6589511-1952_16_10.jpg
Digital In Arbeit

Chinesisch-christliche Malerei

19451960198020002020

Ars sacra Pekinensis. Von Fritz Boruemann S. V. D. Drude und Verlag: Missionsdruckerei St. Gabriel, Mödling bei Wien

19451960198020002020

Ars sacra Pekinensis. Von Fritz Boruemann S. V. D. Drude und Verlag: Missionsdruckerei St. Gabriel, Mödling bei Wien

Werbung
Werbung
Werbung

Die raumverschlingenden Verkehrsmittel der neuesten Zeit, welche selbst größte Entfernungen zusammenschrumpfen lassen, die entlegensten Völker näher aneinander rücken sowie die nivellierende Macht der Technik, schließlich das erwachende Selbstbewußtsein der außereuropäischen Völker stellen die Anwälte der Katholizität der Kirche, die S. Congregatio fidei, vor völlig neue Aufgaben auch auf dem Gebiete der religiösen Kunst. Die zeitgemäßen Missionsmethoden verlangen nicht nur die Ausbildung eines heimischen Klerus, sondern auch die einer national gearteten Kunst. Der bisherige Import abendländischer Bilder soll nach und nach ersetzt werden durch Erzeugnisse heimischer Künstler. Der wehmütige, mißtrauische Ausruf eines chinesischen Knaben, des späteren berühmten Malers Lu Hung Nien, dem ein abendländisches Bild des guten Hirten gezeigt wird: „Der Heiland segnet nur europäische Kinder. Wenn ich einmal groß bin, dann will ich ihn malen, wie er auch chinesische Kinder segnet“, soll sich berechtigterweise in Zukunft in einer verchristKcht chinesischen Kunst nicht wiederholen.

Die große Ausstellung: „Kunst in den Missionen“, die im Heiligen Jahre 1950 eröffnet wurde, gab eine große Übersicht über die Leistungen der einzelnen außereuropäischen christlichen Künstler und stellte damit unter Beweis, daß die katholische Kirche auch in dieser Hinsicht sehr wohl die Zeichen und Forderungen unserer Gegenwart versteht. China im besonderen ist altes Missionsgebiet. Schon am Hofe Kubilais waren christliche Missionäre tätig. Im 17. Jahrhundert entfalteten Jesuiten und andere Ordensgemeinschaften zeitweise eine segensreiche Tätigkeit. Dem Entstehen einer nationalen ostasiatischen christlichen Kunst kommt es sehr zugute, daß auch die Profankunst dieser Länder anaturalistisch, expressiv psychisch eingestellt ist. Es ist aber bei dem an sich wohl begründeten Bestreben, die nationale Eigenart dieser Völker mehr als bisher zu berücksichtigen, darauf zu achten, daß darüber nicht die übernationale katholische Idee etwa Schaden leide, wie dies C. Constantini, der rührigste und erfolgreichste Vertreter dieser Kunst, bei Eröffnung der genannten Ausstellung in die Worte kleidete: „Nicht die christliche Idee soll sich der nationalen Kunst unterordnen, sondern es soll umgekehrt die nationale Kunst in den Dienst der christlichen Idee gestellt werden.“ In diesem Sinne betätigt sich in vorderster Linie die katholische Universität in Peking, die seit 1933 der Steyler Gesellschaft vom göttlichen Wort (S. V, D.) anvertrant ist, zielbewußt, mit Überwindung vieler Hemmungen. Die Verbindung dieser Hochschule mit einer Kunstakademie vorwiegend für allgemeine chinesische Malerei geht allerdings schon bis 1930 zurück. Die Errichtung einer eigenen Abteilung’ für christliche Malerei ist zwar geplant, bis jetzt aber noch nicht verwirklicht. Die erste Sorge war es nun, tüchtige Kräfte für die große Aufgabe zu gewinnen. Es war ein weitreichender Entschluß Constantinis, den schon berühmten Ch’en Yuan Tu an die Akademie zu verpflichten, obwohl er nicht getauft war. Gar bald aber wurde aus dem Maler christlicher Bilder ein christlicher Maler, der bezeichnenderweise den Namen Lucas annahm. Er ist seither die Seele des christlichen Kunstschaffens in China und wird von seinen Schülern als ihr Altmeister hoch verehrt. Anfangs waren die Auftraggeber und Abnehmer dieses Künstlerkreises fast ausschließlich Europäer, bald aber fanden durch Vermittlung der Missionsschulen, opferbereiter Verleger und durch ständig wiederholte Ausstellungen ihre Werke auch Eingang im chinesischen Volk. Am beliebtesten und originellsten sind die Themen mit Darstellung der Madonna und aus der Kindheit Jesu. Begreiflich, denn die sehr familiär denkende chinesische Volksseele hatte schon längst dem Pantheon des indischen Buddhismus die liebliche Gestalt der Kuan-yin, der Mutter des Erbarmens, beigesellt und auch Constantini ist durch eine solche Darstellung auf Ch’en Yuan Tu au’merksam geworden. Die Kindheitsgeschichte Jesu gibt wieder viele Möglichkeiten für die in China so verbreitete Landschaftsmalerei. Selten sind Darstellungen aus der Passion, da dem Vorstellungskreis der Chinesen solche Themen wenig liegen. Gelegentlich sind dem Evangelium Inhalte entnommen, die bisher von der abendländischen Kunst völlig übersehen wurden, zum Beispiel das Opfer der Witwe.

Das Buch bringt Proben von sieben Künstlern mit kurzen biographischen Angaben. Die Auswahl wurde von den Künstlern selbst getroffen. Die Gestalten Christi und Mariens nähern sich am meisten dem europäischen Typ; es ist dieselbe ehrfurchtsvolle Distanzhaltung, mit der sie abendländische Künstler, zum Beispiel noch Uhde, durch Idealkleidung aus der Reihe realistischer volkstümlicher Nebenfiguren herausheben. Die Reproduktion der zehn mehrfarbigen und über zweihundert einfarbigen Bildtafeln kann auch den verwöhntesten Ansprüchen genügen, will aber nur eine Auswahl und keine eigentliche Geschichte der christlich-chinesischen Kunst geben, wofür Sepp Schüllers Werk: Geschichte der christlichen Kunst in China, Berlin 1940, heranzuziehen wäre. Die monumentale Veröffentlichung wird sehr dazu beitragen, das Verständnis für christlich-chinesische Kunst auch in Europa zu wecken und zu vertiefen.

Univ.-Prof. Dr. A. Weißenhofer

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung