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Ägyptomanie — Im Banne der Pharaonen

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Die Faszination ägyptischer Kunst und Kultur für das Abendland steht im Wiener Künstlerhaus ab 16. Oktober im Mittelpunkt einer großartigen Schau.

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Die Faszination ägyptischer Kunst und Kultur für das Abendland steht im Wiener Künstlerhaus ab 16. Oktober im Mittelpunkt einer großartigen Schau.

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Die unterschiedlichen Bezeichnungen „Agyp- tomanie“, „Egyptian Revival“, „Nil-Stil“, „Pharaonismus“ aus verschiedenen Zeiten und Ländern meinen nur eines: die Kopierung und Adaptierung altägyptischer Kunst und Architektur.

Jetzt wird der Ägyptomanie wohl jeder erliegen, der die mit allen Schikanen von Hans Hoffer inszenierte gleichnamige Sonderausstellung des Kunsthistorischen Museums im Wiener Künstlerhaus besucht. Sie zeigt, entsprechend dem mehrzeiligen Untertitel „Die Sehnsucht Europas nach dem Land der Pharaonen - Zur Begegnung von Orient und Okzident am Beispiel des alten Ägypten“, sowohl ägyptische Originale als auch ägyptisierende Skulpturen und Malereien, Möbel und Objekte der angewandten Kunst sowie Zeichnungen, Modelle und Requisiten zu ägyptisierenden Bühnenproduktionen.

Fasziniert vom Land am Nil und seinem Mythos waren schon früher Reisende aus Griechenland, mehr allerdings noch die Römer — und nicht bloß Caesar oder Antonius ob ihrer Liaison mit der genialen Politikerin Kleopatra, der letzten Ptolemäerin auf dem Pharaonenthron.

Sie verschleppten zu Dekorationszwecken Obelisken und Sphinge, Reliefs und Skulpturen von Göttern und Königen nach Rom. Götterstatuen wie die des Osiris und seiner Schwester-Gemahlin Isis landeten jedoch - original und noch häufiger in lokal hergestellten Nachbildungen - primär aus religiösen Gründen allenthalben im Imperium Roma- num.

Schließlich hatte sich der Kult von dem mit Hilfe von Isis wieder vom Tod auferstandenen Osiris durch Truppenverschiebungen bis in die entlegenste Provinz verbreitet.

Der größte Ägypten-Fan war wahrscheinlich Kaiser Hadrian (117- 138). Er unternahm zusammen mit seinem jugendlichen Geliebten Anti- nous zwei Reisen in das seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. von den Römern regierte Land. Der Selbstmord des Jünglings löste einerseits über Befehl Hadrians die Gründung der Stadt Antinopolis, anderseits in Rom die Errichtung eines an ihn erinnernden Obelisken aus.

Außerdem schmückten Bildwerke wie der jetzt im Besitz des New Yorker Brooklyn Museums befindliche und im Künstlerhaus ausgestellte Kopf einer Königin oder Prinzessin aus der Zeit um 1920 v. Chr. Hadrians Villa in Tivoli. Dazu gesellten sich dann noch etliche ägyptisierende Statuen des Antinous.

AUFWIND DURCH NAPOLEON

Daß sie ohne Rücksicht auf pharao- nische Konventionen produziert worden sind, bezeugt, wie dürftig bereits damals das wirkliche Wissen um das schon rund dreitausend Jahre alte Land war. Dessen ungeachtet bildeten die ägyptischen Originale und Kopien auf den Plätzen und in den Villen Roms den Ausgangspunkt für die anhaltende ägyptisierende Bewegung.

Man denke allein an die in mancherlei Gestalt dargestellte Sphinx in den Renaissance- und Barockgärten oder auch an die sich aus Mißverständnissen rekrutierenden Ideale der Freimaurer und das pseudoägyptische Milieu in Mozarts „Zauberflöte“.

Aufwind bekam die Ägyptomanie durch historische Ereignisse. Napoleons Ägypten-Expedition von 1798 gehört ebenso dazu wie die Entzifferung der Hieroglyphen, die Eröffnung des Suezkanals und die Entdeckung von Tut-ench-Amuns Grab.

Napoleons militärisch mißratener Überfall auf das Nilland bewirkte aber mehr als den Siegeszug der Ägyptomanie. Er war die Ouvertüre zur archäologischen Erforschung des im Wüstensand versunkenen Reiches. An Bord der französischen Flotte hatten sich nämlich nicht nur Kanonen und innerhalb des Heeres ein einfacher Soldat befunden, der bei Rosette einen verwitterten Stein aus Basalt finden sollte: den Dreisprachenstein, der es Jean-Franeois Champillion ermöglichte, die Hieroglyphen zu entziffern.

Auch Vivant Dominique Denon war als einer von 150 Zivilisten dabei. Er zeichnete von Gizeh bis Assuan alles, was ihm vor Augen kam. Wieder in Paris wurde er Direktor aller Museen und veröffentlichte die 24 Bände umfassende „Description de l’Egypte“.

Auf Denons Illustrationen basiert das vielleicht eigenartigste Exponat der Ausstellung: der vom Moskauer Keramikmuseum entliehene Tafelaufsatz aus Biskuitporzellan, ein Geschenk Napoleons an Zar Alexander I. Das in Sevres verfertigte Service zeigt Tempelanlagen aus der ägyptischen Spätzeit, unter anderem den Tempel von Dendera, der auch als Anregung für die ebenfalls im Künstlerhaus präsentierte „Den- dera“-Uhr diente.

Typisch für ein von den Künstlern des 19. Jahrhunderts gern aufgegriffenes Thema ist das in seiner Interpretation einzig auf die Erotik reduzierte Bild vom „Tod der Kleopatra“ von Jean-Andre Rixens.

Eindrucksvoll sind die Bühnenentwürfe von Karl Friedrich Schinkel für eine Aufführung von Mozarts „Zauberflöte“ in Berlin. Hingewiesen sei auch noch auf das ägyptische Kabinett von Kaiserin Ludovica, der dritten Gemahlin von Kaiser Franz I. (FURCHE 33/94).

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