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Zwischen „Reformern” und K.K.

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„Ich liebe das Wort Reformer nicht”

DR. SKALN1K: Herr Staatssekretär, Sie wurden und werden oft der Öffentlichkeit als Vertreter der sogenannten „Reformer” in der Österreichischen Volkspartei vorgestellt. Würden Sie den Lesern der „Furche” diesen Begriff „Reformer”, wie Sie ihn verstehen, auseinandersetzen?

STAATSSEKRETÄR DR. WITH ALM: Ich habe die Ausdrücke „Reform” und „Reformer” nie gerne gehört und höre sie auch jetzt nicht gern. Was ich mir unter „Reform” vorstelle, ist, daß die Österreichische Volkspartei im Jahre 1963 eine Politik betreibt mit Blickrichtung auf 1970 und nicht meinetwegen auf 1945. Ich möchte betonen, daß ich mir unter „Reform” genau das vorstelle, was sich mein Amtsvorgänger, der jetzige Präsident des Nationalrates, Dr. Maleta, 1951 unter dieser Reform vorgestellt hat, wenn er damals in den Österreichischen Monatsheften geschrieben hat, unter Reform verstehe er ein Sichbesinnen auf die christlichen Grundsätze der Partei, mehr Standfestigkeit gegenüber den Sozialisten sowie eine moderne Gesellschaftspolitik.

DR. SKALNIK: Sie wissen, Herr Staatssekretär, daß gerade damals eine Diskussion in Gang gekommen war darüber, daß in der Österreichischen Volkspartei eine Politik aufgekommen sei, die zu Mißdeutungen Anlaß gegeben hat.

DR. WITHALM: Ich mache keinen Hehl daraus und lasse keinen Zweifel darüber, daß der Ausdruck „Entideolo- gisierung” geprägt und gebraucht wurde. Ich lasse aber auch keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Substanz unserer Partei das Christentum ist und daß wir uns immer und überall als eine christliche Partei bezeichnet haben und bezeichnen und auch nach diesem Grundsatz handeln werden.

DR. SKALNIK: Glauben Sie nicht, daß. in Zukunft die . Öster.Kttbiscfre VolksparJ.ei wieder mel ais weißrote Partei vor ihre Freunde und Wähler treten sollte?

DR. WITHALM: Wenn Sie, Herr Chefredakteur sagen, daß die Österreichische Volkspartei mehr als die rotweißrote Partei auftreten sollte, so darf ich erwidern, warum mehr? Ich glaube doch, daß wir uns immer eindeutig zum Vaterland Österreich bekannt haben und bekennen und daß es Sinn und Zweck unseres Handelns und unserer Politik ist, unserer Weltanschauung, der christlichen Weltanschauung, und unserem Vaterland Österreich zu dienen.

DR. SKALNIK: Ich möchte dazu sagen,’ wenn ich diese Frage gestellt habe, so habe ich mich damit zum Dolmetsch vieler Meinungen auch aus unserem Leserkreis gemacht, daß die Österreichische Volkspartei, deren Bekenntnis der führenden Männer in keiner Weise in Frage gestellt werden soll, bis hinunter in ihre kleinen Teilgliederungen sich von keinem anderen in ihrem Österreichbekenntnis den Rang ablaufen lassen darf.

DR. WITHALM: Da bin ich ganz Ihrer Meinung.

DR. SKALNIK: Eine Frage zur gegebenen Situation: Wie sehen Sie, Herr Staatssekretär, die weitere Entwicklung der Koalition?

DR. WITHALM: Ich habe nie Zweifel darüber gelassen (es wurde leider, besonders nach meiner letzten Parlamentsrede, am 4. Juli, bezweifelt), daß ich ein ehrlicher Anhänger der Zusammenarbeit der beiden großen Parteien bin und erkläre, daß ich auch jetzt, nach wie vor, für diese Zusammenarbeit eintrete, wobei ich aber mit aller Deutlichkeit folgendes hinzufügen möchte: daß nämlich diese Zusammenarbeit in Zukunft anders beschaffen sein muß als bisher. Wenn ich mich ganz primitiv ausdrücken darf: man hat die Koalition der beiden großen Parteien oft mit einer Ehe verglichen. Nun ist es so, daß die Rollen nicht so verteilt sind, wie ,,VqUcsie anläßlich tier Wahlen verteilt hat. as Volle hat, zuletzt am 18. November 1962, seinem Wunsch Ausdruck gegeben, daß die Österreichische Volkspartei in dieser Ehe der Ehemann sei. Noch immer aber ist bei uns in Österreich, gemäß ABGB, der Mann das Haupt der Familie, und in dieser „Ehe” hat die Österreichische Volkspartei nach dem Willen des Volkes das Haupt der Familie zu sein. So stelle ich mir die Zusammenarbeit vor. Wenn beide Parteien diese Verteilung zur Kenntnis nehmen, kann es noch durchaus eine fruchtbare Ehe zwischen den beiden Koalitionspartnern geben.

DR. SKALNIK: Die Österreichische Volkspartei geht in zwei Wochen nach Klagenfurt, um dort ihren Bundesparteitag abzuhalten. Darf ich wissen, wen Sie, Herr Staatssekretär, und Ihre Freunde, die man allgemein „Reformer” nennt, an der Spitze der Österreichischen Volkspartei sehen wollen?

DR. WITHALM: Ich habe erst vor wenigen Tagen erklärt, daß ich der Meinung bin, daß mein Freund Dr. Klaus der bestgeeignete Mann für die Stelle des Bundesparteiobmannes ist. Er bringt nach meiner Auffassung alle Voraussetzungen mit, die notwendig sind, damit der richtige Mann an der Spitze der Partei steht. Ich komme damit auf Ihre frühere Frage zurück: sein eindeutiges Bekenntnis als Tatkatholik, sein ebenso eindeutiges Bekenntnis zum Vaterland Österreich1 sowie seine Aufgeschlossenheit in sozialen Belangen. Ich glaube, daß er alle diese Voraussetzungen mitbringt, die ich für unumgänglich notwendig halte für einen Mann, der diese Position einnehmen soll. — Wenn Sie, Herr Chefredakteur, eingangs von meinen Freunden aus dem „Reformerkreis” gesprochen haben, so möchte ich nochmals sagen: Ich habe nie diesen Ausdruck geliebt, liebe ihn auch jetzt nicht und hoffe sehr, daß nach dem Bundesparteitag in Klagenfurt die Klassifizierung in „Reformer”, „Konformisten”, „Nonkonformisten” usw. aufhören wird und daß die Österreichische Volkspartei das sein wird, was sie sein muß und was das Volk von ihr erwartet, damit Österreich einer gesicherten Zukunft entgegengehen kann. Nur eine auf christlicher Gesinnung ruhende Österreichische Volkspartei ist der Garant für die Zukunft Österreichs.

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