Champagnerlaune in Barocksälen

19451960198020002020

"Alles Walzer" in SchloßHof im Marchfeld: Wiener Ballmode seit dem Biedermeier.

19451960198020002020

"Alles Walzer" in SchloßHof im Marchfeld: Wiener Ballmode seit dem Biedermeier.

Werbung
Werbung
Werbung

Jung war er halt und noch dazu in Paris aufgewachsen, dieser Mr. Horace Rumbold, anno 1857 Attache an der Britischen Gesandtschaft in Wien. Er hatte savoir vivre, und im Fasching figurierte er gern als Ballkavalier. Viel später, als Sir Horace und Botschafter hierorts, erinnerte er sich an die wichtigste Persönlichkeit solcher Veranstaltungen: den "Vortänzer", dem die unbeschränkte Macht über den Ballsaal gegeben war.

"Stets ist er darauf bedacht, die Zahl der gleichzeitig tanzenden Paare zu beschränken und Ungeschickte, die aufs Parkett tappen wollen, wo sie das harmonische Gesamtbild nur stören würden, davon abzuhalten. Bei all diesen Abläufen ist die Autorität des Vortänzers unbestritten, die verwegensten Dragoner- und Ulanenoffiziere, Männer, die ein Dutzend Ehrenhändel hinter sich haben, folgen ihm lammfromm."

So begab es sich in den gehobenen Kreisen, in denen Diplomaten eben verkehren. Rumbold suchte aber auch die populären Lokale auf, "wo sich fröhliche, leichtsinnige Paare drängen, deren Verbindung mit dem ersten Walzer jenes Abends begann und wohl kaum die letzte Polka der Woche überdauern wird." Damit deutet der Victorianer die Flüchtigkeit solcher Beziehungen fast schon im Stil Schnitzlers an.

Dies, mit Verlaub, als extemporierender kleiner Beitrag aus der eigenen Übersetzerwerkstatt zum Thema der Ausstellung, die nun SchloßHof, Prinz Eugens Tusculum und später equestrisches Zentrum der k.u.k. Armee, in Champagnerlaune versetzt. Der Anlaß: selbstverständlich das Johann-Strauß-Jahr, daran wollte auch der Marchfelder Schlösserverein in Coproduktion mit dem Historischen Museum der Stadt Wien als Veranstalter nicht vorbeigehen. Unter der bereits sprichwörtlichen Devise: "Alles Walzer", mit der die Nachfolger des erwähnten Vortänzers den Auf-takt zum allgemeinen Ballvergnügen geben.

Eine Schau, die kulturgeschichtlich sehr solide fundiert ist, weit in die Historie zurückgreift, bis zu den Ursprüngen des Drehtanzes, als dieser noch für sittenlos, ja orgiastisch galt, sodaß sich der schockierte Herzog von Devonshire zu dem Ausruf hinreißen ließ: "Niemals, niemals werde ich ein Mädchen heiraten, das Walzer tanzt!"

Natürlich muß man sich vorzustellen versuchen, wie die Leute anfangs im Kreis gestampft, gewalzt und gewalkt haben. Allerweil eins-zwei-drei, eins-zwei-drei, Juche! Keine Spur von jener Eleganz, zu der diesen Tanz dann Meister Strauß mit seinen genialsten Walzerkompositionen, die gleichsam seine Symphonien sind, vom Musikalischen her hochstilisierte.

Da sind wir freilich schon mittendrin im Goldenen Zeitalter der Ballkultur, als es dafür die Säle in allen Abstufungen der Ausstattung gab, vom vorstädtischen Vergnügungslokal über Gutbürgerliches, Patrizisches und Aristokratisches bis zur Hofoper als Schaulatz der Maskenredouten, ja bis zur Hofburg, mit der subtilen Unterscheidung zwischen dem familiär-dynastischen "Ball bei Hof" und dem Hofball, auf dem in erster Linie Repräsentationspflichten zu erfüllen waren. "Eigentlich eine gespreizte Sach'", meinte der selber sehr gemütliche Hofballmusikdirektor Carl Michael Ziehrer.

