Er gehört zu jenen evangelischen Christen, die den Worten „Ketzer" und „Protestanten" viel Positives abgewinnen können: Peter Karner, seit 1986 Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H.B. in Osterreich. „Es ist eine Lust, ein Ketzer zu sein!" lautet der letzte Satz seines Buches „Bei wem lassen Sie sündigen - und andere religiöse Fragen", das kürzlich im Salzburger Otto-Müller-Verlag neu herausgekommen ist.
Am 14. Mai feiert Peter Karner in seiner geistlichen Heimat, in der Beformierten Pfarre in der Wiener Dorotheergasse, seinen 60. Geburtstag. Der gebürtige Wiener, der in Basel bei Barth und Jaspers studiert und den Magistertitel erworben hat, ist als Gestalter von Fernsehfilmen, durch Auftritte im OBF und Texte für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften über seine evangelische Gemeinde hinaus bekannt geworden. Ein Leisetreter ist dieser kritische Geist sicher auch mit 60 nicht.
Furche-Leser, die alle vierzehn Tage mit Karners Kolumne konfrontiert sind, wissen längst um die geistige Verwandtschaft des wortgewaltigen Pfarrers mit Abraham a Sancta Clara und Johann Nestroy. Allen anderen im „Land der Depressionen und der Mozartkugeln" (Karner über Österreich) ist dringend anzuraten, sich einmal auf die Lektüre seines neuen Buches einzulassen. Karner versteht es immer wieder, auf höchst originelle Art Themen von Tagesaktualität und alte biblische Texte zueinander in Beziehung zu bringen und zu pointierten Analysen und Kommentaren zu mixen. Nicht immer sind seine Positionen jedermanns Sache, aber den Vorwurf, um den heißen Brei herumzureden, kann man ihm nie machen.
Nur eines ist dem Buch anzukreiden - es fehlt jeglicher Hinweis, daß die Mehrheit der darin enthaltenen Texte schon in der furche zu lesen waren.
BEI WEM LASSEN SIE SUNDIGEN? ... UND ANDERE RELIGIÖSE FRAGEN
Von Peter Karner. Otto Müller Verlag, Salzburg-Wien 1997, 135 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, öS 198,-
