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Altagyptische und ostasiatische Kunst

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KUNST DER PHARAONEN. Von Boris de Rachewiltz. Artemi-Verlag, Zürich und Stuttgart. 224 Seiten, 102 Abbildungen im Kunstdruck und 10 Farbtafeln.

Der bedeutende italienische Ägyptologe Prinz Boris de Rachewiltz versteht e9, die ungeheure Fülle des Stoffes — gilt es doch die sehr bedeutenden und sehr zahlreichen Kunstwerke aus drei vorchristlichen Jahrtausenden zu erfassen — nach klaren Gesichtspunkten zu ordnen. Er gibt nicht einfach einen chronologischen Überblick über die altägyptische Kumt, sondern gliedert sie nach „dem Ablauf der Ideen“, was es ihm ermöglicht, gelegentlich spätere Elemente mit den früherer Epochen zu konfrontieren. Die Frage, die ich Boris de Rachewiltz zu Anfang vorlegt, lautet: „Durch welches einzigartige Wunder ericheinen schon in der ersten Dynastie die Normen, die für weitere drei Jahrtausende klassisch bleiben werden? Worauf geht das Fehlen einer — im modernen Sinne — fundamentalen Entwicklung der ägyptischen Kunst zurück? Woher jener exotische und hieratische Geschmack, der sie charakterisiert.

so daß sie uns zu einem anderen geistigen Verhalten und zu einem anderen ästhetischen Maßstab zwingt, alt wir beispielsweise an den Apoll von Belvedere anlegen?“

De Rachewiltz findet die Antwort auf diese Frage in der religiösen Uberzeugung der alten Ägypter: die wichtigste Frage ihres Lebens war die Unsterblichkeit. Die Unsterblichkeit war ihnen etwas, das es in diesem Leben zu erwerben galt — durch den Gedanken an den Tod, durch den Bau und die Ausschmückung der Grabkammer, für die Schmuck immer Anwesenheit des Kosmos bedeutete. „Unsterblich werden hieß ... das eigene Ich in den ewigen Schöpfungskreil einzufügen“, war etwas Aktives; die Hervorbringungen der Kunst der Pharaonen sind also im wesentlichen auf die Unsterblichkeit gerichtet — aber nicht auf die Unsterblichkeit ihrer Schöpfer, sondern die Unsterblichkeit der Auftraggeber. Dieser gleichl5ielbiende','Suin''Srrer großen ägyptischen Kunst ecklärt^ch^den so einheitlich wirkenden Charakter der plastischen Künste durch 30 Dynastien, von etwa 3200 v. Chr. bis zur Eroberung durch Alexander den Großen, 333 v. Chr., und zwar sowohl hinsichtlich der königlichen wie der privaten Ikonographie.

Hier kann nicht auf die Vielfalt der Perspektiven eingegangen werden, die Jedes einzelne Kapitel eröffnet. Boris de Rachewilt2, der mehrere Expeditionen nach Ägypten leitete und derzeit im Auftrag der UNESCO im Gebiet von Assuan weilt, vereint profunde Sachkenntnis mit überlegener Darstellungsgabe. Er hat einen Blick sowohl für das Detail wie für die großen Linien. Obwohl das Buch weit mehr als hundert Kunstwerke — zum Teil in Farben — in Bild und Text vorstellt, geht es de Rachewiltz nicht um Vollständigkeit des Materials, sondern um eine Deutung altägyptischen Denkens und Welterlebens, wie es in unvergänglichen Kunstwerken Ausdruck gefunden hat — ein Höhepunkt menschlicher Geschichte und menschlichen Geistes. — Die Ausstattung des handlichen Bandes ist vorzüglich.

EINFÜHRUNG IN DIE KUNST OSTASIENS.

34 Interpretationen von Dietrich S e c k e 1. Sammlung Piper im Verlag R. Piper Sc Co., München. 428 Seiten mit 32 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text. Preis 12.80 DM.

Noch konsequenter und offensichtlicher geht Dietrich Seckel denselben Weg wie Boris de Rachewiltz: nicht eine unübersehbare Zahl von Kunstwerken vor uns, chronologisch geordnet, auszubreiten, sondern vor dem einzelnen Kunstwerk zu verweilen und von ihm hinzuführen zu einem allgemeinen Verständnis ostasiatischen Wesens. Das einzelne Kunstwerk ist da wie ein Fenster oder eine geöffnete Tür: es offenbart uns ein Stück der Seele ihrer Schöpfer. Seckel hat die einzelnen Kunstgegenstände, denen er jeweils einen meisterlichen kleinen Essay widmet, in sechs Themenkreise gegliedert: Kosmos, Buddha-Welt, Mensch, Tier und Pflanze, Dinge sowie Landschaft, All, Nichts. Ob er zwei chinesische Spiegel oder die Maske eines japanischen No-Spielers bespricht, das Schriftzeichen HSIAO des Kaisers Hsüan-tsung aus der T'ang-Dynastie oder ein Wassergefäß für die Teezeremonie, immer lehrt er uns neben den künstlerischen Qualitäten auch den Geist verstehen, der sie hervorbrachte. Es ist ein Geist, für den das Wort des großen Seami, der viel über das Wesen der Kunst nachdachte, ganz allgemein Geltung hat: „Das Herz spielt Zehn, der Körper Sieben“, womit er für das No-Spiel die Regel formulierte, daß der Schauspieler nur andeuten, suggerieren solle, was er empfinde. Die ostasiatische Kunst liebt die Andeutung, den Hinweis, das Aussparen; sie liebt den weißen Fleck im Bild, sie liebt es, das letzte Wort nicht zu sagen: so wird der Beschauer ins Kunstwerk mit hineingezogen, lebt mit ihm und arbeitet in Gedanken an ihm weiter. — Jedes interpretierte Kunstwerk wird auch im Bild gezeigt.

CHINESISCHE KUNST. Ein kleiner Führer von Mario P r o d a n. „Kleine kulturgeschichtliche Reihe“ im Otto-Walter-Verlag, Ölten und Freiburg im Breisgau. 284 Seiten, davon 52 Bildseiten und vier Farbtafeln. Preis 15.30 sfr.

Dieses Buch stellt eine leicht lesbar geschriebene Einführung in die chinesische Kunst dar; es ist vielleicht günstig, sie vor dem Buch von Dietrich Seckel, das mehr In die Tiefe geht, zu lesen. Wie de Rachewiltz ordnet sein Landsmann Mario Prodan den Stoff erst in zweiter Linie chronologisch und zuerst nach einem sachgerechten Gesichtspunkt; was sich für die Kunst der Pharaonen als tragfähiges Ordnungsprinzip erwies — der „Ablauf der Ideen“ —, wird hier durch eine Zusammenfassung nach den einzelnen Materialien und Techniken ersetzt: so erfahren wir der Reihe nach etwas (nach einer Einleitung über Ursprung und Geschichte des chinesischen Volkes) über die Bronzen, über Ton und Porzellan, die Skulptur, Malerei, über die Arbeiten in Elfenbein, Jade, Lack, Seide, Silber und Kleinodien. Prodan versteht es, den Text mit vielen konkreten Detail aufzulockern, wie der Anekdote von einem der Kaiser der Sung-Epoche, der die Illustrierung der dertt:?.9(4 fcomiiO, nA Nsta (.1(jWJcLfeeJ)re heim vom Kitt durch Blumenfelder

Und meines Rosses Hufe duften süfl-und dann das Bild eines Pferdes prämiierte, um dessen Hufe zwei Schmetterlinge flattern. Die Chinesen waren Meister in der zarten Umsetzung literarischer Motive ins Bild; Wort und Bild sind bei ihnen wie nirgend durch den Zauber ihrer Zeichenschrift verbunden, in der jeder Text wie ein Gedicht aussieht. *

RELIGIONEN DES OSTENS. Weisheit und Glauben alter Kulturvölker. Von Matthias V e r e n o. „Kleine kulturgeschichtliche Reihe“ im Otto-Walter-Verlag, Ölten und Freiburg im Breisgau. 132 Seiten und 12 Tafeln. Preis 9.80 sfr.