Wer, wie ich, den Fiakerball nur aus der Richard-Strauss-Oper "Arabella" kennt, kann sich darüber informieren, daß diese Remasuri bereits aus dem Jahr 1787 datierte und später als einziges Ballfest am Aschermittwoch stattfinden durfte, weil das Erträgnis für Witwen und Waisen bestimmt war, also karitativen Zwecken diente. Und wer weiß denn gleich, daß es Hans Makart war, der zu Beginn seiner Karriere die Dekorationen für die Gschnasfeste des Künstlerhauses schuf?

Violinen aus einem Himmel voller Geigen, Noten, Dokumente, Gemälde wie Anton Romakos voll Esprit mit dem Pinsel inszenierter Blick in einen Ringstraßensalon und Josef Engelharts anekdotisch-illustratives Genrebild just aus jener Sphäre, die dann Willi Forst in seinem Film "Maskerade" nachzeichnete - all dies bildet gleichsam die Umrahmung für den Hauptteil der Ausstellung, und der kommt aus der Modesammlung des Historischen Museums der Stadt Wien; ganz rare, erlesene Bestände, die sonst im Schloß Hetzendorf aufbewahrt und sorgsam gepflegt werden.

Immer wieder staunt man, wenn Hetzendorf seine Depots öffnet und was nun in SchloßHof gezeigt wird, ist ein kostümgeschichtlich sehr reizvoller Reigen festlicher Damenmode. Allerdings nicht im Lichterglanz eines Ballsaales präsentiert, sondern bei gedämpfter Beleuchtung, damit die empfindlichen Stücke nicht leiden, es sind ja lauter Originale, unversehrt und vollständig erhalten. Da gibt es ein pastellfarbenes Ballkleid von etwa 1820, nachklingendes Empire, im Stil "jungmädchenhaft und verspielt", so Regina Karner, Modesammlungsleiterin, die gemeinsam mit Reinhard Pohanka für das Ausstellungskonzept zeichnet.

Breite Streifen trug die Dame der Lanner-Zeit auch zum Tanz, Toiletten, die nach 1900 en vogue waren, verbreiten die Atmosphäre von Konversationskomödien. Unwillkürlich denkt man: Josefstadt! Molnars "Olympia" und "Der Schwan"! Im Kontrast dazu: lose Taille, Länge nur bis unters Knie, Glitzereffekte des Stoffs, Stirnband mit Federtuff - wie direkt aus dem Stummfilm, anno 1925 geschneidert. Dann noble und raffinierte Creationen Fred Adlmüllers, sartorische Cimelien für den Opernball, von prominenten Trägerinnen nun leihgegeben, damit modisch interessierte TV-Zaungäste des "Balls der Bälle" jedes Modell aus der Nähe und eingehend betrachten können.

In einer Vitrine Placido Domingos Opernball-Frack. Pardon, er sieht genauso aus, wie andere Fracks Erster Güte, nur daß er eben die tenorale Heldenbrust deckte. Das verleiht ihm für Fans eine Aura. Ja, und was soll man denn über den Opernball sagen, ohne schon oft Ausgesprochenes und Geschriebenes zu paraphrasieren? Lassen wir getrost dem Grandseigneur Gregor von Rezzori das Wort, der verstand sich bestens darauf: "Der Klang des Namens ,Wiener Opernball' muß die hinreißende Vorstellung von Walzerkaskaden enthalten, von feurig ins Goldlicht des Ballsaals stochernden Fiedelbögen, von wirbelnden Tanzpaaren mit glückseligkeitsverglasten Augen, rauschenden Roben und funkelnden Diademen."

Schloßhof, Niederösterreich. Bis 1. November. Di.-So. u. F., 10-17 Uhr. Auskünfte: 01/ 33 1000

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung