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Blacher - Requiem und Hartmann - Symphonie
Im Auftrag der Wiener Konzerthausgesellschaft schrieb der baltendeutsche, seit vielen Jahren in Berlin ansässige Komponist Boris Blacher ein „Requiem“ für zwei Soli, großen gemischten Chor und Orchester, das im 9. Konzert des Internationalen Musikfestes uraufgeführt wurde. Blacher vertonte den ungekürzten lateinischen Text (nebst dem „Libera me“) auf eine sehr persönliche, völlig unkonventionelle, aber trotzdem durchaus überzeugende Weise und schuf ein Werk, das nicht nur kompositorische Meisterschaft bezeugt, sondern auch wirklich zu ergreifen vermag. Wie meist bei Blacher herrscht äußerste Sparsamkeit der aufgewendeten Mittel. Die Durchsichtigkeit und Klarheit seines Tonsatzes ermöglichen, auch beim ersten Hören, die Musik Takt für Takt genau zu erfassen. Sehr charakteristisch ist der Anfang des Werkes: da „Requiem aeternam“ wird von den Solisten angestimmt und vom Chor im Pianissimo fortgeführt: tropfenweise fallen die einzelnen Töne, bis die Zwölfzahl erreicht ist. Das Orchester, welches meist nur Akzente setzt, unterstreicht oder eine Gesangstimme kontrapunktiert, bekommt im „Dies Irae“ Eigenleben, im „Tuba mirum“ lassen die Blechbläser wahrhaft erschreckende Dissonanzen hören, vom „Offertorium“ an begleitet es mehr lyrisch den Chor, der oft einstimmig, selten mehr als dreistimmig geführt ist. Kennzeichnend sind auch die kleinen Melodieschritte, welche Blachers Vokalstil etwas Statisches verleihen und ihn dem Psalmodie- ren annähern. Variable Metren werden nicht angewendet, dagegen ist die Partitur reich an kontrapunktischen Künsten, die aber — wie selten kommt das vor! — der leichten Hörbarkeit keinen Abbruch tun. Unter der Leitung von Georg S o 11 i haben die Solisten Hilde Z a d e k und Heinz R e h f u ß zusammen mit der Wiener Singakademie und den Symphonikern Vorbildliches geleistet.
Kaum ein größerer Gegensatz zu diesem Werk ist denkbar als die vorausgegangene VII. Symphonie des Münchners Karl Amadeus Hartmann. In dieser Partitur ist alles auf Kraftentfaltung, Massierung und Effekt angelegt. Der erste Satz besteht aus einer Aneinanderreihung polyphoner Kurzformen, deren asthmatische Themen bald in polytonalem Lärm münden. Auch dem Cello-Thema des Adagio- Satzes geht es nicht besser, und das abschließende „Scherzo virtuoso“ stürmt, in wechselnder, oft reizvoller und origineller Instrumentierung, wie ein Perpetuum mobile in Sechzehntelläufen dahin, während aus dem Hintergrund eine gewaltige, von acht starken Männern bediente Schlagwerkbatterie minutenlang ins Publikum feuert, unterstützt von zwei klirrenden Xylophonen und einem donnernden Klavier.
Die nur 24 Minuten dauernde Erstaufführung der Hartmann-Symphonie endete, wie der 30jährige Krieg, mit der völligen Erschöpfung aller Beteiligten, einschließlich des Publikums. — Georg S o 11 i, ein seltener Gast in Wien, sei nach diesem Konzert den Veranstaltern für eine baldige Wiedereinladung empfohlen.
„Drei Sätze für Streichorchester" op. 13 b von Hanns Jelinek sind eine Bearbeitung seines 2. Streichquartetts„ darin er erstmals die Zwölftontechnik anwendete. Mag sein, daß diesem Jugendwerk noch die innere Sicherheit mangelt, der Wiedergabe (Orchester Philharmonia Hungarica unter Karl Oesterreicher) mangelte sie zweifellos. Man hatte das Gefühl der Unvertrautheit, das sich indes bei der nachfolgenden „Harmoniemesse“ noch wesentlich steigerte angesichts der Lieblosigkeit, mit der Joseph Haydns vollendetste Messe- komposition gleichsam „heruntergespielt" wurde, ohne Rücksicht auf ihren dynamischen und aus- drucksmäßigen Reichtum. Der sauber und präzis singende Akademie-Kammerchör wurde mitgerissen, einzig die Sopransolistin Marilyn Home vermochte den Dirigenten gelegentlich in seiner Tempo- und Fortehast zu bremsen.
Eine vollendete Interpretation erlebte dagegen Haydns „Cäcilien-Messe“ unter Paul Hindemith. (Wiener Symphoniker, Wiener Kammerchor mit Wilma Lipp, Margarete Sjoestedt, Murray Dickie und Frederick Guthrie als Solisten.) Das in Kantatenform komponierte, infolge seiner Länge und seiner willkürlichen Textwiederholungen für die Liturgie heute nicht in Betracht kommende Werk wirkt trotz vieler Schönheiten ermüdend, was nur durch die innere Steigerung in der exakten Wiedergabe aufgewogen werden konnte. Die vorangehende Sinfonia Nr. 22 (Der Philosoph) jedoch offenbarte die ganze Frische Haydnschen Einfalls.
Chor und Orchester der „Musikalischen Jugend“ brachten unter Leitung von Günther T h e u r i n g ein Haydn zugeschriebenes
„Requiem“ in c-moll, das wir schon seines gekürzten und teilweise sogar adaptierten Textes wegen Haydn nicht anlasten wollen, wenn auch manche Stellen stilmäßig seine Eigentümlichkeiten tragen. Das folgende Oratorium von Giacomo Cariss imi „Judicum Salomonis" erwies sich auch heute noch als wirkungsstark in seiner Frische und
— Kürze. Mit einer sehr lobenswerten lebendigen Wiedergabe von Mozarts „Vesperae de Dominica“ schloß der anregende Abend, der sowohl Chor und Orchester als eine Reihe von jungen Solisten auf anerkennenswerter Höhe zeigte.
In einer Weihestunde in der B u r g k a p e 11 e hörten wir das „S t a b a t m a t e r“ von Joseph Haydn. Auch hier wirkt die Länge des Werkes (fast einstündig) ermüdend, da es an Steigerungen fehlt. Dagegen erwies sich das Dettinger ..Te D e u m“ von G. F. Händel durch seine hymnische Kraft auch heute noch als zündend. Dirigent Hans Gillesberger wußte die musikalische wie die sakrale Situation eindrucksvoll zu gestalten.
Franz Krieg
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