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Byzantinische Kunst in Österreich

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Die geschichtliche Tatsache wird vielleicht manchen überraschen, daß die byzantinische Kunst die österreichischen Landschaften nicht allein berührte, sondern daß sie sogar in gewisser Hinsicht für die mittelalterliche Kunst in Österreich, vor allem für die österreichische Malerei des Mittelalters von grundlegender Bedeutung gewesen ist. Hervorragende Werke unserer heimischen Monumental- und Buchmalerei zeigen eine so tiefe Beeinflussung durch Byzanz, wie wir sie ähnlich in keinem der Nachbarländer in einem derartigen Ausmaße finden. Von' ausschlaggebender Bedeutung dürften wohl die engen höfisdien Beziehungen gewesen sein, die in der “Babenbergerzeit rwischen Österreich und dem Byzantinischen Reiche bestanden. Damals war Österreich nicht allein der am weitesten nach Osten vorgeschobene Posten der abendländischen Kultur. Österreichs Länder waren gleichsam ein Riesenstaubecken, in dem die Erzeugnisse der abendländischen und der byzantinischen Kultur zusammentrafen. Österreich war das erste Land nördlich der Alpen, in dem der Prozeß des Austausches der byzantinischen und der romanischen Kultur vor sich ging, der vor allem auf dem Gebiete der Malerei die ersten großartigen Ergebnisse zeitigte. In Salzburg blühte eine Monumentalmalerei mit typisch byzantinischen Zügen, deren Ubtrreste uns in den Nonnberger Fresken (um 1140 entstanden) erhalten sind, Werken einer ausgesprochen hieratisch - sakralen Kunst. Der alte Salzburger romanische Dom barg in seinen Malereien hervorragende Zeugnisse einer von Byzanz beeinflußten Malerei.

Die Salzburger Monumentalmalerei war wohl nicht unmittelbar von der byzantinischen Kunst beeinflußt worden, sondern von den Werken der byzantinisch-italienischen Malerei Venedigs und Aquilejas, und in einer charakteristischen Hinsicht , unterscheiden sich die Salzburger Malereien von den byzantinischen Werken durdi einen gewissen Individualismus und durch eine stärkere Betonung der Linie und Fläche. Es besteht die Annahme wohl zu Recht, daß ihr Meister in Venedig und Aquileja seine Schulung erhielt.

Großartige Zeugen byzantinischen Kultureinflusses sind die Freskenzyklen, die sich in Tirol erhalten haben, so vor allem in der Schloßkapelle in Hocheppan (Mitte des XII. Jahrhunderts) und in der Margarethenkirche in Lana. Auch hier dürften oberitalienische Vorbilder die Verbindung zu byzantinischer Kunst herstellen. Die Fresken der Frauenkirche in Brixea (1220) erinnern in der Darstellung eines Heiligen auffallend an die Nonnberger Fresken. Interessant unter dem Gesichtspunkt der Beeinflussung durch Byzanz ist auch das Bild des himmlischen Jerusalem in Windisch-Matrei (Mitte des XIII. Jahrhunderts). Die Darstellung des thronenden Christus im Mittelmedaillon gemahnt an byzantinische Pantokratordarstel-lungen. Erst um 1300 wird der byzantinische Einfluß durch den frühgotischen Naturalismus abgelöst.

Im XL und XII. Jahrhundert war Salzburg auch ein Zentrum der Buchmalerei, und auf diesem Kunstgebiete läßt sich der Prozeß des Eindringens byzantinischer Elemente besonders gut verfolgen. Einen Gipfelpunkt byzantinisch geprägten Kunstschaffens stellt das Seitenstettner Missale dar. Eine letzte Welle byzantinischer Ele-

mente strömte dann in der Zeit der Gegenreformation nach Österreich, als, durch den erhöhten Muttergotteskult bedingt, eine Reihe von sogenannten schwarzen und italo-byzantinischen Madonnen in Österreich Eingang fand.

Wien besitzt zwei besonders wertvolle originale byzantinische Ikonen: eine in der Michaeler- und eine in der Barbarakirche. Eas Gnadenbild in der Michaeierkirche wurde 1673 von dem Obersten Heinrich Freiherrn von Kielmannsegg, dem Verteidiger Kretas gegen die Türken, aus Candia nach Wien gebracht.

So sind Österreich und Wien reich an byzantinischen Kunstschätzen. Denn in den verschiedensten Zeiten sin)! Byzanz und der Okzident in Wien einander begegnet, um sich schöpferisch zu befruchten.

'Am 20. März fand auf der Wiener Universität die Gründungsversammlung der österreichischen Byzantinischen Gesellschaft statt. Prof. Dr. W. S a s - Z a 1 o-z i e c k y als dem führenden Byzantinisten Österreichs kommt an der Gründung dieser für die österreichische Wissenschaft wesentlichen Vereinigung ein entscheidendes Verdienst zu.

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