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Alpengärten und ihre Pracht

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Ein seltsam versonnener Naturphilosoph, der evangelische Pfarrer DDr. Friedrich Seile, hat im Jahre 1913 den Grund zu dem Schutzpark für die Alpenpflanzen auf dem Ischlkogel gelegt, diese bergtreuen Geschöpfe, die „durch ihre wunderbare Anpassung an die strengsten Anforderungen einer feindlichen Außenwelt unser teilnehmendes Mitgefühl erregen“. Von 1932 bis 1956 betreute den amphitheatralisch aufsteigenden Felsengarten der Alpengärtner Johann Wolf, ein gebürtiger Burgenländer, der drei Jahre lang im berühmten Genfer Alpengarten, der an die zehntausend Sorten zählt, beste berufliche Kenntnisse erworben hat; doch genügen diese allein nicht. Ebenso wichtig ist es, die einheimische Alpenflora und ihre Verbreitung zu kennen und mit den Klima- und Bodenverhältnissen unserer Alpen vertraut zu sein. Es gibt gewisse Urgesteinpflanzen, die auf Kalk nur schwer oder gar nicht gedeihen, und umgekehrt; es gibt noch immer eine ganze Reihe von Höhenpflanzen, die nur auf ihren freien Bergen frohes Leben zeigen, im Tale aber sich nur mühsam und langsam ziehen lassen. Sie hängen treu an ihren Bergen, lieben das scheinbar Bessere nicht, wollen nicht verwöhnt sein und bekunden damit ein starkes Wollen, das ja auch dem Bergvolk eigen ist. Was für Geheimnisse bergen doch diese offenherzigen Geschöpfe! Wie seltsam, daß die lichte Paradieslilie, die in ihrer Wachstumszone, zwischen 1000 und 1500 Meter, jeden schroffen Wechsel von Hitze und Kälte. Regen und Trockenheit erträgt, den Tag nicht überlebt, wenn man sie ein paar hundert Meter tiefer bringt. Sucht sie Wind und Stürme? Begehrt sie Rauhigkeit?

Pächter des Ausseer Alpengartens ist nun nicht mehr Johann Wolf, der fast ein Vierteljahrhundert lang in nimmermüder Arbeit und mit unendlich viel Liebe, Verständnis und Feingefühl durch Einpflanzungen die vorhandene Artenzahl des botanischen Alpengartens um rund viertausend vermehrt hat. Was das bedeutet, läßt sich erst ermessen, wenn man weiß, daß solche Einpflanzungen keinesfalls auch gedeihen müssen. Erst im Laufe der Jahre hat der Alpengärtner die notwendige Erfahrung gesammelt. In eigenen Anzuchtbeeten, der sogenannten „Kinderschule“, zieht er Jahr für Jahr Jungpflanzen aus eigener Samenernte oder aus der Samenernte ausländischer Gärten auf. Man macht sich keine Vorstellung davon, wieviel Geduld und Beharrlichkeit dieses „Verschulen“ erfordert, da manchmal erst nach Jahren Ersatzpflanzen herangezogen werden können.

Wichtig für jeden Alpengarten ist eine rieselnde Bodenfeuchtigkeit, die in entsprechender Form gegeben werden muß. Kühle hat man durch künstliche Bebrausung zu erzielen. Dem Ausseer Alpengarten aber fehlt die erforderliche Wasserleitung. Das Geld hierfür konnte das Land Steiermark nicht aufbringen. Der Alpengärtner Johann Wolf übersiedelte also mit seinen seltenen Alpenpflanzen nach Oberösterreich. Am Seegestade in Traun-kirchen begann er vor fünf Jahren von neuem, das Werk des Alpenblumenfreundes weiland Dr. Friedrich Seile fortzusetzen.

Da steht (teils im „Alpinum“ von Aussee, teils im neuen Alpengarten von Traunkirchen), im „hochgerafften Spitzenröckchen“, die Berganemone, daneben der streifige Almrausch, auch Steinrösel genannt, das weiße Fingerkraut und der graue Alpendost, Eis-glöckchen, Edclraute und Gletschermannschild, Steinbrech und Zwerghahnenfuß. Bergmohn und Meister-wurz. Auch der leuchtende Alpenkönig oder Himmelsherold fehlt nicht, dieses entzückende und eigenwillige Kleinod der Bergblumen, das nur noch auf wenigen Gipfeln lebt. Und die Bergblume der höchsten Höhe? Es ist der Gletscherhahnenfuß, der über alle hinaussteigt und am Finsteraarhorn i noch in 4200 Meter Höhe gefunden wird.

Besonders stolz ist der Alpengärtner auch auf einige Exemplare des kleinsten Baumes der Welt, der sogenannten Zwergweide, die einschließlich des Wurzelstockes nur eine Höhe von fünf Zentimetern erreicht. Dem gegenüber steht, wachsend aus Stein und Erz, eine Zucht von herrlichen Riesen-edelweißpflanzen (ursprünglich eine Steppenpflanze des Himalaja), deren schönste Stücke mehr als dreißig Zacken und einen Durchmesser bis zu acht Zentimeter aufweisen. An Rhododendron- und Daphnearten, die im Bergvolksmund als Rosen bezeichnet werden, sind rund 150 verschiedene Sorten zu sehen, ziegelbraun bis rosenrot. Auch fremde Höhenpflanzen, die in regem Austauschverkehr mit fast allen Kontinenten herbeigeholt wurden, fehlen nicht, so der blaue Alpenmohn aus Tibet und der schwefelgelbe aus den Pyrenäen, ferner tibetische Enziansorten, großglockig und himmelblau, Chinesischer Enzian, büschelständig und blaßblau, dann der Chinesische Alpenapfel, die kleine, rasenbildende Schwertlilie, die goldgelbe Flockenblume aus Kleinasien, das Tibetveilchen und der ziegelrote Fünffaden, dessen Heimat Mexiko ist. So lernt der aufmerksame Besucher die Namen der einzelnen Pflanzen kennen, die sowohl deutsch als auch lateinisch auf kleinen Täfelchen stehen.

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