Alte Meister treffen auf moderne Kunst

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"Frei assoziiert wirkt die Gegenüberstellung von Steve McQueens verstorbenem Pferd mit einem Blumenbild von Jan Brueghel dem Älteren -gewählt, weil 'es nicht so offensichtlich ist', so der Kurator."

Zwei Uhren hängen neben Lombardos "Jungem Paar", Maria Lassnigs "Iris stehend" neben Rubens "Pelzchen", neben Rembrandts Selbstporträt prangt ein düsteres Gemälde Mark Rothkos. Für die Ausstellung "The Shape of Time" hat das Kunsthistorische Museum sein Allerheiligstes, die Gemäldegalerie, mit modernen und zeitgenössischen Werken infiltriert. Werke von Manet bis zu Kerry James Marschall hängen verteilt auf 18 verschiedene Säle neben den altbekannten Meistern.

Dabei hatte Kurator Jasper Sharp unterschiedliche Herangehensweisen: "Manchmal geht es um historische Beziehungen, manchmal um spielerische, aber wir haben uns auch intuitive Begegnungen erlaubt", sagt er. "Es geht darum, Trittsteine zu bieten auf dem kunstgeschichtlichen Weg -über den Punkt hinaus, an dem unsere Sammlung endet." Dabei soll auf Kontinuitäten verwiesen und die Rezeption der Gemäldegalerie-Werke verändert oder zumindest hinterfragt werden.

Eine historisch begründete Paarung ist Tizians "Nymphe und Schäfer" und Turners "Stürmische See", deren gemeinsame Präsentation durch das große Interesse Turners an Tizian legitimiert wird. Ähnlich ist die Assoziation von Cézannes Werk mit einer römischen Skulptur, angelehnt an die Tatsache, dass Cézanne seine Werke nicht vor lebenden Modellen, sondern vor Skulpturen anfertigte. Dieser Hommage steht eine aggressive Herangehensweise der Performancekünstlerin Eleanor Antin gegenüber. Ihr Zugang zum idealen Schönheitsbild eines Aphrodite-Torsos war es, 36 Tage nichts zu essen und Fotos davon zu machen, also förmlich ihren eigenen Körper zur Skulptur zu machen.

Auf Konfrontation aus

Auf Konfrontation aus, aber dennoch thematisch bedingt ist jener Ansatz, den Kerry James Marschall für sein Auftragswerk wählte. Er suchte sich Tintorettos "Susanna im Bade" als Pendant aus und schuf eine farbige Schöne beim Ankleiden. Anstatt der zwei alten Männer, die Susanna beobachten, werden wir selbst zum Betrachter. "Marschall hat sich zum Ziel gesetzt, Institutionen wie uns oder den Louvre mit schwarzen Figuren zu durchsetzen. Wir haben in all unseren Bildern 36 Farbige, eine Hälfte Diener mit Silberplatten, die andere Hälfte in Darstellungen der Heiligen Drei Könige. Marschall möchte gerne eine Bombe positionieren und uns zeigen, was uns fehlt", sagt Sharp.

Bewusst herausfordern wollte man auch mit der Paarung Rembrandt-Rothko. "Viele Leute waren komplett schockiert, andere sehr positiv gestimmt. Uns ging es um mutige, aber respektvolle Auseinandersetzungen -und um die künstlerische Technik, denn Rothko war fasziniert von dem inneren Licht." Zudem wolle man auf die Rothko-Einzelausstellung 2019 hinweisen. Lucian Freuds Bildnis der eigenen Patchwork-Familie hängt als "unheilige" neben Bronzinos "Heiliger Familie". Franz Wests Stahlmöbel beziehen sich überhaupt auf eine sehr frühe Infiltration der Gemäldegalerie von 1989. Gonzales-Torres' Uhren rekurrieren neben der ewigen Liebe auch auf seine derzeitige Installation im Theseus-Tempel.

Besonders ins Auge sticht die Dominanz von Maria Lassnig im "Pelzchen"-Saal. "Normalerweise ist das 'Pelzchen' die Chefin im Raum, aber durch die Präsenz Lassnigs wird sie immer kleiner -das ist ein Kampf", so Sharp. Lassnig habe sich einerseits von Rubens inspirieren lassen, andererseits haben das "Pelzchen" und "Iris stehend" fast die gleiche Höhe. Sharp ging es auch darum, österreichische Künstler, die im Kunsthistorischen Museum Inspiration suchten, in die Ausstellung aufzunehmen. So auch Birgit Jürgenssen: Neben ihrem Lieblingsbild von Correggios "Jupiter und Io" hängt eine frühe Fotoarbeit, die ebenfalls Ovid als Quelle hatte.

Freier assoziiert wirkt die Gegenüberstellung von Steve McQueens ("Hunger","12 years as a slave") verstorbenem Pferd mit einem Blumenbild von Jan Brueghel dem Älteren. "Genau, weil es nicht so offensichtlich ist, habe ich diese Paarung gewählt", sagt Sharp. "Ich finde die gemeinsame Sprache in zwei verschiedenen Formen von Momento-mori-Bildern weit interessanter als zwei Mal das Gleiche." In der Folge erstreckt sich die Bandbreite bis hin zu Peter Doig, dessen Verbindung mit dem von ihm gewählten Brueghel rein atmsphärisch ist. Klar ist, dass die Ausstellung eine ist, die den Besucher, der sich auf die Suche nach den Paarungen und deren Legitimation macht, herausfordert.

The Shape of Time bis 8. Juli Kunsthistorisches Museum, Wien, Di-So, 10-18 Uhr, Do-21 Uhr ab Juni auch Mo 10-18 Uhr www.khm.at

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