verhalten ist voller Rätsel.

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Außenminister Alois Mock hofft, daß Rußland den von Jelzin, Kosyrew und Tschurkin signalisierten Weg der Zusammenarbeit aller Länder auf der Basis von Gleichheit und vollem Respekt der Souveränität auch weiterhin beschreiten werde. Gegenüber der FuRCHE meinte Mock, daß gewisse Äußerungen aus Rußland über Serbien, aber auch über die GUS-Länder sowie über den Truppenabzug aus den baltischen Staaten „in den Medien den Verdacht haben aufkommen lassen, es gehe um die Wiederherstellung der alten russischen Position mit Errichtung von interessenabhängigen Staaten in den geographischen Vorfeldern Rußlands". Aussagen von Rußlands Außenminister Kosyrew zeigten jedoch, „daß dem nicht so ist", betont Mock.

Der Außenminister verweist darauf, daß durch die verstärkte Präsenz Rußlands auf dem Balkan - „vor allem in der Person von Vizeaußenminister Tschurkin und gelegentlich durch Kosyrew" -seit Beginn des jugoslawischen Verfallsprozesses „ein positiver Beitrag" geleistet wurde. Eine gewisse Beruhigung sei selbst in der Krajina eingetreten, die speziell Tschurkin betreut habe -„auch wenn man noch Jahre entfernt ist von der Erfüllung der Forderungen des Sicherheitsrates nach Ausübung des Souveränitätsrechts Kroatiens auf seinem Staatsgebiet".

Das Wirken Tschurkins habe in Zusammenarbeit mit NATO, EU und den USA Sarajewo zu einer „einigermaßen funktionierenden Sicherheitszone" gemacht, so Mock. Die Weltöffentlichkeit sei beeindruckt, daß trotz aller emotionalen Bindungen Rußlands zu Serbien „die Führung der Serben in Bosnien von Tschurkin und Kosyrew schärfstens kritisiert wurde".

Der Schweizer Sicherheitsexperte Curt Gasteyger sieht momentan eine „objektive Schwierigkeit", eine Lösung in Bosnien-Herzegowina herbeizuführen, die nicht auf Kosten einer der Kriegsparteien ;eht. Bill Clinton habe als 'ragmatiker, der sich von Meinungsumfragen leiten lasse, kein außenpolitisches Konzept. Jelzin stehe unter schwerem innenpolitischen Druck zur Solidarität mit den Serben. Die Kinder von Goražde werden also weiter sterben.

Konzeptiv - so Gasteyger zur FURCHE - gehe es nicht nur um eine Lösung für Bosnien, sondern auch um „die Stellung eines siegesbewußten Serbiens, das es einzudämmen gilt, damit der Konflikt nicht nach Süden oder Südwesten überschwappt".

Das stärkere Balkan-Engagement Rußlands darf nach Gasteyger nur zum Teil auf dem HintCTgrund der alten Ost-West-Problematik gesehen werden. Rußland fürchte natürlich den Einfluß des Westens auf dem Balkan, der beunruhigend sei für eine „auch nur vage definierte russische Sicherheitszone".

Diplomatische Kreise, die nicht zitiert werden wollen, warnen: Niemand wisse genau, was hinter manchen starken Sprüchen aus Moskau gegenüber Baltikum und GUS stehe. Vor allem Frankreich, betrachte die Lage „realistisch": Rußland kaschiere mit den Kooperationsbeteuerungen nur, daß man doch wieder vom großen Reich zu träumen beginne und den Zustand der imperialen Politik wiederherstellen wolle.

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