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Amerikas moderne Sammlungen

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Wurden die Werke moderner deutscher Malerei in Amerika mit einigem Erstaunen aufgenommen, so erstaunten die emigrierten Künstler nicht weniger über das hohe Niveau, das amerikanische Sammlungen bereits aufzuweisen hatten, allen voran das Museum of modern Art in New York, und mit welchem Eifer und Verständnis die Probleme der modernen Kunst dort seit Jahren erörtert wurden. Die in diesem Museum untergebrachte „Collektion of Non-objek-tive Paintings“, in der Wassily Kandinsky die Hauptrolle spielt, hat viele der Kunstemigranten angezogen. Nacheinander trafen sie in Amerika ein: zuerst George Groß, dann der in Deutschland zur Reife gelangte Ungar Moholy Nagy, Lyonel Feininger, zwar in New York geboren, aber die meiste Zeit in Deutschland lebend, Kurt Scelig-mann, Max Ernst, der Begründer des deutschen Surrealismus; ferner das Malerpaar Rudolf und Annot Jakobi, die sich im Jahre 1933 bei der entscheidenden Sitzung der Berliner Sezession gegen die „Gleichschaltung“ mutig zur Wehr setzten und die

Unterwerfung unter das Nazi-Programm ablehnten. (Diese Haltung wirbelte damals um so mehr Staub auf, als Annot Jakobi eine Großnichte Adolf von Menzels ist). Der langjährige Präsident der Berliner Sezession, Eugen Spiro, folgte ihnen, ebenso Julius Schülein und Charlotte Corinth, die Witwe des Meisters. Aus München kamen Viktor Tischler und Joseph Scharl, aus Frankfurt Eric Isenburger, aus Düsseldorf Arthur Kaufmann, aus Karlsruhe der glänzende Graphiker Gustav Wolf. Der Anschluß Österreichs trieb auch viele seiner Künstler aus ihrer Heimat. „Mopp“ (Max Oppenheimer), der Wiener Male- und Radierer, Binder, der international bekannte österreichische Gebrauchsgraphiker und eine Anzahl seiner Schüler, Thöny, der Präsident der Grazer Sezession, dessen Bilder in Amerika höchste Anerkennung finden, Hugo Steiner aus Prag, der Meister der Buchkunst, trafen in Amerika ein.

Die Emigration der Architektur

Neben den Malern stellen die Architekten ein H a u p t k o n t i n g e n t der europäischen Kunstauswanderung. Auch sie wurden mit offenen Armen aufgenommen und ihnen die bedeutendsten Lehrkanzeln der amerikanischen Hochschulen zur Verfügung gestellt. Es ist interessant, die gegenseitige Befruchtung zu beobachten, die die hervorragendsten Köpfe, inbesondere der deutschen Emigraten und der schon lang aus der konventionellen Tradition heraustretenden amerikanischen Architektur aufeinander ausüben. Unter den europäischen Ländern war neben Holland, der Schweiz, Frankreich und Skandinavien die moderne deutsche Architektur vor 1933 an die Spitze der Entwicklung getreten. Die zahlreidien Versuche auf dem Wege zu einem neuen universeilen Stil, die der Verwirklichung der absoluten Form in der Architektur dienten, hatten in Deutschland eine international anerkannte Höhe

erreicht. Ihre Vertreter wurden nach der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus entfernt und verspottet. Es war begreiflich, daß sie sich mit den amerikanischen Architekten begegnen mußten. Denn beiden • war das Bestreben eigen, die technische Form in kristallinischer Klarheit und Reinheit zu entwickeln. Die tedinischen Bauten, die in den letzten Jahren in Amerika entstanden, die großen Industrieanlagen, das „R o c k e f e 11 e r-C enter“, die gigantischen Brückenbauten legen ein beredtes Zeugnis hievon ab. Die großartige Organisation der amerikanischen Bauwirtschaft und die Entwicklung ganz neuer Konstruktionsverfahren mußten die begabten Architekten der Emigration zu noch größeren Leistungen als in der Heimat befähigen. (Um viele dieser Konstruktionsverfahren hat sich das nazistische Deutschland bemüht, ohne zu erlernen, wie etwa das „Seilspinnverfahren“ der großen amerikanischen Hängebrücken, ein System, das dem Architekten erst ermöglicht, der Hängebrücke die ihr adäquate Form zu verleihen.)

Trotz der freundlichen Aufnahme der Architekten, folgte ihr anfangs nur eine zögernde Auftragserteilung. Besonders im Wohnungswesen kann sidi der Amerikaner nur schwer von dem ihm lieb gewordenen „colonial-style“ trennen; es muß aber festgestellt werden, daß es hievon eine sehr sinnvolle Weiterentwicklung ins Moderne

giüt nnd auch der historisierende Wohnungsstil mit viel Geschmack gehandhabt wird. Es ist sicher einigem Einfluß der emigrierten europäischen Architekten zuzuschreiben, wenn sich in den amerikanischen Großstädten jetzt immer mehr bei Geschäften, Restaurants, Wohnungen die moderne Architektur durchsetzt und hiebei viel Kultur entwickelt wird. Aber das entscheidende Moment liegt auf den großen Leistungen des Nutzbaues. Der durchgeistigte Ausdruck, der ihm schon in Deutschland von seinem feinnervigsten Vertreter der modernen Architektur verliehen wurde, Mies van der Rohe, kehrt bei vielen ' amerikanischen Bauten wieder. Von seiner Lehrkanzel an der Universität von Chicago strömt ein starker Impuls in die junge Architektengeneration Amerikas. Gleichzeitig mit ihm kam Walter G r o p i u s über den Ozean, der verdienstvolle Leiter des Bauhauses in Dessau, der in Deutschland besonderen Anfeindungen ausgesetzt war; er erhielt sofort nach seinem Eintreffen in den USA eine Berufung an die Harvard Universität in Boston, an der er erfolgreich wirkt. Marcel Breuer arbeitet in Lincoln bei Boston, Ludwig Hilbersheimer hat sich in Chicago mit Mies van der Rohe verbunden. Mit ihnen sind zahlreiche jüngere Kräfte nach Amerika gekommen. Die dritte von den führenden deutschen Architektcnpersönlichkeiten, die gegenwärtig in Amerika tätig ist, ist Erich Mendelsohn. Er hatte zunächst, nach 1933, in England mit großem Erfolg gebaut, ließ sich aber dann ebenfalls in Amerika nieder. Von den bekannten österreidii-schen Architekten ging Clemens Holzmeister in die Emigration, zuerst in die Türkei, um sich dann nadi Südamerika zu wenden, wo er gegenwärtig die Kathedrale in Rio de Janeiro baut, die eine der größten Kirchen * der Welt werden soll.

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