6760469-1968_13_14.jpg
Digital In Arbeit

Das Denkmal

Werbung
Werbung
Werbung

VOR 50 JAHREN, kurz nachdem er von einer Reise nach Rumänien zurückgekehrt war, ist Gustav Klimt in Wien gestorben. Im gleichen Unheilsjahr 1918 wie Egon Schiele, Otto Wagner, Kolo Moser und Ferdinand Hodler. Zu seinen Lebzeiten war er eine „lokale Größe“, insofern, als er Schlagzeilen in den Zeitungen machte. Von den Kunstschriftstellern des Auslandes wurde er bis vor kurzem kaum zur Kenntnis genommen. Wie Schiele, wie Faistauer, wie Gerstl und einige andere. Erst innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte hat sich das ein wenig zum Besseren gewendet. Aber auch 50 Jahre nach Klimts Tod bedeutete die Errichtung eines Denkmals für ihn und seine Kunst ein Risiko, und zwar kein geringes.

DER DIESES RISIKO auf sich nahm, heißt Friedrich Welz: Kunstkenner, Sammler, Mäzen, Kunsthändler und Herausgeber des 423 Seiten umfassenden Monumentalwerks „Gustav Klimt“. Es beinhaltet, neben dem Textteil,

160 Tafeln der Gemälde, davon 30 in vielfarbigem Lichtdruck mit Gold und Silber, 58 ganzseitig reproduzierte Zeichnungen und 222 Abbildungen des Oeuvre-Katalogs in Buchdruck. Das Format (30 mal 30 cm) entspricht der von Klimt bevorzugten quadratischen Bildform. Unter der Leitung von Friedrich Welz waren mehrere angesehene Firmen am Werk, um einem der bedeutendsten Maler Österreichs und der Jahrhundertwende ein würdiges Denkmal zu errichten, dessen äußere Gestaltung der Verleger Welz in seiner Eigenschaft als Herausgeber selbst betreute.

IN UNIV.-PROF. DR. FRITZ NOVOTNY gewann er den prominentesten Experten und den bestmöglichen Interpreten von Klimts malerischem Werk. Seine in sieben Kapitel gegliederte Einführung auf knapp 100 Seiten, einschließlich der eingefügten Illustrationen, ist großartig, das heißt: von großer Art. Das Werk Klimts wird von Fritz Novotny stets als Ganzes gesehen und einem größeren Ganzen, der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte des späten 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, eingegliedert. Die Interpretation der einzelnen Bilder basiert auf der genauen Kenntnis unendlich vieler „kleiner“ Fakten sowie auf Einsichten sowohl ins Private wie ins Handwerkliche. Die Interpretation ist im besten Sinn „einfühlsam“, auch wo Gefahren und Schwächen aufgezeigt werden, wie etwa bei der Besprechung des berühmten Bildes „Der Kuß“ oder bei einigen Landschaf tsbildern. Der nebenstehende Beitrag ist dem neuen Klimt-Buch entnommen.

VON ALLEM ANFANG AN wird der Leser und Betrachter auf das Spannungsverhältnis zwischen Naturalismus und Stilisierung im Werk Klimt hingewiesen. Darstellung des Sichtbaren und Verbildlichung des Übersinnlichen: hier führen die Analysen Novotnys bis tief ins 19. Jahrhundert, und man könnte sie bis zu den Anfängen der Kunst zurückverfolgen. Man mag der ersteren den Vorzug geben, aber „um Ideenkunst ging es diesem Maler von Anfang bis ans Ende“. Und dies trotz der schwelgerischen Buntheit, dem heiterfestlichen Charakter so vieler Bilder, trotz aller Raffiniertheit des Zierrats, Von der gleichen Einfühlsamkeit zeugt Novotnys Hinweis auf das Elegisch-Weiche, das Unsentimental-Zärtliche der Klimtschen Frauenporträts und seiner mimosenhaften Kinderbildnisse. Es gibt kaum Männerporträts, kaum Männerakte von Klimt. Die von ihm gemalten Damen der Wiener Gesellschaft haben etwas von der Pracht exotischer Vögel in goldenen Käfigen. Im Prunk des Ornaments sahen sie ihren Drang zu extravaganter Vornehmheit befriedigt, die sensibleren mochten in den Händen und Gesichtern ihr Seelenporträt finden. So konnten alle zufrieden sein. — Bemerkenswert ist auch, daß Klimts Erotik jedes karikierenden oder grimmassierenden Zuges entbehrt, sondern im Grunde, bei aller Anmut, ernst wirkt. Ernst und heiter. Das gibt es selten. . .

DEN KATALOGTEIL, etwa 100 Seiten, eine ausführliche Biographie (S. 379 bis 392) nebst Bibliographie und Register hat ein Schüler und Mitarbeiter Prof. Novotnys, der aus Budapest gebürtige Dr. Johannes D ob ai, in den Jahren 1957 bis 1967 erarbeitet. Diese immense Leistung zu würdigen, bedürfte es einer eigenen Abhandlung. Zwei größere Stipendien haben diese Studien und Nachforschungen ermöglicht. Die ersten 87 Abbildungen des Oeuvre-Katalogs (von 222) zeigen viel Unbekanntes. Sechzehn große Gemälde sind in Schloß Immendorf in Niederösterreich, einem Bergungsdepot des Denkmalamtes, kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee verbrannt, und zwar verbrannt worden, darunter so einzigartige Meisterwerke wie „Maloesine“, „Wally“, „Die Freundinnen“, „Leda“ und „Gartenweg mit Hühnern“. Verloren für immer

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung