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AUS dem Wiener Kunstleben

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Wenn man die Kraft der österreichischen Kunst an der Zahl der Ausstellungen messen wollte, dann müßten wir uns in einer Hochblüte künstlerischen Schaffens befinden. In Wirklichkeit ist aber diese Hochflut von Ausstellungen nur dem Bedürfnis entsprungen, das dje meisten Künstler empfinden, nach erzwungener langer Pause wieder vor die Öffentlichkeit treten zu können. Im allgemeinen ist es betrübend, festzustellen, daß die gewaltigen Ereignisse der letzten Jahre nur geringen Widerhall gefunden haben, daß man in den meisten Fällen nur Bildern begegnet, die ebensogut auch vor zehn oder fünfzehn Jahren hätten gemalt werden können.

Um so erfreulicher ist es, wenn man eine starke Künstlerpersönlichkeit trifft, in deren Schaffen das Erlebnis der letzten Jahre zu bezwingendem Ausdruck gelangt Sepp Jahn, der in seinem Atelier (III., Stammgasse 12) kürzlich eine überaus sehenswerte Bilderschau eröffnet hat, kommt von der Graphik her, hat sich aber seit etwa 1940 der Malerei zugewendet, in der er Großes zu leisten berufen erscheint. Der in Krems geborene, nunmehr 39jährige Künstler kann auf einen vielbewegten, fast abenteuerlichen Lebenslauf zurückblicken Nach Beendigung der Wiener „Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt“ arbeitete er als Zuckerbäckerlehrling, Adressenschreiber und Reklamezeichner, bis er, durch den Kampf ums Dasein gezwungen, 1926 in das österreichische Bundesheer eintrat. Während dieser militärischen Tätigkeit schmückte er die Kasernenwände mit großen Fresken, war Vermessungsgehilfe des Militärgeographischen Instituts, erfolgreicher Sportler, Skilehrer und Bergführer und zuletzt Hörer der Architektur an der Wiener Technik. Nach seinem Abschied vom Militärleben besuchte er die Meisterschule Prof. Jettmars an der Wiener Kunstakademie und errang als richtiger Arbeitsstudent den

Großen Rompreis. Mit diesem Preis in der Tasche unternahm er abenteuerliche Reisen durch Bulgarien und die Türkei bis weit nach Kleinasien hinein.

Mit reicher künstlerischer Ausbeute verließ er den Orient und begab sich nach Norwegen sowie nach den baltischen Staaten. Nach seiner Rückkehr mußte er sich einer lebensgefährlichen Operation unterziehen und schritt nach seiner Genesung zum ersten Male an eine große figurale Komposition. Diese neue Schaffensperiode erfuhr durch den zweiten Weltkrieg eine neuerliche Unterbrediung. Als Soldat und Kriegsmaler kam er nach Rußland, auf den Balkan, nach Italien, Frankreich, Belgien und Holland und sah auf allen seinen Schicksalsstraßen das Geschehen hauptsächlich mit den Augen des Malers. Leider gingen viele seiner in dieser Zeit entstandenen Arbeiten durch Bombenangriffe zugrunde.

Als Jahn im Sommer 1945 in seine Heimat zurückkehrte, machte er sich zäh und ausdauernd ans Werk, kein Maler, der Konjunkturrücksichten opfert, sondern ein Künstler, der seiner inneren Stimme folgr und das in großen, ja monumentalen symbolischen Gemälden festhält, was aus tiefem Erleben hervorwächst.

In seiner Atelierschau kann man seinen künstlerischen Werdegang verfolgen. Seine graphischen Arbeiten, von denen auch die „Albertina“ eine Anzahl besitzt, zeigen ihn als technisch ausgezeichneten, überaus feinfühligen Künstler, der nicht nur mit minutiöser Genauigkeit alle Einzelheiten eines zerschossenen Flugzeuges festhält, sondern auch als Porträtgraphiker, als Landschafter oder Kompositions-zeichner das Wesentliche seiner Motive erfaßt and wirkungsvoll zu gestalten und wiederzugeben versteht. Diese Eigenschaften zeigen sich auch in seinen flüssig gemalten Aquarellen, die eine Art malerisches Tagebuch seiner Künstlerfahrten darstellen.

