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800 Jahre Kurntner Kunst

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Kürzlich jährte sich zum 30. Male der Tag, da durch Fürstbischof Doktor Hefter das Diözesanmuseum in Klagenfurt gegründet wurde. Mit der Oberleitung des Museums wurde der inzwischen verstorbene Prälat Doktor Quitt betraut, zum Kustos wurde der damalige Hofkaplan Professor Dr. Otto Rainer ernannt; seinen unermüdlichen Bemühungen, die zur Zeit durch Fürstbischof Dr. Köst-n e r und Generalvikar DDr. Kadras verständnisvolle Förderung finden, ist auch die bevorstehende Wiedereröffnung der Sammlung zu danken.

Eine kleine, aber erlesene Sammlung des Gurker Domkapitulars, Matthäus Größer, ivar der Anfang- Ein Autruf an die Pfarramter auf dem lande sollte weiteres Material zum Aufbau de* neuge?ründeten Museums bilden. Da der Aufruf nicht den erhofften Erfolg hatte, zog Professor Dr. Rainer kurz entschlossen auf unzähligen, vielfach recht beschwerlichen Wanderfahrten in die Täler und auf die Berge Kärntens hinaus und hielt überall selbst prüfende Nachschau. So gelang es ihm, im Laufe der Jahre die erstaunlich reichhaltige, in die vielen Hunderte gehende und auch mit einer beträchtlichen Anzahl künstlerisch hochwertiger Werke versehene Sammlung zustande zu bringen, die heute fünf große Säle der Klagenfurter fürstbischöflichen Residenz füllt. Das Klagenfurter Diözesanmuseum ist neben dem der Wiener Erzdiözese das bedeutendste in Österreich, ja es übertrifft das letztere sogar, was die Mannigfaltigkeit und die Zahl der ausgestellten Objekte betrifft. Auch die geschmackvolle Aufstellung der Gegenstände sowie die Reinigung und Zurechtrichtung der oft arg vernachlässigten Kunstaltertumer hat Professor Dr. Rainer selbst besorgt und die oft nötige Restaurierung durch Fachkräfte immer sorgsam überwacht.

Wer die Kärntner kirchliche Kunst und materielle Kultur vom Mittelalter über die Barockzeit bis in das 19. Jahrhundert herauf kennenlernen und studieren will, der kann an dieser von Jahr zu Jahr wachsenden Stätte nicht vorübergehen. Hier wird In vorzüglichen, oft erlesenen guten Beispielen ein anschauliches Bild der Entwicklung der religiösen Malerei, Bildnerei und des in allen Techniken arbeitenden kirchlichen Kunsthandwerks von der Romanik des 12. bis zur Romantik des 19. Jahrhunderts geboten. Hier kann man die einzelnen Einflüsse feststellen, die auf die Kärntner Kunst im Laufe der Jahrhunderte von den Nachbarländern oder von weiterher jemals einwirkten, aber auch die spezielle Eigenart und stamm- wie landschaftsbedingte Besonderheit und Eigenwüdisigkeit der Kärntner Kunst eindrucksvoll kennenlernen. Denn es gibt schlechthin keine Gruppe, keinen Zweig der kirchlichen Kunst Kärntens, der hier nicht vertreten wäre, angefangen von einfachen schmiedeeisernen Leuchtern oder primitiven Versehlaternen bis zu üppigen barocken Messinglustern und zu minutiös ausgeführten gotischen oder barocken Kelchen und strahlenden Monstranzen aus Gold; von klobigen Opferstöcken aus ringbeschlagenen Baumklötzen oder von hölzernen Osterratschen über gotische, mit Flachschnitzereien kunstvoll versehene Betbänke zu preziös eingelegten barocken Schränken; von derben bäuerlichen Votivfiguren zu reizvollen gotischen oder barocken Statuen; und von bescheidenen dörfischen Marterlbildern zu reichen spätgotischen Flügelaltären oder zu rauschend bewegten barocken Altargemälden. Alles ist hier vertreten: handgeschmiedete gotische und barocke Schlüssel und Gitter, Glocken und Leiichter, kostbare Reliquiare und Ziborien; einfadie Altartücher mit bunten Kreuzstichmustern aus Wolle, farbenprächtige gotische Samtkasein mit figürlichen Hochstickereien und pompöse barocke Golddamastpara-mente der Prälaten und Bischöfe; rührend bescheidene, handgeschriebene Gebetbücheln des Landvolkes und herrliche kirdiliche Handschriften mit Miniaturen auf Pergament oder frühe, in Venedig, Augsburg oder Wien gedruckte Meßbücher mit Holzschnitten und in gepreßten Ledereinbänden; liebliche bäuerliche Hinterglasmalereien und hochwertige gotische Tafelbilder und leuchtende gotische Glasgemälde.

