Das Erbe der Goldenen Horde

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Er war Herrscher über das größte Reich, das je in der Lebensspanne eines einzelnen Menschen entstanden ist, unterwarf die mächtigsten Kulturstaaten Asiens und drang bis nach Europa vor. Nun widmet die Kunsthalle Leoben Dschingis Khan und seiner Horde eine eigene Ausstellung .

Dschingis Khan ... bei diesem Namen denkt man an Reiterhorden von unvorstellbarer Grausamkeit, bar jeder Kultur. Eine Ausstellung im Kunsthaus Leoben bringt nun anhand von Objekten aus der Eremitage St. Petersburg ein differenzierteres Bild von jenem asiatischen Volk der Mongolen, das einst eines der größten Reiche der Weltgeschichte errichtete und beherrschte. Dschingis Khan selbst hatte nur wenig damit zu tun. Er machte sich anfangs des 13.Jahrhunderts zum Großkhan aller Mongolen, residierte im Karakorum und dehnte sein Reich bis zum Indus, nach Nordchina und an die Wolga aus. Zwei Eigenheiten bestimmten seine militärische Übermacht: Das Heer war straff organisiert, die einzelnen Führer standen in einer hierarchischen Ordnung, und diese Männer auf ihren kleinen, zähen Pferden waren ihren Feinden als Reiter überlegen. Sie hatten nämlich den Steigbügel erfunden, der es ihnen erlaubte, sich im Sattel zu drehen und die Verfolger mit einem nach hinten gerichteten Pfeilhagel einzudecken. Wie alle anderen Eroberer plünderten auch die Mongolen Dörfer und Städte, aber das langfristige Ziel der Eroberungen waren tributpflichtige Länder. Plündern kann man nur einmal, Tribute einheben ist ein Dauereinkommen. Nach dem Tod Dschingis Khans dehnten seine Nachkommen das Reich bis nach Europa aus. Sein Sohn Dschutschi gründete die Goldene Horde, sein Enkel Batu eroberte und zerstörte Kiew . Nur die Sophienkathedrale, das St.Michaels-Kloster und das Goldene Tor blieben damals erhalten, wenn auch schwer beschädigt. Ein Jahr später, 1241, siegte Batu bei Liegnitz über ein deutsches Ritterheer und schlug König Béla von Ungarn im Tal der Theiß. Europas Schicksal schien besiegelt, doch im Osten, im Gebiet der Wolga starb der Großkhan, Batu zog sich zurück.

Im 13. Jahrhundert kam die Kunde von der Schreckensherrschaft der Tartaren, wie die Mongolen in lateinischer Sprache genannt und oft als Menschenfresser dargestellt wurden, nach Europa. Aber wie die Weltgeschichte so oft gezeigt hat, ein Riesenreich hat auf Dauer keinen Bestand. In Russland eroberte Iwan IV., "der Schreckliche", Kazan und Astrachan, im Mongolenreich selbst kam es zu Nachfolgekämpfen. Timur, genannt der "eiserne Krüppel", besiegte die Goldene Horde. Er war kein direkter Nachkomme des Stammvaters Dchingis Khan, er war nur durch seine Frau mit ihm verschwägert. Seine Nachkommen wiederum waren kaum kriegerisch. Ihr Reich zerfiel, doch ihre Kultur blieb erhalten. Auch Timur selbst ist in die Kunst eingegangen: Als "Tamerlan" ist er der Held einer Oper von Händel, die 1724 in London Premiere hatte und heute noch gespielt wird.

Nicht unbedingt kulturlos

Jahrhundertelang waren die Tataren ein Symbol für Barbarei, Grausamkeit und das Fehlen jeder Kultur. Mit Peter dem Großen kam die Wende. Russische Bauern, die in Sibirien angesiedelt worden waren, plünderten Hügelgräber. Fürst Gagarin, Gouverneur der Provinz, sammelte die Grabbeigaben und schickte sie an den Zaren für seine Kunstkammer. Ein Jahrhundert später entdeckten Archäologen an dieser Stelle Sarai, die erste Hauptstadt der Goldenen Horde. Anfang des 19. Jahrhunderts begann die systematische Erforschung von deren Reich und Kunstschätzen.

Eines der wichtigsten Relikte ist die sogenannte "Gürtelschale", ein charakteristischer Gegenstand der mongolischen Reiterkultur. Aus Gold oder Silber gefertigt, manchmal glatt, manchmal verziert, mit Henkeln in phantasievollen Formen, erinnern sie an die Reiter, die ihr Trinkgefäß mit sich führten. 1886 wurde auf der Krim ein Schatz von Schmuckstücken und Münzen aus dem 13. Jahrhundert gefunden. Einige der Schmuckstücke zeigen schon den Geschmack einer städtischen Bevölkerung. Platten aus vergoldetem Silber sind auf einem Gürtel aus weißem Leder befestigt, Drachen und Fische sind halbplastisch dargestellt, eine Platte zeigt noch das Wappen des Hauses Batu. Ganz von der Funktion her bestimmt und damit von zeitloser Eleganz ist ein Kamm mit seinem Etui aus vergoldetem Silber aus dem 14. Jahrhundert. Schon etwas älter ist der Vorläufer unseres Diplomatenpasses; die "Paitza": Ein rechteckiges, 30 cm langes Silberplättchen mit der Inschrift "Mit der Kraft des ewigen Himmels sei der Name des Khans heilig. Wer dies nicht befolgt, wird getötet." Solche Plättchen wurden den Beamten auf ihren Missionen mitgegeben.

Diamonds are a girl's ...

In jeder Kultur findet man schon früh Schmuckstücke, auch für die Frauen der Goldenen Horde. Armreifen aus massivem Gold, mit eingravierten Verzierungen wurden den Damen ins Grab mitgegeben. Ohrgehänge bestehen aus hohlen goldenen Kugeln, mit Golddraht zusammengehalten oder geformt wie eine Blüte, vielleicht eine Chrysantheme. Schuhschnallen könnten von heute sein, ihre Funktion bestimmt auch hier die Form. Ein besonderer Luxus aber waren goldene Knöpfe, eiförmig, hohl und durchbrochen. Waren sie auf das Kleid der Dame aufgenäht, oder hatten sie tatsächlich die Aufgabe von Verschlüssen? Wir haben kein Bild einer Frau im Prunkkleid.

Geradezu an das europäische Rokoko erinnern Teile von Gürteln: Aus vergoldetem Silber gegossen und geprägt, zeigen sie verspielte Ornamente von hoher handwerklicher Meisterschaft und raffiniertem Geschmack. Ein Meisterstück besonderer Art ist eine Rosette aus Goldfiligran. Nur etwas über fünf cm Durchmesser hat dieses zarte Gebilde. An dünnen Spiralen sind Blätter aus Gold oder Karneolen befestigt. Vielleicht wurde dieses Schmuckstück auf dem Stoff eines Gewandes befestigt, die verspielte Form weist auf ein Damenkleid hin.

Die Soldaten der Goldenen Horde waren mit Schwertern und Säbeln bewaffnet. Ein solcher Fund trägt eine arabische Inschrift mit dem Namen Muhammed Usbeke. Sie ruft in Erinnerung, dass die Angehörigen der Goldenen Horde den Islam angenommen hatten. Das erinnert aber auch daran, dass sie in Europa als Verbreiter des Islam gefürchtet waren, eine Gefahr, die erst durch die russischen Zaren gebrochen wurde.

Das Erbe des Dschingis Khan.

Kunsthalle Leoben,

bis 3. November, täglich von 9 bis 18 Uhr.

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