Das berühmte Blau ist allgegenwärtig

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Nach Mauritius, der paradiesischen Insel im Indischen Ozean, fahren Touristen nicht nur wegen der weltberühmten Briefmarke. Die "Two Penny Blue" und die "One Penny Red" werden allerdings wie ein Staatsschatz gehütet.

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Nach Mauritius, der paradiesischen Insel im Indischen Ozean, fahren Touristen nicht nur wegen der weltberühmten Briefmarke. Die "Two Penny Blue" und die "One Penny Red" werden allerdings wie ein Staatsschatz gehütet.

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Ja, die würden meine Kollegen und ich alle gerne einmal sehen", lächelt Marja, Reiseführerin auf Mauritius, leicht verlegen, als beim Rundgang durch die Inselhauptstadt Port Louis die Frage auftaucht, in welchem Museum man nun den Traum aller Philatelisten, die "blaue Mauritius", bestaunen könne. Gleich vorweg: Die "Two Penny Blue" und die "One Penny Red" werden wie ein Staatsschatz gehütet und somit scheidet das Inselparadies wohl als Ziel für den Vereinsausflug des Briefmarkensammlerclubs aus.

Nun, Mauritius ist dank dem raren Postwertzeichen zwar in aller Munde, es braucht allerdings schon etwas Geduld, um die Insel, die halb so groß wie Vorarlberg ist, auf dem Globus zu finden - 3.000 Kilometer östlich von Afrika im Indischen Ozean.

Vielfältig wie die Geschichte selbst - 1505 entdeckte der Portugiese Pedro Mascarenha als erster Europäer die Insel. Ihm folgten die Holländer (1638 - 1710) und die Franzosen (1715 -1810), ehe sie 1814 durch den Pariser Vertrag Großbritannien zugesprochen wurde. 1968 wurde Mauritius unabhängig und ist seit 1992 Republik. Heute präsentiert sich die Insel in vielen Facetten. Ein Korallenriff beeindruckt ebenso wie Berge und Gebirgszüge vulkanischen Ursprungs.

Die rund eine Million Bewohner sind Mauritianer, Kreolen, Afrikaner, Europäer und Asiaten. Und selbst beim Essen setzt sich die Vielfalt fort: indisch, chinesisch, französisch, afrikanisch sowie kreolisch mit Fisch, Wild, Gemüse, frischen Gewürzen und dem mit "Carri Nr. 2" umschriebenen Affenfleisch.

Marja wird unterdes nicht müde, die Schönheiten der Insel zu beschreiben. Da wäre der tägliche Markt im Herzen von Port Louis, mit einem überbordenen Angebot an Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Heilkräutern, Kunsthandwerk, gefälschter Markenbekleidung, billigen T-Shirts und, und, und ...

Von den herrschaftlichen Villen aus Edelhölzern am natürlichen Hafen ist allerdings kaum mehr etwas zu sehen. Vielmehr dominiert ein Gewirr von viel zu schmalen und schmutzigen Straßen und Baustellen. Und überhaupt, "die Briefmarke" war es, die man sehen wollte.

Im sicheren Safe Marja gibt nach. Auf zur Mauritius Commercial Bank inmitten der Stadt. Dort angekommen scheint der Bankangestellte mit dem Wunsch der Touristen vertraut zu sein. Nein, eine "Privataudienz" bei den einzigen ungestempelten Exemplaren könnne er nicht erlauben. Die lagern in einem Safe mit kontrollierter Luftfeuchtigkeit, vertrügen nur gedämpftes Licht. Vor allem müsse aber der gesamte Aufsichtsrat einem Besuch zustimmen, die Alarmanlage abgeschaltet werden und der Bankdirektor und sein Stellvertreter zugegen sein. Denn nur die Schlüssel beider öffnen die Tür zum Staatsschatz. Also tatsächlich "Nein".

