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Christliche Kunst aus 13 Ländern

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Mit der festlichen Weihe der drei neuen Bronzetore des Salzburger Domes durch Erz-bischof Rohracher wurde in Salzburg die I. Biennale christlicher Kunst der Gegenwart eröffnet. Damit“ ist ein Projekt Wirklichkeit geworden, das von vielen erhofft und von einigen wenigen — dem Kreis um Universitätsprofessor P. Dr. Thomas Michels und den Bildhauer Prof. Toni Schneider-Manzell — in die Tat umgesetzt wurde. Die christliche Kunst unserer Zeit, die vom konventionellen Kitsch bis zum rasch konventionell gewordenen Ta-chismus die verschiedenartigsten, nicht immer angenehmen Gesichter besitzt, hat damit ein Zentrum bekommen. Das ist ein Ereignis von historischer Bedeutung. Mögen die Wirkungen segensreich sein für die moderne kirchliche Kunst 1

Man darf freilich von der ersten Biennaleausstellung' keine Wunder erwarten. Die Veranstalter besitzen keinen Zauberstab, mit dem sie alles, was ihnen zur Ausstellung gesandt wird, in Kunst verwandeln können. Solange es darum geht, der Biennale den Boden zu bereiten und möglichst viele Länder an einer starken Beteiligung in Salzburg zu interessieren, kann noch keine Auswahl einsetzen, die erbarmungslos zurückweist, was zu leicht befunden wird. Diese strenge Auswahl allerdings, und nur sie, ist die Sinngebung einer Biennale christlicher Kunst. Aber von der ersten (oder auch zweiten) Biennale zu verlangen, daß sie nur vortreffliche — oder sagen' wir bloß: wahrhaftige — Zeugnisse christlicher Kunst zeige, hieße die Schwierigkeiten übersehen, die es zu überwinden gilt, ehe eine so große Sache auf die Beine gestellt ist. Wer das nicht einsieht, ist einfach ungerecht.

Das Direktorium der Biennale ist sich der Aufgabe, auf die christliche Kunst unserer Gegenwart im wahren Wortsinne maßgebend zu wirken, vollkommen bewußt. Es plant die Errichtung eines Instituts christlicher Kunst in Salzburg, um so die Biennale zu unterstützen und ihre Kontinuität zu sichern. Dieses Institut wird das in Salzburg angesammelte Material sichten, wissenschaftlich erfassen und werten. Daneben wird an die Einrichtung einer „christlichen Bauhütte“ gedacht, einer ständigen internationalen Werkgemeinschaft, die ganz von der Praxis der Architektur, des Bauens und Gestaltens bestimmt sein soll. Man sieht: Großes ist hier im Werden. Wenn nicht alles trügt, wird Salzburg über kurz oder lang der christlichen Kunst das sein, was diese so dringend braucht: eine Instanz, ein Ort der Begegnung von Kunst und Kirche.

Vergleichen wir die I. Salzburger Biennale mit ihrer Vorläuferin, der „Internationalen Ausstellung kirchlicher Kunst der Gegenwart“, die hier 1956 stattgefunden hat. An der Ausstellung 1956 waren zehn europäische Länder und die USA beteiligt, letztere nur sehr schwach. Heuer sind Italien und Kanada neu hinzugekommen, die USA sind bedeutend stärker vertreten. 1956 wurden 270 Werke von 135 Künstlern gezeigt, heuer sind es 440 Werke von 268 Künstlern; als Ausstellungsräumlichkeiten dienen jetzt alle acht Oratorien des Salzburger Domes, so daß einem weiteren Wachstum der Biennale Grenzen gesetzt sind. Aber das schadet nichts; denn die Biennale soll auf die Dauer ja nicht in die Breite wachsen, sondern an Tiefe gewinnen; nicht ihr Umfang zählt, sondern ihr Gehalt. So wird es in Hinkunft wohl günstiger sein, die Zahl der teilnehmenden Künstler auf etwa 50 oder 100 zu beschränken, die dann alle aber viel eingehender vorgestellt werden könnten.

Der Beitrag der einzelnen Länder ist in seinem Wert sehr unterschiedlich. Was die nordischen Länder zu zeigen haben, ist eher enttäuschend. Dagegen strömen die Arbeiten der Spanier, ob es sich nun um Kunstwerke oder Kultgegenstände handelt, eine warme Frömmigkeit aus. Der wesentlichste Beitrag kommt hier von

Joaquin Vaquero-Turcios, auf dessen Graphik wir schon 1956 aufmerksam wurden. Doppelt interessant ist der Beitrag Italiens; hier sind es die kühnen und konsequenten Architekturentwürfe von Luigi Figini, Gino Pollini, Enea Manfredini und Giuseppe Vaccaro, die als beispielhaft für den modernen Kirchenbau gelten dürfen, und die Plastiken Marcello Mascherinis, die uns besonders zu fesseln vermögen. Neben Mascherini tritt ein zweiter berühmter italienischer Skulpteur hervor: Giacomo Manzü. Zwar hat er keinen seiner bekannten „Kardinäle“ nach Salzburg gesandt; mit dem von ihm geschaffenen Mitteltor des Domes, dessen Thema die Liebe ist, wird er aber für alle Zeit mit Salzburg verbunden bleiben. Wein und Brot, symbolisiert als Trauben und Weizenähren, sind die Torgriffe. Um diese Mitte stehen, gleichmäßig verteilt, vier Figurengruppen: Heilige der Gottes- und Nächstenliebe.

England, 1956 vertreten durch eine Madonna Henry Moores, zeigt diesmal ein anderes bedeutendes Werk eines großen Künstlers: das Gemälde „Kreuzigung“ von Graham Suther-land. Dazu (im Photo) den Wandteppich, den Sutherland für den Dom St. Michael in Coventry geschaffen hat. Die Plastik ist durch Georg Ehrlich, die Architektur durch Basil Spence (den Schöpfer von St. Michael) ausgezeichnet vertreten. Freilich wäre es günstig, von modernen Kirchenbauten nicht nur Photos, sondern auch Pläne und, wenn möglich, Modelle zu zeigen. Frankreich, das 1956 von Le Corbu-sier, Fernand Leger, Alfred Manessier, Henri Matisse und Georges Rouault repräsentiert wurde, hat heuer nicht eine solche Fülle erlauchter Namen aufzuweisen; zwei Photos von Mosaiken Jean Bazaines und Georges Braques, ein Photo einer zeltartigen Kirche von Lopez sind diesmal die Höhepunkte.

Und was zeigt Oesterreich? Einige sehr schöne Glasfenster (mit die schönsten der ganzen Biennale) von Margret Bilger und Lydia Rop-poltj zwei Architekturentwürfe von Weltrang: die Projekte für die Matzleinsdorfer Pfarrkirche von der Arbeitsgruppe 4 in Wien und von den Architekten Johann Georg Gsteu und Friedrich Achleitner. Von bekannten Architekten der älteren Generation sind vor allem Clemens Holzmeister und Karl Raimund Lorenz zu nennen. Im Mittelpunkt der österreichischen Ausstellung steht der berühmte (dreiteilige) Flügelaltar von Herbert Boeckl. Daneben wird sein Gemälde ..Dominikaner“ gezeigt und, im Photo, das Seckauer Fresko, eine der bedeutendsten Manifestationen der christlichen Kunst im 20. Jahrhundert. Von Rudolf Kol-bitsch sind ausdrucksstarke Eisenradierungen und Lithos zu erwähnen, von Veronika Malata ein naiv ansprechender Wandbehang, von Josef Mikl die geometrisch-schlichte Kasel, eine Leihgabe der beispielhaften Pfarrkirche in Salzburg-Parsch. Bleibt noch der Beitrag Toni Schneider-Manzells zu würdigen: das linke Bronzetor des Doms, das dem Glauben gewidmet ist. In der Mitte des Tores, über dem Kreuz vor vertieftem Hintergrund, das das Tor öffnet, Paulus, kniend im Feld der Gnade, sich für den Glauben an Christus entscheidend. i

Noch hat die Biennale kein profiliertes Gesicht und, was schwerer wiegt, kein einheitliches Niveau. Neben Kunstwerken steht der Kitsch. Man gewinnt den Eindruck, daß die Veranstalter dies sehr wohl wissen, sich aber noch nicht stark genug fühlen, ihre Intentionen restlos zu realisieren. So haben sie sich im mustergültig betreuten Katalog ein Regulativ geschaffen: durch die Auswahl der Tafelbilder, die als beispielhaft angesehen werden kann, und durch die Textbeiträge. Unter diesen fällt der des evangelischen Pfarrers Walter Nigg durch seine noble Diktion und Gedankentiefe besonders auf; seine entschiedene Verurteilung des „christlichen“ Kitsches ist ohne Zweifel den Veranstaltern aus der Seele gesprochen und wird für die kommenden Veranstaltungen wegweisend sein.

Für diese möchten wir nach allem schon Gesagten noch zwei Anregungen geben: zum ersten die Hereinnahme des europäischen Ostens. Er darf nicht vergessen werden. Gibt es in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang noch eine christliche Kunst? Wie sieht sie aus? Ist sie in den Jahren der Isolierung verkümmert oder durch Selbstbesinnung gewachsen?

Zum zweiten: Es wird günstig sein, wenn, beginnend mit der zweiten oder dritten Biennale, jede unter ein einheitliches Thema gestellt wird. Durch die Konzentration auf einen Gesichtspunkt wird sich viel eher eine Vertiefung erreichen lassen als durch; eine inhaltlich nicht begrenzte Musterschau. Als erstes Thema würden wir vorschlagen: .Glasfenster und Altarbilder; ein zweites könnte laufen: die Plastik in der Kirche. — Dann könnte auch an die Stiftung repräsentativer Preise gedacht werden.

Der Anfang ist gemacht, der Gedanke einer Biennale neuer christlicher Kunst hat sich durchgesetzt. Noch ist nicht alles so, wie es sein sollte. Noch steht, am Ende des Katalogs, die einschränkende Bemerkung: „Die Ausstellung dieser Werke in der I. Biennale christlicher Kunst bedeutet nicht die Approbation durch die Kirche.“ Wenn dieser Satz einmal lauten wird: „Die Ausstellung dieser Werke bedeutet eine Empfehlung a n die Kirche“, dann ist der Sinn der Biennale erfüllt. Wenn die Auswahl jene Unbedingtheit erreicht hat, daß sich die Veranstalter vorbehaltlos mit ihr identifizieren können — dann ist die Salzburger Biennale eine echte Instanz christlicher Kunst der Gegenwart geworden.

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