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Ballette und Opern aus Zagreb

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Das Kroatische Nationaltheater Zagreb gab im Theater an der Wien drei Abende, an denen sechs Werke von vier lebenden kroatischen Komponisten vorgestellt wurden. — 1860 wurde, als älteste Theaterinstitution Jugoslawiens, das Kroatische Nationaltheater gegründet, in dem seit 1870 ständig auch Opern gespielt werden. Im gleichen Jahr wurde hier auch die Nationaloper „Mislav“ von Ivan Zajc uraufgeführt, der vorher acht Jahre lang in Wien tätig gewesen war. Besonders seit der Eröffnung des neuen Theatergebäudes (1395) ist die Zagreber Oper ein bis auf den heutigen Tag nicht versiegendes Stimmenreservoir für die großen europäischen Opernhäuser. Von Milka Terina und Vera Schwarz reicht die Kette über Sena Jurinae, Georgine von Milinkovic, bis Carla Martinis und Marijana Radev, Josip Gostic, Vladimir Ruzdiak, Tomislav NeraMc und Tugo-mir Franc. — 1892 fand in Zagreb die erste Ballettaufführung statt, das Repertoire und die Qualität der Darbietungen verbesserten sich rasch, und während der letzten Jahre war das Zagreber Ballett mehr auf Reisen als zu Hause. Auch genießt es den Ruf, ein besonders „modernes“ Ballett zu sein.

So begannen denn die Gäste mit einem dreiteiligen modernen Abend, der ausschließlich mit Werken des 1924 in Zagreb geborenen Komponisten Milko Kelemen bestritten wurde. Kelemen setzte seine in der Heimatstadt begonnenen Studien in Paris und in Freiburg i. Br. bei Wolfgang Fortner fort, der bestimmend für seine weitere Entwicklung wurde. Kelemen ist ein Zwölftonkomponist, der eine persönlich gestaltete „Gruppentechnik“ entwik-kelt hat, durch die er Töne, Rhythmik und Dynamik seiner Kompositionen ordnet. Seine Partituren sind unverwechselbar und zeigen plastische rhythmische Formen, die sie fürs Ballett prädestinieren. In den drei Kelemen-Balletten spielt die Musik weitgehend eine autonome Rolle, der sich die Choreographie anzupassen hat. Das von Sonja Kastl und Nevenka Bidin choreographierte psychologische Ballett „Der Spiegel“ wurde bereits 1959 in Paris uraufgeführt und findet sich unter dem Titel „Le Heros et son miroir“ im Repertoire mehrerer Bühnen. In der von Milko Sparembleck erdachten Handlung kämpft ein alternder Mann mit seinem zweiten (jüngeren) Ich um eine Frau, wobei der Spiegel in Trümmer geht und der Held den Tod findet Miljenko Vikic, Stane Leben und Djurdjica Ludvig waren die Protagonisten.

Als Erstaufführung sahen wir hierauf die „musikalische Szene“ „Der neue Mieter“ nach einem Text von lonesco. Nach einem banalen Dialog mit der Concierge füllt sich das Zimmer des neuen Mieters immer mehr mit allerlei Möbeln, nützlichen und sinnlosen, bis für ihn nur noch ein von allen Seiten eingeschlossener Sessel übrigbleibt. Die Schrei-, Sing-, Sprech- und Flüsterstimmen haben eine besondere Beziehung zur szenischen Aktion dieses Möbelballetts. Allmählich wird die Musik verdrängt — ein symbolischer Vorgang, bei dem man sich Verschiedenes denken kann. — Die komplizierte und gut funktionierende Ausstattung besorgte Mladen Pejako-vic, die Titslroüe agierte und sprach Franjo Paulik, die Concierge Marijana Radev. Der Regisseur Vlado Habunek hielt sich an den schon klassischen Ionesco-Stdl.

In dem dritten Ballett mit dem Titel „Abbandonate“ herrscht eine ähnliche Stimmung wie in Lorcas „Bernarda Albas Haus“. Ob Ivica Sertiö, von der Buch und Choreographie stammen, das Stück des Spaniers wohl gekannt hat? Vier von ihrer strengen Mutter von der Außenwelt abgesperrte Schwestern und nur ein Mann — das muß schlecht ausgehen: die jüngste stirbt, der Bräutigam entflieht und die andern leben als „Verlassene“ freudlos weiter. — Unter der musikalischen Leitung von Niksa Bareza und der choreographischen von Ivica Sertic hatte das Werk, wie die beiden vorausgegangenen, Atmosphäre und Spannung, wenn auch nicht immer Weltformat.

Wesentlich populärer ging's am zweiten Abend der Zagreber zu. Da gab es zunächst, als noch etwas unfertig wirkende Uraufführung, ein 80 Minuten dauerndes Unterhaltungsballett mit dem Titel „Menschen im Hotel“ nach dem Erfolgsbuch der Vicki Baum. Die umfangreiche Partitur schrieb Boris Papandopulo nach einem Libretto von Paul Struck. Die wenig ansprechenden, vor allem in den Farben tristen Dekorationen schuf ebenfalls Paul Struck während ihm die Kostüme, welche die zwanziger Jahre parodieren, besser gelungen sind. Die Musik des 1906 in Honeff geborenen, unter anderem auch bei Joseph Marx ausgebildeten Boris Papandopulo, der zahlreiche Opern, Kantaten und Filmmusiken geschrieben hat, als Direktor der Zagreber Oper tätig war und als Dirigent wirkt, hat wenig eigenes Profil. Am besten ist er dran, wenn er sich unter den Schutz Strawinskys stellt. Daher ist ihm eine parodi-stische Ballettszene (zu Beginn des 2. Aktes, „im Theater, hinter der Bühne“) am besten gelungen. Die Hauptpartien waren gut besetzt: die Ballerina mit Vjera Markovic, die Sekretärin — Maja Dijakovic, der Baron — Miljenko Vikic, der Generaldirektor — Zoran Grgic. Die Choreographie von Boris Pilato entspricht dem Charakter des bereits genannten Bestsellers und zeigt einige hübsche Einfälle. Als Festwochenbeitrag lag die ganze Kreation entschieden unter dem langjährigen Durchschnitt.

Da konnte man an dem einaktigen Ballett in drei Bildern „Dos Lr.bzeltherz“ von Kresimir Barano-vic, Jahrgang 1894, mehr Freude haben. Mädchen, Burschen, Zigeuner, Puppen, Husaren, Pferdchen, Tänzer und Tänzerinnen, Liebesszenen und großer Kolo: das alles summierte sich zu einer hübschen volkstümlichen Unterhaltung, die von Zlatko Burek originell und farbenfroh ausgestattet und von Zvonimir Reljic gefällig choreographiert wurde. — Wie in dem vorausgegangenen Ballett waren auch hier mehr als zwei Dutzend Tänzer in Haupt- und Nebenrollen aufgeboten, die mit Eifer am Werk waren. Das bereits 1924 uraufgeführte Ballett ist in Jugoslawien sehr beliebt und wurde auch an mehreren ausländischen Bühnen gegeben.

Auf dem Programm des letzten Abends der Zagreber stand die Nationaloper „Ero der Schelm“ von Jakov Gotovac, der 1895 in Split geboren wurde und heute nicht nur der erfolgreichste, sondern auch der konservativste der kroatischen Komponisten ist. Das 1935 in Zagreb uraufgeführte Werk ging, in neun Sprachen übersetzt, über rund 80 europäische Bühnen, wurde nach 1945 auch an der Wiener Volksoper gespielt und braucht an dieser Stelle nicht beschrieben zu werden. Es ist so anspruchslos und eingängig, daß es stets und überall sein Publikum finden wird, nicht zuletzt dank der reizvollen nationalen Note, welche nicht nur die Musik aufweist, sondern durch die auch die Ausstattung sowie die Tänze, besonders des letzten Aktes, bestimmt werden. Die Bühnenbilder von Zvonko Agbaba, realistisch, aber nicht ohne Athmo-sphäre, zeigten schöne, geschlossene Formen und gute Farben, ebenso die Kostüme von Inga Kostincer. Die Regie von Nando Roje wirkt sehr natürlich und hält sich vermutlich an die lokale Tradition. In den Hauptrollen hörten wir Tomislav Nera-lic als reicher Bauer Marko, Badema Sokolovic — seine Frau, Mirfca Klaric — Djula, Noni Zunec — Mica (Ero, der Schelm) und Tugomir Alaupovic — Müller Sima. Unter der musikalischen Leitung von Nicso Bareza wurde nicht nur von den Solisten, sondern auch vom Chor kräftig, zuweilen ein wenig rauhstimmig gesungen. Aber das gehört zur „nationalen Note“. Ein Sonderlob gebührt dem disziplinierten Orchester, das in kürzester Zeit neben den Proben zu den bekannten Werken noch eine neue umfangreiche Ballettpartitur einstudieren mußte.

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