Aus der Zeit der Romanik stammen unter anderen das berühmte schöne Glasgemälde mit der Darstellung der hl. Magdalena aus Weitensfeld im Gurktal, die älteste figürliche Scheibe Österreichs, um 1170 entstanden; der kostbare Tragaltar aus Gurk mit silbervergoldeten, ornamental und figür-lidi geschmückten Einfassungen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts; metallene Korpusfiguren von Vortragskreuzen um 1200 und aus dem frühen 13. Jahrhundert aus Klagenfurt, Laas und Otting; ein kugelförmiges Rauchfaß aus St. Daniel und Eisenleuchter des 12. und' 13. Jahrhunderts aus Viktring und Rottmannsdorf; ein Missale aus dem späteren 13. Jahrhundert, aber nodi romanisch in der Grundhaltung. Wertvolle Stücke aus der Zeit der Gotik sind unter anderem die reizvollen Reliquienkreuze des

15. Jahrhunderts aus' Gunzenberg, St. Kiementen, St. Martin- am Krappfeld, St. Peter i. K., Gräbern und Schwabegg; die schönen spätgotischen Kelche und Ziborien aus Arnoldstein, ' Guttaring, St. Sebastian, Lud-mannsdorf und Döbriach; ein Pektorale um 1500 aus Pisweg; ein Rauchfaß aus Bal-dramsdorf; die einzigartigen spätgotischen Kasein des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, fast einundeinhalb Dutzend, die meisten reich figürlich und ornamental bestickt; zwei Betstühle aus Srejach mit typischer Flachschnitzerei, je dreisitzig, 1525 datiert; wunderbare Glasgemälde des 14., 15. und

16. Jahrhunderts, besonders hervorragend die Scheiben aus Geijach (1495), Ebriach (erste Hälfte, des 15. Jahrhundert) und Rechberg (um 1400); die hochinteressanten Fastentüdier mit den vielen gemalten Bildern aus Maria-Bichl und ^teuerberg, beide aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts (Fastentücher bilden eine Besonderheit der Kärntner Kunst; mit ihnen werden in der Fastenzeit die Altäre verhängt, so noch alljährlich mit dem von Meister Konrad von Friesach 1458 gemalten,- 80 Quadratmeter großen und mit 99 Bildern aus dem Alten und dem Neuen Testament versehenen Fastentuch auch der große Hochaltar im Gurker Dom); das kleine Tafelgemälde der Kreuzigung aus Flattnitz, frühes 15. Jahrhundert; der berühmte Flügelaltar aus Rangersdorf, durchwegs, auch die Mitteltafel, gemalt und 1425 datiert, die sehSnen

Flügelaltäre aus St. Wolfgang am Fratres aus dem späten 15. und aus Tschahitsch aus dem frühen 16. Jahrhundert (Kärnten besitzt noch von allen Ländern deutscher Zunge die relativ meisten gotischen Glasgemälde, die meisten, nämlich 54 noch vollständig erhaltene gotische Flügelaltäre und auch die meisten romanischen und gotischen Karner); endlich eine große Anzahl bemerkenswerter gotischer Schnitzstatuen aus dem 14., 15. und frühen 16. Jahrhundert. — Auch aus der Zeit des Barocks birgt das Klagenfurter Diözesanmuseum viele hochwertige Objekte: seltene Leder-kasehi aus dem 17., Lederantependien und Lederpolster aus dem 18. Jahrhundert, alle reich ornamentiert, zum Teil vergoldet, ferner kostbare Samt- und Damastmeßgewänder, Monstranzen, Reliquiare, Ziborien, Kelche, Kreuze, Leuchter, Luster und Zinngeschirre des 17. und 18. Jahrhunderts; Ebenholz-, Nußholz- und Elfenbeinkästchen des 17. Jahrhunderts; eine große Anzahl von Statuen und Reliefs, meist noch in der alten, sdiönen Fassung, und viele kleine und große Gemälde sowie prächtig ausgestattete Bücher und-Atlanten.

Weldie Mühe und Sorgfalt hat es 1944 gekostet, die Objekte aus dem immer häufigeren Luftangriffen ausgesetzten Klagenfurt zu verlagern! In der unmittelbaren Nähe der Privatwohnung des Direktors des Diö-zesanmuseums schlug schon im Jänner 1944 eine schwere Bombe ein und richtete Verheerungen an- In den letzten Monaten des unseligen Krieges traf eine Bombe auch das fürstbischöfliche Palais und verursachte, wenn es audi zum Glück nur ein Blindgänger war, großen Schaden. Den noblen, zweigeschossigen, in Hufeisenform angelegten Bau hat bekanntlich der aus Wiener Neustadt gebürtige Hofarchitekt der Kaiserin Maria Theresia, Nikolaus Paccassi, für die Tochter der Kaiserin, Erzherzogin, Marianne, die nebenan bei den Elisabethinnen den Schleier nahm, 1769 bis 1771 in anspruchslosen klassizistischen Formen trbaut.

Nun sind die Krfegssdiäden behoben, die Räume sorgsam gereinigt, ebenso die hier verbliebenen Möbel und Vitrinen wieder instandgesetzt, und Professor Dr. Rainer ist schon wieder emsig an der Arbeit zur Neuaufstellung des Museums. Da das Klagenfurter Landesmuseum durch mehrere Volltreffer besonders schwer besdiädigt wurde und wohl noch lange nidit eröffnet werden kann, wird man die für den Herbst geplante Wiedereröffnung des fürstbischöf-Diözesanniuseums um so dankbarer begrüßen.

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