Eine Broschüre über die Marke gibt es als Trost und dazu die Erklärung, warum es denn so kompliziert sei, die Marken zu sehen: Erst seit sechs Jahren befindet sich das berühmteste Briefmarkenpaar der Welt wieder dort, wo es herkommt. Ein privates Konsortium hat es für 20 Millionen Schilling auf einer Auktion in Zürich ersteigert und heim auf die Insel geholt. 150 Jahre zuvor war es ein Fehler des Graveurs Joseph Osmond Barnard, der der Marke zu ungeahnter Popularität verhalf. Er hatte nämlich anstatt "Post Paid" "Post Office" auf die Kupferplatte graviert. 300 Stück wurden damals verkauft, ehe man den Fehler bemerkte. Zudem war darauf das Abbild der Queen zu sehen, was viele der patriotischen Franzosen auf der Insel dazu veranlaßte, die Briefe samt Marken zu verbrennen. So kam es, daß es von der "Roten Mauritius" nur mehr ein ungestempeltes Exemplar und der "Blauen Mauritius" nur noch zwei Stück ohne Poststempel gibt. Auch verträgt das Papier von damals kein Licht.

Ein echter Briefmarkenfan hortet auch die eigene Sammlung wie seinen Augapfel und so keimt ein wenig Verständnis für die strengen Maßnahmen der Bank auf. Einigermaßen versöhnt will man nun das kennenlernen, was die Tourismusprospekte versprechen.

Die Briefmarke bleibt, wo sie ist, aber das Blau ist allgegenwärtig. Himmelblau und dazu das klare Wasser der Lagunen, das als wärmstes Meerwasser der Welt bekannt ist und seine Farbe vom hellstem Türkis bis zum kräftigem Indigoblau wechselt, makelloser, feiner Sandstrand und tatsächlich - abseits der Hotels - endlose, menschenleere Strände.

Im Landesinneren fasziniert der "Pamplemousses" Park. Er ist einer der ältesten botanischen Gärten der Welt, dessen Star, die "Victoria Regina", eine seltene Seerose deren Blätter einen Durchmesser bis zu einem Meter erreichen, ist. Sie darf auf keinem Urlaubsvideo fehlen.

Eine Fahrt entlang endloser Zuckerrohrfelder, durch herrliche Kolonialstädte wie Mahebourg, eine Wanderung auf dem 828 Meter hohen Piton de la Petite, dem höchsten Berg der Insel, oder zum Hochseefischen und Tauchen.

Man kann sich gut vorstellen, daß das Wort "Paradies" hier seinen Ursprung hat. Wenngleich auch die, die es suchen, mittlerweile in Scharen kommen. Waren es 1968 erst rund 15.000 Touristen, hat man in den letzten Jahren die Millionengrenze überschritten. Riesige Bettenburgen, wenn auch mit Stil gebaut, sind die Folge. Viele dieser Hotelanlagen liegen so isoliert, daß man in der näheren Umgebung keine Abwechslung findet.

Hohes Preisniveau Wer außerhalb des Hotels essen will, muß im Durchschnitt eine Stunde Autofahrt in Kauf nehmen. Dennoch, es zahlt sich aus. Viele Restaurants in den kleinen Ortschaften bieten herrliche Fisch- und Wildgerichte, die sich auch sehr deutlich vom allgemein sehr hohen Preisniveau in den Hotels abheben.

Zurück zum Hotel. Die Ansichtskarte in die ferne Heimat darf nicht fehlen. Schnell vor der Abreise noch an der Hotelrezeption abgeben. "No stamps required", "keine Briefmarke nötig", erklärt die mandeläugige Rezeptionistin und drückt den bunten Urlaubsgrüßen einen Stempel "Post paid" ins rechte, obere Eck. Nichts, nein nichts soll hier an die unnahbare "Blaue Mauritius" erinnern. Was soll's, die kalten Wintertage, wo man im Wohnzimmer mit der Lupe über dem Briefmarkenalbum hockt, kommen sowieso schnell genug wieder. Und ein Urlaub auf dem Inselparadies ist trotz hoher Preise noch allemal erschwinglicher als dieses kleine Stück Papier, das ohnehin nur ein unerfüllter Traum von Millionen Philatelisten rund um den Globus bleibt.

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