Da Kunst und Religion sowohl im alten Ägypten wie in den ostasiatischen Kulturen eng zusammenhingen, ist es gut, bei der Beschäftigung mit Kunstwerken aus diesen Bereichen auch immer die religiösen Zeugnisse im Auge zu behalten; auf sie näher einzugehen, bietet dieser kleine Führer von Matthias Vereno — nach Volkshochschulvorträgen entstanden — erste Anregung und Hinweise. Nach einer Einleitung über die Bedeutung der Religionswissenschaft in unserer Zeit werden im Sturmschritt Ägypten und der alte Orient durchmessen, dann folgt ein Abriß von Geschichte und Geist des Islam; unter dem Titel „Selbstmeisterung und Weltüberwindung“ werden die Indischen Religionen dargestellt, mit „Harmonie in Güte und Schönheit“ die Kulturen Ostasiens zusammengefaßt. Eine so gedrängte Übersicht — der Band ist nur 130 Seiten stark — muß notwendigerweise flüchtig sein; um so mehr bleibt anzuerkennen, daß Vereno Zeit findet, möglichst viele Textstellen zu zitieren. Obwohl er seinen eigenen christlichen Standpunkt nie verleugnet, versucht er immer objektiv zu bleiben und die Religionen — im Sinne des Wortes von den Samenkörnern der Wahrheit — von innen her zu begreifen.

Wieland Schmied

GEIST UND KULTUR IN WATTENS, Wattenberg

und Vögelsberg, beachtet vornehmlich an ihren seit 1549 verbürgten Volksbräuchen. Aus: „Wattner-Buch*, Sehlem-Schrift 165. S. 327 bis 3389, mit sieben Bildern (Tafel 28 bis 31). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1959.

GESCHICHTE DER PAPIERFABRIK IN WATTENS. Quellenstudie über die Entfaltung der Papiererzeugnisse in Tirol. Von Anton D ö r r e r. Ebenda, S. 503 bis 518, mit Textabbildungen und sieben Bildern (Tafel 40 bis 43).

Der gelehrte Verfasser versucht an Hand eines weithin verstreuten Quellenmaterials am Musterbeispiel Wattens die interessante Frage zu beantworten, inwieweit die Geschichte der Volkskultur auch die innere ihres Ortes zu erhellen vermag. Dabei gelangt der scharfsinnige Beobachter Tiroler Volkslebens in unserer jubiläumshungrigen Zeit, in der Kulturdaten zu Festanlässen unbekümmert um den indes eingetretenen Gesellschafts- und Geschmackswandel ausgeschrotet werden, trotz Auflösungserscheinungen des bisherigen Volkslebens zu dem erfreulichen Ausblick, daß Wattens in seiner rühmlichen Volkskulturentfaltung einen ermunternden Ansporn zu neuen Harmonien der Gesellschaft und damit auch zum Geistigen und Seelischen, das erst jede Maschine des Alltags und der Automation zu meistern vermag, besitzt.

In der zweiten Arbeit gibt uns der Verfasser einen Einblick in die Papiererzeugung Tirols, insbesondere zeigt er am Beispiel der Papiermühle in Wattens, die der Schwazer Berggerichtsschreiber Ludwig Läßl im Vorfeld des wichtigsten Bergbauortes Schwaz am 25. luli 1559 aufrichten ließ, die wechselvolle Geschichte diese Industriezweiges auf. Heute beschäftigt die Wattener Papierfabrik gegen 300 Arbeiter und Angestellte und Stellt die edelsten Papiere in Österreich — lahreserzeugung 1800 Tonnen — her. Die Papierindustrie Tirols, vor allem die Fabrik in Wattenl, entwickelte sich über die lokale Bedeutung hinaus zu einer Industrie, deren Erzeugnisse auf allen Weltmärkten Fuß gefaßt haben, besonders wegen der Spezialerzeugnisse, d1 auf der ganzen Welt nur in lehr wenigen Betrieben hergestellt werden können. Dr. P. Benno Roth, Abtei Sechau

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