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100 Jahre Opernhimmel

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Hundert Jahre Wiener Staatsoper am Ring wollen gefeiert werden, getreu Kaiserin Maria Theresias Motto „Spectacles müssen sein“, das schon immer den Wienern zum „Feste-Feiern, wie sie fallen“ Mut zugesprochen hat. Das jubilierende Haus zeigt, was und wie die Oper ist, was sie zü bieten vermag, wie sie Tradition und Ruf wahrt; das heißt: man wird über fünfzig Werke aus dem iRepertoire sehen. Und die 100. Wiederkehr des Tages der Eröffnung am 25. Mai 1869 feierten die Wiener Philharmoniker unter Leonard Bernstein mit einer Galaaufführung von Beethovens „Missa solemnis“. Indes, was Wiener Oper War, Und zwar in den rund 350 Jahren der Wiener Tradition, speziell aber seit der glanzvollen Eröffnung mit Mozarts „Don Giovanni'', demonstriert die monumentale Jubiläumsschau in den Redoutensälen der Hofburg. Nicht von ungefähr ist die Staatsoper „des Österreichers liebstes und gewiß auch teuerstes Kind geworden“, von ihm verhätschelt, aber auch viel und heftig kritisiert. Und der Wiener lebt sozusagen mit ihr. Was Wunder, daß da ein jeder auch Opernpolitik auf eigene Faust treibt und sozusagen in Opernangelegenheiten seine Meinung sagt, wie man's anderswo in der Politik tut. Oder wie Bernstein dies anläßlich der „Rosenkavalier“-Premiere formulierte: „ ... wie schwer ist es doch, dieses Werk in Wien zu dirigieren, in einer Stadt, in der schon jeder Taxichauffeur seine. Ansichten über Oper hat...“

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Hundert Jahre Wiener Staatsoper am Ring wollen gefeiert werden, getreu Kaiserin Maria Theresias Motto „Spectacles müssen sein“, das schon immer den Wienern zum „Feste-Feiern, wie sie fallen“ Mut zugesprochen hat. Das jubilierende Haus zeigt, was und wie die Oper ist, was sie zü bieten vermag, wie sie Tradition und Ruf wahrt; das heißt: man wird über fünfzig Werke aus dem iRepertoire sehen. Und die 100. Wiederkehr des Tages der Eröffnung am 25. Mai 1869 feierten die Wiener Philharmoniker unter Leonard Bernstein mit einer Galaaufführung von Beethovens „Missa solemnis“. Indes, was Wiener Oper War, Und zwar in den rund 350 Jahren der Wiener Tradition, speziell aber seit der glanzvollen Eröffnung mit Mozarts „Don Giovanni'', demonstriert die monumentale Jubiläumsschau in den Redoutensälen der Hofburg. Nicht von ungefähr ist die Staatsoper „des Österreichers liebstes und gewiß auch teuerstes Kind geworden“, von ihm verhätschelt, aber auch viel und heftig kritisiert. Und der Wiener lebt sozusagen mit ihr. Was Wunder, daß da ein jeder auch Opernpolitik auf eigene Faust treibt und sozusagen in Opernangelegenheiten seine Meinung sagt, wie man's anderswo in der Politik tut. Oder wie Bernstein dies anläßlich der „Rosenkavalier“-Premiere formulierte: „ ... wie schwer ist es doch, dieses Werk in Wien zu dirigieren, in einer Stadt, in der schon jeder Taxichauffeur seine. Ansichten über Oper hat...“

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Alles, was sich die treuen Opernfans nur wünschen, was ihnen irgend etwas bedeuten kann, wurde in den Redoutensälen zur Monsterrevue vereinigt, an der in • den nächsten Monaten bis Ende September die Publikumsprozes-sionen, darunter nicht wenige Ausländer, vorbeiziehen werden. Immerhin, wer um zehn Uhr vormittags zur Entreekasse kommt, muß bereits Schlange stehen, was vorzügliche, noch dazu kostenlose

Eigenreklame bedeutet. Die Veranstalter und Alexander Wite-schnik, die sich kein Dokument, auch nicht dag kleinste, für ihre Schau entgehen ließen, haben viel geleistet, alles herbeigeschafft, was im Zusammenhang mit dem Haus am Ring nur irgendwo aufzutreiben und ' nicht niet- und nagelfest 1 war: Vom eineinhalb Tonnen schweren granitenen Grundstein des Opernhauses, der beim Wiederaufbau nach 1945 entdeckt wurde, bis zünden Architekturentwurf en und Dekorationskartons für Fresfcen und Gesamtausstattung, von Bühnendekorationen, Originalkostümen (etwa von Richard Mayr als Baron Ochs oder Erik. Schmedes oder Slezak), Theaterzetteln und kostbaren Partituren bis zu Rarissima an Dokumenten aus dem Privatleben der Primadonnen und Primi uomini von anno dazumal; ja, sogar vom Modell: des reichornamentierten Eritrees der Kaiserloge (in Originalgröße) bis zur spartanischen, linien- und formschönen Salongarnitur der Sängerin Anna BahrrMiVdenburg, dem sogenannten „Schwarzen Zimmer“, das Josef Hoffmawn von der Wiener Werkstatte entwarf.

