6544734-1947_08_06.jpg
Digital In Arbeit

Burgenland-Kroaten

Werbung
Werbung
Werbung

Stille, sonnendurchflutete, weiß und buntgetünchte Bauernhäuser, auf der Dorfstraße der Radbrunnen, da und dort ein frommes Steinbild, von der Zeit verwittert, ruhige, arbeitsame, nüchterne Mensdien — so bieten sich die Kroatendörfer des Burgenlandes dem Wanderer dar. Uber Nacht sind diese Siedlungen und ihre Menschen in das weltpolitische Interesse gerückt, nachdem Jugoslawien anläßlich der eben begonnenen österreichischen Staatsvertragsverhandlungen in London neben den weitgesteckten Territorialforderungen in Kärnten für die kroatische Minderheit des Burgenlandes ein Minoritätenstatut fordert, das den Schutz der nationalen Rechte dieses Volkssplitters gewährleisten soll.

Zur sachlichen und vorurteilslosen Beurteilung dieses Problems ist es notwendig, an die geschichtlichen, zahlenmäßigen und kulturellen Quellen des burgenländischen Kroa-tentums näher heranzutreten

Nach der Volkszählung des Jahres 1934 befanden sich 4 0.151 Personen kroatischer S p r a c h z u g e h ö r i g k e i t innerhalb der Grenzen des Bundeslandes Burgenland. An dieser Zahl ist seitdem keine nennenswerte Veränderung eingetreten, so daß man diese Summe auch für den derzeitigen Stand annehmen kann. Das Kroaten-tum des südöstlichen Grenzraumes greift aber auch über die derzeitigen Staatsgrenzen hinaus. Zahlreiche kroatische Siedlungen verblieben nach 1921 auf ungarischem Staatsgebiet. Kulturell, sprachlich und artmäßig bildet das Diasporakroatentum diesseits und jenseits der Staatsgrenzen eine homogene Masse. Ein lebendes Beispiel hiefür ist der Dichter und geistige Vorkämpfer der west-und ostburgenländischen Kroaten, M a t e j Miloradovic, der aus dem auf ungarischem Boden gelegenen Dörfchen Kroa-tisch-Kimling stammt. Bezeichnenderweise sind die Werke dieses kroatischen Dichters in Österreich erschienen und er war es, der die kroatische Bezeichnung für das Burgenland — GradiSöe — prägte.

Die Gestaltung dieses Diasporakroaten-tums erklärt sich aus dem wechselvollen Verlauf der geschichtlichen Vergangenheit des ganzen Grenzraumes.

Die ersten Kroaten wurden gegen Anfang des sechzehnten Jahrhunderts von den ungarischen und kroatischen Adelsfamilien vor der latenten Osmanengefahr aus Altkroatien, hauptsächlich der Lika, nach ihren derzeitigen Heimstätten verpflanzt. Besonders nach der unglücklichen Schlacht von Mohacs (1526) war der. Zuzug ein sehr starker. In kürzeren oder längeren Intervallen wiederholten sich diese Bevölkerungsbewegungen. So nach den Türkenkriegen 1529, dann anderthalb Jahrhunderte später 1686. Vornehmlich waren es die gräflichen Grundherrengeschlechter der Batthyini, Dras-kovich und Festetics, die von ihren in Kroatien gelegenen gefährdeten Gütern und weiträumigen Liegenschaften die Bewohner auf ihre besser gesicherten Besitzungen nach

Westungarn, zum Großteil dem heutigeri Burgenlande, lenkten.

So entstand die kroatische Siedlungskette, die von ihrem nördlichsten Punkte: The-menau bei Lundenburg, Tschechoslowakei, ausgehend, sich bis zur Murinsel durch den ganzen burgenländisch-westungarischen Raum erstreckt. Von einem geschlossenen und zusammenhängenden kroatischen Siedlungsboden kann nirgends gesprochen werden. Die kroatischen Dörfer sind überall zwischen der deutschsprachigen Landesbevölkerung eingesprengt, wie es eben der ursprüngliche Siedlungszweck mit sich brachte.

