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Blick in die Höhle von Qumran

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Bis 2. Oktober ist in der Vatikanischen Bibliothek eine Ausstellung über die zwischen 1947 und 1956 entdeckten „Schriftrollen vom Toten Meer“ zu sehen.

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Bis 2. Oktober ist in der Vatikanischen Bibliothek eine Ausstellung über die zwischen 1947 und 1956 entdeckten „Schriftrollen vom Toten Meer“ zu sehen.

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Die Ausstellung wurde durch die „Israel Antiquities Authority“ initiiert, in deren Sammlung sich Hunderte dieser Manuskripte befinden. Sie geben Einblick in das Leben im Lande Israel während des Zeitraums 200 v. Chr. bis 70 n. Chr. - in eine Epoche, in der sich der rabbinische Judaismus und das Christentum geformt haben. Fragmente von zwölf Schriftrollen (in zirka ein Meter Länge bis bloß fünf Zentimeter Breite), 88 handwerkliche Kunstgegenstände und archäologische Artefakte aus der Gegend von Qumran werden in dieser Schau präsentiert. Fünfzig Dokumente aus der Vatikanischen Bibliothek ergänzen die Exposition: Manuskripte, Wiegendruck-Schriften und Landkarten.

In drei Teile gegliedert, erschließt die Ausstellung zunächst einmal die Welt der Schriftrollen. Nach einer Einführung in die biblische Archäologie und den geschichtlichen Kontext der Schriftrollen konzentriert sich die Schau auf die „Gemeinde“ von Qumran. Es wird allgemein angenommen, daß die Schriftrollen einer jüdischen Sekte, den Essenern, gehört haben und daß diese mit einer Siedlungskolonie in Qumran verbunden war.

Fachleute rätseln über die vorgefundenen Bauten und Orte und werfen eine Reihe bisher unbeantworteter Fragen auf, wie etwa im Falle einer Villa, die im Winter vielleicht von einer reichen Familie aus Jerusalem (ihren Eigentümern?) benutzt wurde: War sie zufällig eine römische Festung? Gehörten.ihre Bewohner eher einer Flüchtlingsgruppe an, womöglich gar den Sadduzäern, die die Interessen der priesterlichen Aristokratie repräsentierten, und nicht den Essenern, die nur eine streng asketisch lebende, kleine Bewegung (nicht unähnlich den folgenden christlichen, monastischen Gemeinden) waren? Gab es eine Verbindung zwischen dieser Gemeinde und den Schriftrollen? Wurden die Schriftrollen in diesen Höhlen von Judäa versteckt, um sie vor der römischen Mi litärmacht zu beschützen, die bis in dieses Gebiet vorgerückt war?

Anhand vorgefundener Gebrauchsgegenstände illustriert der zweite Teil der Exposition die verschiedenen Schriftstücktypen aus Qumran: Bibeln Apokryphen, Pseu- depigraphen (antike Schriften unter falschem Namen) et cetera. Unter den biblischen Texten finden sich die Bücher „Leviticus“, „Psalmen“ und „Jesaja“. Apokryphen sind Schriften, die vom hellenistischen Judaismus anerkannt werden, jedoch im Kanon der Nicht-Hellenisten nicht beinhaltet sind. Unter den Pseudepigraphen findet man Frag mente des „Buches Henoch“, dessen Texte unter anderem Glaubensregeln einer Sekten-Gemeinde enthalten, ähnlich wie die „Handbücher der Disziplin“, eine Schriftrolle, wo den Mitgliedern einer Bruderschaft die Richtlinien des alltäglichen Lebens vorgeschrieben werden.

Außerdem werden Objekte gezeigt, die mit den Schriftrollen selbst verbunden sind wie eine Schriftrollenvase, einige Leinenhüllen und Klammem aus Leder. Dort befindet sich auch ein ausgedehntes Fragment aus „Leviticus“, in Alt- Hebräisch (oder Quadratschrift) verfaßt. Die daneben ausgestellte, monumentale Schriftrolle der Torah aus dem 13. Jahrhundert zeigt Passagen, die mit Stellen der Schriftrollen des Leviticus korrespondieren.

Fast schon legendär sind die Umstände, unter denen die ersten Schriftrollen vom Toten Meer entdeckt wurden: Auf der Suche nach einer verirrten Ziege kletterte der Hirtenjunge Muhammad adh-Dhib in den Felsen von Qumran und stieß auf eine schmäle Höhle mit etlichen Tongefäßen, die die Rollen bargen. Dieser zufälligen Entdeckung folgten gezielt unternommene archäologische Forschungsarbeiten. Der dritte Teil der Ausstellung erschließt die Entdeckungsperiode der Schriftrollen von 1947 bis 1956, deren Studium und die Geschichte der darauffolgenden Teilveröffentlichungen. Auch die Kritiken am Zugang zum nicht publizierten Material sowie dessen langsame Freigabe werden hier behandelt.

Unter den ausgestellten Objekten befinden sich Fragmente des sogenannten „Übereinkommens von Damaskus“, einem Fund aus Qumran, der mit Teilen eines 1896 entdeckten althebräischen Textes, der in einer Synagoge bei Kairo aufbewahrten „Damaskusschrift“, im Zusammenhang steht. Weiters ein Manuskript der Kirchengeschichte nach Eusebius von Cesaräa (13. Jahrhundert), in dem der im vierten Jahrhundert n. Chr. wirkende Autor Bezug auf eine Erklärung des Origenes (erstes Jahrhundert n. Chr.) nimmt. Origenes gibt darin an, einen hebräischen Psalmentext verwendet zu haben, der „in einer Vase bei Jericho zu Zeiten des Antonino, Sohns des Severo“ (der ein Zeitgenosse Origenes war) gefunden wurde.

Eine interessante Auswahl hebräischer Manuskripte und Wiegendrucke aus der Sammlung der Vatikanischen Bibliothek ergänzt diesen Ausstellungsteil.

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