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Am Lido regierten die Probleme

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Eigentlich waren ja im August dieses Jahres schon 25 Jahre vergangen, seit sich die Filmgewaltigen dieser Erde zum erstenmal in der Stadt der Lagunen einfanden, um dort alljährlich einen friedlichen Wettstreit um die weltbesten Filme zu organisieren. Nur machten die kriegerischen Ereignisse zwischen 1939 und 1945 gewaltsam eine Zäsur in dieses Unterfangen, so daß wir heute in der offiziellen Zählung erst bei der Ziffer XVIII halten. So manche technische Neuheit und Erfindung auch auf dem Sektor „Film” ist uns in diesem Vierteljahrhundert präsentiert worden. Und gerade die letzte Zeit war da mit technischen Spezialitäten zur angeblichen Entwicklung des Filmschaffens besonders reich gesegnet. Von der Breitwand über Cinemascope bis zum Cinerama und ihren diversen Abarten sollten die in der Wiedergabe recht kostspieligen Formatänderungen dazu dienen, um im Zusammenwirken mit einer immer mehr differenzierten Farbigkeit das Interesse der Massen am Film zu heben. Es hatte den Anschein, als ob nicht mehr die Handlung nebst der regielichen Deutung und darstellerischen Durchführung die Entstehung eines Filmes bestimmten, sondern der virtuos in den Vordergrund gedrängte technische Aufputz.

Mit dem Irrglauben vom Primat der materiell bedingten Vervollkommnung des Filmes haben nun gerade die Darbietungen auf der XVIII. Internationalen Filmkunstausstellung, wie die wörtliche Ueber- setzung von „Mostra Internazionale d’Arte Cine- matografica” lautet, gründlich aufgeräumt. Denn hier am Lido wurde die erste Hälfte der für vierzehn Tage angesetzten Film-Biennale ausschließlich von Schwarzweißfilmen beherrscht, jener Gattung, die voreilige Auguren schon beinahe totgesagt hatten. Ueberdies wurden die in der angeblich veralteten Schwarzweißmanier hergestellten Filme noch zumeist in Normalformat dargeboten. Nur zwei waren auf Breitwand und einer auf Cinemascopeformat gedreht. Und in Gesprächen mit Regisseuren, wie Ladislaus Vajda, Alberto Lattuada, Gustav Machaty, Nicholas Ray und anderen Experten erhärtete sich die Meinung, daß gerade die Schwarzweißtechnik das einzige

Medium ist, in dem sich ein menschliches Problem mit wahrhaft packender Intensität künstlerisch wiedergeben läßt.

Venedig aber bot im Palazzo del Cinema fast überwiegend Problemfilme, die von den bestialischen Grausamkeiten im Kampf mit der Mau-Mau-Bewegung über die reißerisch verbrämten Wüstenkämpfe eines Curd Jürgens bis zu dem lyrisch angehauchten Neorealismus italienischer Provenienz reichten. Wir können zwar nicht behaupten, daß nun alle hier in Konkurrenz gezeigten 14 Filme aus 10 Nationen, die eine besondere Auswahlkommission zur Teilnahme für wert erachtet hatte, als Spitzenleistungen und künstlerische Offenbarungen — das gilt vor allem für den mexikanischen Film „Die Wilden” und den jugoslawischen Streifen „Nur ein Mann” — anzusehen waren; aber in all diesen Vorführungen, mochten sie einen zuweilen auch in Handlung, Regie oder Darstellung längst nicht befriedigen, dokumentierte sich das Bemühen und Streben nach einem Niveau, bei dem der Ton wieder auf Film k u n s t- ausstellung zu liegen kommt.

Diese Absicht der neuen Aegide unter dem so agil-freundlichen Direktor Doktor Floris Luigi Ammannati offenbarte sich auch in einer ausgezeichneten Retrospektive, die neben den Werken des unvergeßlichen japanischen Regisseurs Kenji Mizoguchi interessante Beiträge aus Englands filmischer Vergangenheit brachte sowie einer reich dotierten Införmationsschau aus dem jüngsten Schaffen der verschiedensten Filmländer. Oesterreich gab wenigstens in dieser Abteilung außer Konkur; renz mit zwei kurzen Dokumentarfilmen „Die Zukunft, wir haben sie schon besessen” von Eduard von Hammer und „Spanische Reitschule” von Karl Stanzl ein Lebenszeichen von sich.

Die bewegten Tage am Adriastrand haben jedenfalls gezeigt, daß dort dem filmischen Werk, mag es auch umstritten sein, mehr Bedeutung zugemessen werden soll als dem Massenaufgebot klangvoller Starnamen und Kassenmagnete von Weltruf.

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