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Das Salzburger Rupertinum zeigt den dänischen Künstler Paul Kirkeby und Expressionismus. Der Schwerpunkt der Sommerausstellung des Hauses ist Emil Nolde gewidmet.

Mit gleich zwei Ausstellungen hat das Rupertinum in Salzburg seine Sommersaison eröffnet. Der Blick ist diesmal nach Norden gerichtet: auf die bedeutende Hamburger Expressionisten-Sammlung von Martha und Paul Rauert sowie auf das Werk des 1938 in Kopenhagen geborenen Per Kirkeby. Sowenig die beiden Präsentationen miteinander zu tun haben, so berühren und unterscheiden sie sich auf seltsame Weise in der Suche nach dem Bild des Menschen und seinem Verhältnis zur Natur.

"Dreimal Werden", so titelt die Schau zu Ehren des dänischen Künstlers, dessen malerisches Oeuvre erst kürzlich mit dem renommierten Herbert-Böckl-Preis 2003 gewürdigt wurde. Per Kirkebys seit 1966 ausgeprägte Affinität zur Pop-Art bestimmt seine frühen figuralen Motive in teils grell-bunter Farbigkeit, lesbar etwa als weibliche Körper, als Ross und Reiter. Linien, Schraffuren, kreisförmige Flächen, sichelförmige Elemente bestimmen die Oberfläche. Spuren und Strukturen deuten sich an.

Mit den Augen des Geologen durchdringt Per Kirkeby schließlich seinen eindrucksvollen Zyklus der großformatigen Monotypien von den Färöer Inseln (2000): mächtige, ovale Formelemente aus Blau- und Ockertönen in heftigen, scharfen Pinselzügen bilden wie Inseln das kompositorische Hauptelement, in dem hier und da eine lagernde männliche Gestalt eingeschlossen ist, umgeben von schwarzen Linien, Schraffuren, Zeichen, mal auf weißem Grund, mal von felsigem Grau, von erdigem Braun umgeben. Dem Betrachter bleibt es überlassen, sich in diese Landschaften hineinzusehen: aus weiter Entfernung oder in Nahsicht auf feinste Strukturen, auf eine vom Künstler freigelegte Tektonik.

Kirkebys Insellandschaften

Seit einigen Jahren greift Per Kirkeby diese Thematik wieder auf. Formationen und Strukturen sind untrennbar miteinander verschmolzen, zu malerischen Farblandschaften abstrahiert und fern von jeder erkennbaren Realität. Die kristalline Härte ist einer farbigen Transparenz gewichen, die kosmisches Licht einzufangen scheint. Auch diese "Landschaften" erscheinen "rätselhaft, verschlossen und doch ganz natürlich" (Per Kirkeby).

Zu den großen Landschaftsmalern des Expressionismus gehört Emil Nolde. Sein leidenschaftliches Ringen um die Darstellung der elementaren Natur haben den Hamburger Rechtsanwalt Paul Rauert und seine kunstbegeisterte Frau Martha fasziniert. Schon in den späten 1890er Jahren hatte Rauert, beeindruckt von einer Ausstellung mit grafischen Werken Max Klingers, Kunst zu sammeln begonnen. Als andere Sammler sich noch dem deutschen Spätimpressionismus verbunden fühlten, hatte das Ehepaar Rauert sich auf die junge Kunst des Expressionismus festgelegt. Die Freundschaft mit Nolde seit 1907 wie mit Karl Schmidt-Rottluff und anderen ermöglichte sehr früh den Erwerb bei den Künstlern selbst. Zahlreiche KünstlerPostkarten an Martha Rauert, die passives Mitglied in der 1905 in Dresden gegründeten Künstlervereinigung "Die Brücke" war, unterstreichen deren Initiative beim Ankauf der rund 200 Werke von "Brücke"-Künstlern. Nach dem Tod ihres Mannes 1934 gelang es ihr, die Sammlung, abgesehen von Not-Verkäufen, über schwierige Zeiten hinwegzuretten.

Einen eindrucksvollen Überblick über die Sammlung Rauert vermittelt die rund hundert Exponate umfassende Ausstellung, die mit Werken von SchmidtRottluff einsetzt, etwa mit der in heftigem Pinselduktus gemalten Landschaft "Windiger Tag" (1907) bis hin zu dem späten Gemälde zweier Frauen "Sommermorgen".

Expressionistische Farben

Dem Bild des Menschen im Expressionismus ist ein eigener Raum gewidmet. Hier finden sich neben dem Bildnis zweier Mädchen (1906) von Paula Modersohn-Becker Bronzebildwerke von Ernst Barlach, u.a. "Der Zweifler", "Der Rächer" sowie sein Entwurf für das Hamburger Ehrenmal 1931. Druckgrafische Blätter aus der Berliner "Brücke"-Zeit nach 1911 etwa von Conrad Felixmüller, Erich Heckel oder Walter Gothein zeugen vom Interesse der Künstler an den Menschen, ihrer Befindlichkeit im Großstadtmilieu der Zwischenkriegszeit.

Holzschnitt und Lithografie waren bevorzugte künstlerische Techniken der Brücke-Künstler, somit Hauptbestand der Sammlung, u.a. etwa Erich Heckels "Liegende" (1913) bzw. seine schwungvoll elegant auf den Stein gezeichneten Konturen weiblicher Akte. Wie sehr die Sammler auch Walter Gramatté schätzten, belegt seine vorzügliche Litho-Serie zu Nikolai Gogols "Der Mantel" von 1918. Auch Franz Radziwill war ein Freund im Hause Rauert; sein Aquarell "Frau zwischen roten Stühlen" (1924) vermittelt eindrucksvoll den schonungslos einsetzenden Realismus.

Noldes Meervisionen

Dem Schwerpunkt der Sammlung Rauert, den Werken Emil Noldes, entspricht die Ausstellung mit einer ausgezeichneten Auswahl. Hier kann man nachvollziehen, wie der Außenseiter Nolde, der selbst nur kurze Zeit Mitglied der "Brücke" war, nach den spätimpressionistischen Anfängen alle künstlerischen Mittel des Holzschnittes und der Radierung einsetzt, um seine Vision der Meere, der Landschaften, aber auch der Fabelwesen und urtümlichen Gestalten entstehen zu lassen. Die Kraft der Linie ist dem gelernten Schnitzer vertraut.

Nolde experimentiert wie Munch, bezieht die Maserung des Werkstoffes mit ein. Sein eigentliches Medium aber ist das Malerische, das Aquarell mit fließenden Übergängen, Feder- und Pinselzeichnung, ganz besonders die Radierung mit weichen Grautönen der Aquatinta. Schon 1910 erreicht Nolde einen Nuancenreichtum von Strich- und Tonätzung, der auch die späteren Blätter (1918) auszeichnet.

Zu den eindrucksvollsten Arbeiten zählen die Hafen- und Seestücke, in denen der Künstler die Atmosphäre von Wind und Wasser, von Qualm und Dunst der Schlepper einfängt. Brackiges Wasser schwappt in kurzen Wellen um die Landungsstege, mächtige Schiffskörper liegen auf Dock, ein Segler gleitet dahin, im Hintergrund der schwarz sich verquirlende Rauch von drei kleinen Dampfern. "Diese wild hingeschriebenen, gekratzten, geschabten, aufgegrateten "Marinen" Noldes gehören zu den großartigsten grafischen Beschreibungen der erregenden Atmosphäre der Häfen ..."(L.G. Buchheim). Für diese ganz besonders, aber nicht nur, ist der Besuch im Rupertinum eine Reise wert.

Per Kirkeby / Dreimal Werden

Grafik 1966-2000-2003

Bis 13. Juli

Nolde, Schmidt-Rottluff und ihre Freunde Die Sammlung Martha und Paul Rauert, Hamburg 1905-1958

Bis 20. Juli

Rupertinum, museum der moderne salzburg. Tel. 0662-8042-2541

www.rupertinum.at

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