In kultureller und sprachlicher Hinsicht hatte das burgenländische Kroatentum dieselben Phasen wie -die übrigen Nationalitäten der ungarischen Kronländer bis 1921 durchzumachen. Ungarn war bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts gegenüber seinen Nationalitäten, die 60 Prozent der Gesamtbevölkerung . des Landes ausmachten, von einer weitgehenden Toleranz. Die Amtssprache war bis in die erste Hälfte des

19. Jahrhunderts lateinisch. Der Adel gravitierte nach Wien. Doch das Jahr 1848 setzte mit dem Auftreten Kossuths den Nationalismus der Magyaren in Flammen und der Ausgleich des Jahres 1867' legitimierte in seinem politischen Grundgedanken: Aufbau der Monarchie auf zwei Führernationen — den Deutschen in Österreich, den Magyaren in Ungarn — den Anspruch auf die Suprematie soweit, daß das muttersprachliche Schul- und Kulturleben der Nationalitäten, also auch der Kroaten, umstrittenes Gebiet wurde. Der Kroate wurde notgedrungenerweise dreisprachig. Neben seiner Muttersprache bediente er sich der Sprache der Landschaft, diese war deutsch, dazu kam noch bis 1921 das Magyarische als Staatssprache.

Innerhalb seiner Familie und seines Dorfes bedient der Burgcnlandkroate sich seit eh und je seiner kroatischen Muttersprache, die, mundartlich genommen, zum Schriftkroatisch in einem Verhältnis steht wie die Heihzen-mundart des Burgenlandes zum Hochdeutschen.

Berufsmäßig gliedert sich die kroatische Bevölkerung in Kleinbauern, Facharbeiter des Baugewerbes und Händler, während die dünne Schichte der Intellektuellen hauptsächlich den Seelsorger und Lehrer im kroatischen Dorfe stellt. Seit alters her waren schon die Kroaten des Burgenlandes als Produzenten und Händler wichtig für die Ap-provisionierung Wiens, und sie wurden es noch in der seit der Angliederung des Burgenlandes an Osterreich im Jahre 1921. Eben durch diese Wende erfuhr das burgenländische Kroatentum gleich der übrigen Bevölkerung des Burgenlandes eine tiefgreifende Besserung der allgemeinen Lebensbedingungen- . , , Das Staatsgrundgesetz der ersten sowohl auch der wiedererstandenen zweiten Republik sieht eine ausdrückliche Gleichheit aller Staatsbürger ohne Unterschied der Nationalität und Konfession vor. Diese Gleichheit spricht sich auch im Schulwesen, in den kulturellen Vereinigungen und im ungehinderten Sprachgebrauch aus. Das burgenländische Kroatentum hatte und hat zu jeder Zeit eine entsprechende Vertretung in der freigewählten Landesverwaltung. Es wird wenig Länder in Mitteleuropa geben, wo das heikle Minoritätenproblem eine/so generöse Behandlung erfährt wie im Bundesland Burgenland. Ohne den weltpolitischen und für Österreich lebensentsJieidenden Verhandlungen vorgreifen zu wollen, kann mit Bestimmtheit gesagt werden, daß das Burgenland seinen kroatischen Landsleuten so wie bisher auch in Zukunft all Rechte einräumt, die sie selbst wünschen. Wenn dies in Form eines Minderheitenstatuts festgelegt werden soll, so kann dies nur ein Beitrag zu dem Ziele sein, die Minderheitenfragen in aller Welt auf Grund allgemein verbindlicher Grundsätze zu regeln. Österreich bekennt sich jedenfalls zu dem Gedanken, daß das herzliche Einvernehmen zwischen den Staatsbürgern jeder Sprache das beste Unterpfand für das Wohlergehen und die Integrität des gemeinsamen Vaterlandes ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung