kenia - © Foto: APA / AFP / Yasuyoshi Chiba

Zwischen Korruption und Entwicklungshilfe: „Sie schicken die Polizei, drohen mit Prügel“

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Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Entwicklung widersprechen sich mitunter, sagt der kenianische Aktivist Edwin Mutemi wa Kiama. Ein Gespräch über Korruption, afrikanischen (Neo-)Sozialismus und die Kinder der Eliten.

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Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Entwicklung widersprechen sich mitunter, sagt der kenianische Aktivist Edwin Mutemi wa Kiama. Ein Gespräch über Korruption, afrikanischen (Neo-)Sozialismus und die Kinder der Eliten.

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Edwin Mutemi wa Kiama ist in Kenia und darüber hinaus so etwas wie das „Gesicht des zivilen Ungehorsams“. Im Zuge eines Wien-Besuches erklärte er der FURCHE, warum es so schwer ist, die Bevölkerung in vielen afrikanischen Ländern für politischen Protest zu aktivieren, und wieso viele Wohlhabende auf dem Kontinent am Status quo festhalten wollen.

DIE FURCHE: Als Menschenrechtsaktivist haben Sie schon mehrmals Bekanntschaft mit dem Polizeigefängnis in Kenia gemacht. Wie oft und wie lange – beziehungsweise was genau war der Anlass?

Edwin Mutemi wa Kiama: Zweimal und jeweils nur zwei Tage. Meine Anwälte haben mich immer schnell herausgeholt. Einmal hatte ich ein Foto des damaligen Präsidenten Uhuru Kenyatta ins Netz gestellt und darunter geschrieben: „Leihen Sie diesem Mann kein Geld.“ Er hatte einen Kredit beim Weltwährungsfonds beantragt. Diese Gelder verschwinden immer schnell in irgendwelchen Taschen und verwandeln sich dann in Staatsschulden, die die Allgemeinheit in Form höherer Steuern zu tragen hat. Das andere Mal hatte ich ein Cover gepostet von einem sehr schmeichelhaften Buch über den Präsidenten. Es hieß „Uhuru Kenyattas Entwicklungsvermächtnis“. Ich fragte: „Welches Vermächtnis?“ Das ging im Netz viral und wurde von anderen Usern modifiziert und als Meme weitergepostet. Mir hat man vorgeworfen, ich habe die Autorenrechte verletzt.

DIE FURCHE: Sie kamen schnell wieder frei. Also funktioniert der Rechtsstaat in Kenia.

Kiama: Wenn man seine Rechte kennt und gute Anwälte hat. Das trifft auf die meisten Menschen nicht zu. Ich kann es mir erlauben, die Regierung zu kritisieren, weil ich die Zivilgesellschaft hinter mir weiß. Persönlich kann ich mir keinen Anwalt leisten, aber als Menschenrechtsaktivist habe ich die nötigen Netzwerke, die mich unterstützen. Das Problem ist, dass solche Prozesse ewig hinausgezögert werden können. Im Durchschnitt dauert so ein Verfahren sieben Jahre. Wenn man das abkürzen will, muss man dem Anwalt Geld geben, mit dem er den Richter schmiert, der dich dann schnell freispricht.

DIE FURCHE: Wie weit darf ziviler Ungehorsam gehen? Bei uns gibt es Debatten, ob es legitim ist, den Verkehr zu blockieren, um auf die Klimakatastrophe hinzuweisen.

Kiama: Das Problem ist, dass ziviler Ungehorsam nur funktioniert, wenn genug mitmachen. Solange die Leute jeden Tag ums Überleben kämpfen, fokussieren sie sich darauf, wie sie täglich das Essen auf den Tisch bekommen. Unsere Politiker sind sehr gut darin, Aktivisten einzuschüchtern. Sie schicken dir die Polizei, drohen dir mit Prügeln. So bringen sie viele zum Schweigen. Es ist also eine Herausforderung.

DIE FURCHE: In Österreich versuchen Politiker, durch die Erregung über die Protestform vom Anliegen des Protests abzulenken. Gibt es das auch in Kenia?

Kiama: Natürlich. Die Politiker sind sehr gut darin, vom eigentlichen Thema abzulenken. Kaum einer will gefragt werden, was er tatsächlich geleistet hat. Am liebsten bringen sie Großprojekte ins Spiel, die viel kosten und entsprechende kickbacks abwerfen. Sie mögen es nicht, wenn man nachfragt, ob diese Straßen, Dämme oder Brücken wirklich zur Entwicklung des Landes beitragen. Manche Projekte werden nur beschlossen, weil sie eine Vergütung von zehn oder 20 Prozent für die Politiker generieren.

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