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Achillesfersen in Afrika

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1963 wurde das kleine Inselreich Sansibar (einschließlich der Insel Pemiba 370.000 Einwohner auf einer Fläche von 2643 Quadratkilometern) unabhängig. Nach einem blutigen Staatsstreich — über 10.000 Araber, die damals die Eilande unter ihrer Kontrolle hatten, wurden ermordet

— wandelte sich Sansibar am 18. Jänner 1964 in eine Volksrepublik um. Scheich Abeid Amani Kamme, ein Bantufürst, wurde Führer der sozial-revolutionären „Afro-Shirazi Party“ (Sansibar-Einheitspartei) und zugleich Präsident des Staates. Er verbot die beiden von den Arabern beherrschten (faschistischen) Parteien und vereinigte sein Land wenige Monate später mit Tangan-jika zu einer — wie es scheint

— dauerhaften Föderation. Sansibar, einst von den Engländern gegen Helgoland von den Deutschen eingetauscht, beschritt in den letzten fünf Jahren trotz dieser engen Bindung mit Dar Es Salam eigene Wege. Kontaktgesprächen mit den Russen folgte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Volksrepublik Ohina. Heute ist Sansibar Mao Tse-tungs einziger Stützpunkt in Afrika. Seit Jahren kauft Rotchina Gewürznelken, Fische und Kopra von Sansibar, seit über drei Jahren überfluten chinesische Techniker und Agrarfachieute das Land. Seit 1965 dürfen nur die Weißen die auf Sansibar leben, ausreisen. Und das hat inen besonderen Grund: Chinesische Wissenschaftler errichten auf der Gewürzinsel Raketenbasen. Die Abschußvorrichtungen sind bereits installiert, nur die Raketen fehlen noch. Tansania kämpft zwar im Augenblick bei den Vereinten Natio-

nen um die Aufnahme von Rotchina in die UNO, glaubt aber anderseits, sich immense Schwierigkeiten einzu-handeln, wenn es der Stationierung von Raketen auf Sansibar zustimmen würde. Beobachter glauben, daß es vielleicht nur noch wenige Monate dauern wird, bis Dar Es Salam dem Drängen von Mao und Karume nachgeben wird. Die Bevölkerung von Sansibar — vornehmlich die Inder, Pakistani und Araber — begrüßen die abwartende Haltung der Regierung in Dar Es Salam, denn seit dem Bau der Raketenbasen — mit Hilfe der noch ausstehenden Raketen will Rotchina nicht nur weite Teile Afrikas, sondern auch Arabien und den Süden Indiens unter Kontrolle bekommen — fällt der Fremden-

verkhr weitgehend flach. Fremde, die auf dem Flughafen von Sansibar landen, dürfen meist nur bis zum Flughafenbüfett und müssen dann wieder umkehren — besonders dann, wenn es sich nicht um leicht kontrollierbare Gruppenreisende handelt. Der Schiffsverkehr mit Sansibar wurde stark reduziert, und verschiedene Etablissements, darunter zahlreiche exotische Nachtlokale, die vornehmlich Touristen und Seeleute anzogen, wurden 1964 und 1965 geschlossen. Die meisten Geschäftsleute von Sansibar bestreiten heute ihren Unterhalt durch ihre Filialen in den anderen ostafrikanischen Staaten.

Vor zwei Wochen strandete im Hafen Kilindi bei Momfoasa (Kenya) ein

rotchinesisches Schiff, dessen Ladung für Sansibar bestimmt war. Die Gestrandeten wie auch das gestrandete Gut wurden von den Behörden in Kenya ängstlich gehütet — waru/n wohl?

Unruhiger Sudan

Seit drei Monaten beherrscht General El Nimeri, ein mohammedanischer Araber, den Sudan. Das Land am Nil, das 30mal so groß ist wie Österreich, wird seit dem Abzug der englischen Besateungstruppen In den fün&iger Jahren vom Chaos beherrscht Die Gegensätze zwischen den mohammedanischen Arabern und Nubiern im Norden und den vorwiegend christlichen Negern scheinen unüberwandbar. Bis 1965 war davon die Rede, den Süden des Riesenstaates vom übrigen Sudan abzutrennen und zu einem selbständigen Staat zu machen. Sogar ein Name für die angestrebte Republik war bereits kreiert. Empfehlungen der Vereinten Nationen und des U. K. wurden jedoch nicht ernst genommen.

Bereits 1956 verließen die ersten Bewohner des südlichen Sudan ihr Land. Nach dem Massaker von Jufoa, wo nach einem angeblichen Aufstand

des Südens arabische Militärs Zehntausende, darunter zahlreiche Christen, ermordeten, nahm die Zahl der Flüchtlinge zu. Nathan W. Pittla Mono, der in Nairobi lebende Führer der aus dem Sudan vertriebenen Christen, gibt die Zahl der außer Landes lebenden Sudanesen mit 1,1 Millionen ,an.

Inzwischen mußten zahlreiche Missionsstationen schließen, mehrere Geistliehe wie auch ihre Schüler wurden vor Gericht gestellt und abgeurteilt oder einfach erschossen. Die Heimatvertriebenen setzten nun alle Hoffnung auf El Nimeri. Gleich nach der Übernahme der Macht erließ er über Radio Omdurman (Sudan) an alle Heimatvertriebenen den Appell, sie möchten doch zurückkehren. Er versprach ihnen Generalamnestie usw. Viele glaubten den Worten des neuen Machthabers und kehrten heim. Die Ruhe dauerte nur einige Wochen. Am 11. Juli nahmen die Neger- und Christenverfolgungen erneut ihren Anfang, denn' der neue Innenminister des Sudan, Major Farouk Osman Harrmd Atla, erklärte an diesem Tag im Rahmen einer Pressekonferenz, daß in der vorhergehenden Nacht ein Komplott gegen die Regierung aufgedeckt und als Initiatoren die Vorsitzenden der „Organisation für freie Neger“ — vornehmlich von aus dem Sudan stammenden Studenten getragen — verantwortlich zu machen seien. Das Stichwort „Neger“ fiel, und sofort reagierten sich Araber und Nutoier an diesen Staatsbürgern „zweiter Klasse“ ab. Die Zahl der Ausschreitungen, der Toten und Verletzten, der niedergebrannten Häuser wird wohl nie von der Regierung bekanntgegeben werden. Die Regierung scheint jedoch Angst vor der Rückkehr der vertriebenen Negerintelligenz des Sudan zu haben, denn bis auf die Zähne bewaffnete Nubler halten nun nicht nur auf den Flugplätzen und an der Grenze Wache — sie dringen vielmehr In von schwarzen Sudanesen bewohnten Gebieten von Uganda ein und statuieren dort wie in den kleinen Städten im Süden des Sudan Jäktempel

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