Das heurige Jahr brachte im September die vierhundertste Wiederkehr des Todes von Pieter Brueghel dem Älteren, im Oktober die dreihundertste des Todes von Rembrandt Harmensz van Rijn. In ihren Heimatländern, in der ganzen Welt wurden beide Meister, die zu den größten der Malerei zu zählen sind, durch Ausstellungen ihrer Werke geehrt, wurde ihrer gedacht. Auch Wien schließt sich nun durch zwei hervorragende Ausstellungen an, die in der vergangenen Woche feierlich eröffnet wurden.
Im Falle Brueghels sieht sich Wien in der glücklichen Lage, im Kunst- historischen Museum die größte Sammlung seiner Werke auf der ganzen Welt zu besitzen, Kostbarkeiten ersten Ranges, die zu seinen bedeutendsten Arbeiten gehören. Ihr Wert und ihre Einmaligkeit ist so groß, daß sie den Gefahren eines Transportes nicht ausgesetzt werden konnten, als sich Brüssel heuer anschickte, das Todesjahr des flämischen Malers, der in seinen Mauern starb, zu ehren. Da dies auch für alle anderen in der ganzen Welt verstreuten Brueghel-Bilder gilt und das Brüsseler Musėe des Beaux-Arts selbst nur vier Originale besitzt, entschloß man sich in seiner Heimat, sein gesamtes Werk in einer großangelegten photographischen Dokumentation zusammenaufassen, die es in originalgroßen Schwarzweißtafeln präsentiert, in Infrarot- und Röntgenaufnahmen die künstlerische Genese aufdeckt und in zahlreichen, riesig vergrößerten — auch farbigen Detailaufnahmen in die Welt, den Kosmos dieses einzigartigen Künstlers einführt.
Sie berichtet gleichzeitig auch an Hand von drei Beispielen über die Probleme der Restaurierung von Brueghels Bildern, dem technologischen Fortschritt dabei und den überraschenden Ergebnissen. Rembrandt wird von der Graphischen Sammlung Albertina durch eine exquisite Ausstellung der als gesichert geltenden Bestandes von 61 Handzeichnungen geehrt, die durch drei vom Meister korrigierte Schülerzeichnungen ergänzt werden. Auch hier eröffnet sich eine künstlerische Welt von seltener Gewalt, in der stärker als bei Brueghel der Akzent auf dem Humanen, menschlich tiefer Frömmigkeit liegt. Die Zeichnungen umspannen fast die ganze Entwicklung, sie reichen von einer Studie um 1632/33 — also der Zeit der „Anatomie des Dr. Tulp“ bis zu einer späten, dem letzten gezeichneten Selbstbildnis , um 1660, einem fast nur briefmarkengroßen Blatt von magischer Eindringlichkeit. Die Zahl der kapitalen Blätter, darunter auch besonders schöne Landschaften, die manchmal gleichsam aus dem Nichts, aus wenigen Andeutungen, Strichen und Tonwerten in voller Räumlichkeit und Atmosphäre entstehen, ist groß.
Allen gemeinsam, die sich immer mehr entwickelnde und festigende plastische Gestaltung, die unerhörte Sicherheit der räumlichen Empfindung, die auch in den gewissermaßen nur „stenographierten“, hingeschriebenen Skizzen sichtbar wird und schließlich mit einem Minimum an Mitteln ein Maximum an Ausdruckskraft, an Leben und Suggestion erreicht, absolute Höhepunkte der Zeicibenkunst gestaltet. Einer der wesentlichsten Blicke in die Schatzkammer der Albertina, der durch einen ausgezeichneten Katalog ergänzt wird.
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