Ein Hauch des Sensationellen, von matt gewordener Pracht, von einst liegt über der Schau, die streng historisch-chronologisch alg Leitfaden aufgebaut ist. Im Vestibül der Schlosserstiege orientiert man sich über die Vorgeschichte: Wiener Oper im Barock, angefangen von den ersten Opernaufführungen im Jahre 1925 über Urbono Giorgios „II Sidonio“ (Musik: Lodo-vico Bartolaia) bis 1653, als mit Beralis Verkleidungskomödie „Der Liebesbetrug“ die Oper in Wien heimisch wurde. Giovanni Burnacini erbaute 1652 das erste Wiener Opernhaus, Lodovico Burnacini entwarf die phantastischen Dekorationen zu Cestis Bühnenweihspiel „II pomo d'oro“. Die goldenen Tage der Oper mit Draghi, Bononcini, Caldara, Conti, den Librettisten Minato, Zeno, Metastasio brachen an: Nur einer hat sie noch überflügelt: Johann Joseph Fux, der österreichische Barocbmeister, Starkomponist zweier Monarchen.

Schon der zweite Raum rückt das Haus am Ring ins Zentrum. Man studiert August Siccard von Sic-cardsburgs und Eduard van der Nulls Hofoperntheaterbau im florentinischen Renaissancestil und dann in den folgenden Räumen und Kojen, was Dingelstedt, Herbeck, Jauner, Mahler, Wein-gartner, Gregor, Strauss und Schalk, Krauß, Kerber für das Haus geleistet haben, bis hin zu Karl Böhm, Herbert von Karajan, Egon Hilbert und Hof rat Reif-Gintl. Sonderräume sind der Zerstörung des Hauses und seinem Wiederaufbau, Ballett, Chor, Orchester, den Werkstätten, dem Opernball dediziert. Und in einem Tonstudio kann man auf Wunsch von schönen Stimmen und noch schöneren Weisen berieselt werden: Perfekter Dienst am Kunden, der, offensichtlich Werbung, zugleich auch ein wenig der gewiß nicht geringen Ausstellungsspesen abdecken half.

Eine gewisse Liebe zur Monumentalität, zur Repräsentationsschau, ja zum Gigantischen spielt in der gut gegliederten, wenngleich wegen der ungeheuren Materialfülle kaum recht überschaubaren Kollektion eine entscheidene Rolle: 2000 Objekte, statt ursprünglich 1000 vorgesehener, füllen die 29 in die Festsäle geschickt eingebauten Räume, die jeweils bestimmten Themenkreisen oder Direktionsären gewidmet sind. Man muß sich Stunden Zeit nehmen, um einen Eindruck zu gewinnen, was hier tatsächlich alles aufgeboten wurde. Und der Versicherung der Organisatoren, daß kein Liebhaber wahrscheinlich jemals wieder Gelegenheit haben wird, diese Schätze, durchwegs kostbare Bestände öffentlieber und privater Sammlungen des Inlands, in einer Schau vereinigt zu sehen, glaubt man gern. Um so mehr, als verschiedene Objekte, zum Beispiel die Auf-führungsverträge der Hofoper mit Richard Wagner oder etliche der Kartons Moritz von Schwinds, hier überhaupt zum erstenmal ausgestellt sind.

Innerhalb der großen Schau gibt's da und dort immer wieder noch Miniexpositionen am Rande. Quasi zur Rehabilitierung. Zum Beispiel für die einst berühmte, heute fast vergessene Bühnen-biildnerfamilie Brioschi, die fast eine Jahrhundert lang die Dekorationsmaler der Hofoper stellte: Durch Metternich wurde Giuseppe Brioschi (1802 bis 1858) im Jahre 1835 nach Wien berufen, noch vor seinem Tod, im Jahre 1854, folgte ihm sein Sohn Carlo Giovanni Aristide (1826 bis 1895) bis 1885; dessen Sohn Antonio (1855 bis 1920) trat dann an seine Stelle. Carlo, gewiß der Genialste der Dynastie, hatte wesentlichen Anteil an der völligen Erneuerung der Dekorationen in der neuen Hofoper, die aus einem inneren und äußeren Grund notwendig wurde. „Ein neuer künstlerischer Aufbruch, der sogenannte Ma-kart-StiL erfüllte auch das theatralische Dekorationswesen mit einem von Dingelstedt stark geförderten neuen, prachtliebenden Geist. Dann aber paßten die Dekorationen der alten Hofoper nicht auf die Bühne der neuen, so daß auch für die Werke, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts zum eisernen Bestand des Repertoires gehörten, alle Dekorationen neu gemalt werden mußten. Obwohl neben Carlo Brioschi eine Reihe von Dekorationsmalern mit diesen Aufgaben betraut waren, wollten die Klagen, daß der Aufbau des Spielplanes aus dem alten Repertoire viel zu langsam vonstatten gehe, nicht verstummen.“ Carlo hat jedenfalls fast alle berühmten Wagner-Aufführungen, ja überhaupt die meisten Galapremienen ausgestattet. Besonders spannend ist übrigens der kurze Einblick, der in den Betrieb der Werkstätten gewährt wird, dorthin, wo für den Zuschauer alle Illusion in mühevoller Kleinarbeit „zusammen-gebastelt“ wird. Das Publikum darf von all diesen Problemen nichts merken, gleichgültig, ob es sich um ein zierliches Strauchwerk oder bis zu 17.000 kg schwere bewegliche Bühnenausstattungen handelt. Dekorative Gestaltung hat das Theater nötig, seit es besteht. Und die Bühnentechnik ist so alt wie das Spiel auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Die Bühnentechnik ist dabei immer nur Helferin zur Gestaltung der „unwirklichen Welt“. Das macht der vorletzte Raum dieser teilweise sehr fesselnden Schau deutlich.

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