Seine künstlerische Zukunft liegt aber wohl m der Monumentalmalerei. Noch scheint diese gebunden durch das Format der Malfläche und könnte erst zu voller Auswirkung gelangen, wenn sich Jahn die Möglichkeit zur Fresken-roalerai großen Stils ergäbe. Von der malerischen Realistik seiner Anfänge hat er sich nunmehr zu symbolhafter Gestaltung durchgerungen, in der er dem Erlebnis der Zeit künstlerische Gestaltung gibt. Sein „Totenfeld“, von der Mystik des Kriegsgeschehens umwittert, die „Familie“, in der bäuerliches Leben symbolhafte Deutung findet, das ergreifende Bild „Pax hominibus!“ oder die gewaltige „Schwere Erde“ sind Bilder, die ebenso wie die prächtigen „Dürren Sonnenblumen“ ein malerisches Ringen und Können bezeichnen, das stärkste Beachtung erzwingt. Hier wächst ein im besten Sinne österreichischer Künstler heran, eje weitgehende Förderung verdient.

In der „Neuen Galerie“ stellt nach mehrjähriger Pause der derzeit in London erfolgreich tätige Wiener Maler und Graphiker Gerhart F r a n k 1 aus. Die schönen Stilleben und Landschaften, die der begabte Kolig-Schüler vor 1935 schuf, zeigen ihn als kraftvollen Maler, der es wie wenig andere verstand, das einfachste Stilleben zu stärkster Lebendigkeit zu steigern, ob er es nun in toniger Farben-gebung gestaltete oder es graphisch, aber auch dabei immer mit farbigem Einschlag, festhielt. Von seinen Vernis mou- und ■Kaltnadelblättern, von denen die „Albertina“ eine Anzahl ihr Eigen nennt, sowie von seinen Ätzblättern seien sein „Selbstbildnis“ und verschiedene Landschaften aus Wien und Umgebung besonders erwähnt.

Der Aufenthalt in England hat seine malerische Technik stark verändert, seine Bilder haben an Zartheit gewonnen, sie muten manchmal wie flüchtige farbige Impressionen an, wie bloße farbige Andeutungen landschaftlicher Stimmungen. Aber jedenfalls ist Gerhart Frankl eine starke und selbständige künstlerische Per-sönüdikeit, der man immer wieder mit Freude und Genugtuung begegnet.

In der „Kleinen Galerie für Schule und Haus“ (VIII., Neudeggergasse 8) ist gegenwärtig eine kleine Ausstellung von Reproduktionen österreichischer Kunstwerke vom

Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart zu sehen, die durch einen ausgezeichneten Vortrag des Dozenten Dr. Fritz N o v o t n y, Kustos der Galerie des 19. Jahrhunderts, eröffnet wurde.

Eine Arbeitsgemeinschaft für praktische Kunsterziehung will Schule und Elternhaus in den Bestrebungen unterstützen, die jungen Menschen mit dem Schönen in der Kunst vertraut zu machen. Für Wohnungen, Schulen und Arbeitsräume sind Jahresabonnements vorgesehen, die den Teilnehmern die Möglichkeit geben sollen, sich Leihbilder zu verschaffen oder innerhalb einiger Jahre eine Auswahl von Abbildungen der Meisterwerke aus aller Welt anzulegen.

Vor allem erhalten dadurch die Schulen die Gelegenheit, die seit einigen Jahren vernachlässigte Kunsterziehung der Jugend wieder entsprechend auszugestalten und für den Anschauungsunterricht wertvolle Bildreproduktionen zu einem verhältnismäßig billigen Preis bereitzustellen. Dr. Viktor Triutzl

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