6600003-1953_31_11.jpg
Digital In Arbeit

Das Licht unterm Scheffel

Werbung
Werbung
Werbung

Der Gedanke war sicherlich gut, eine große Waldmüller-Ausstellung den Attraktionen der Salzburger Festspiele anzufügen und diesen österreichischen Maler — dem übrigens als erstem eine Art von internationaler Geltung schon zu Lebzeiten zuteil geworden war — solcherart endlich wieder vor ein ausländisches Publikum zu bringen. In der Tat: das Vorhaben hatte seine Richtigkeit; über seine Durchführung aber läßt sich streiten. Nein, seien wir ehrlich: es läßt sich darüber nicht einmal streiten.

Ehe die Ausstellung noch geöffnet war, gab es zwischen den Veranstaltern allerlei private Auseinandersetzungen, die nicht erfreulicher anmuteten, als sie in die Oeffentlichkeit getragen wurden. Nun, das mochte immerhin der üblichen „Eröffnungsneurose“ zugeschrieben werden — aber dann kam die Ausstellung selbst: Saal um Saal der Residenz angefüllt mit Waldmüller-Bildern, wichtigen und unwichtigen, eines neben dem anderen, zu Hunderten. .. Die Kunsthistoriker werden jahrelang davon zehren, und das ist freilich auch

ein Nutzen. Aber die. Laien und Liebhaber, die Fremden, derentwegen man schließlich die Exposition in Salzburg aufgestellt hat? Wir haben Grund zu der Meinung, daß sie das Entzücken der Fachleute nicht teilen.

Und darum sei endlich einmal die allmählich dringend werdende Frage aufgeworfen, ob es nicht gut und nützlich wäre, bei derlei Ausstellungen, die doch einen österreichischen Maler ausdrücklich in den Blickpunkt eines größeren und von unseren ureigenen Interessen nicht berührten, also eines kritischeren Publikums stellen, um ihm über die heimatlichen Grenzen hinaus erneuerte und verdiente Geltung zu verschaffen — ob es sich in solchen Fällen also nicht lohnte, die kunstwissenschaftliche Sachlichkeit und Genauigkeit beiseite zu lassen und lieber ein wenig — nun, sagen wir: macchiavellistischer zu handeln? Im Falle Waldmüller ist es nun einmal so (und ähnlich verhält es sich auch bei den anderen Größen unserer bildenden Kunst), daß gerade die Bilder, die dem Kunstfachmann als Beispiele eines

vorausgeahnten Impressionismus usw. sensationell erscheinen, nicht auch zugleich seine besten Werke sind (was der Laie schneller als der Fachmann erkennt); und umgekehrt zeigt es sich, daß gerade die auf den ersten Blick konventioneller anmutenden und weniger umfangreichen Arbeiten beim zweiten Blick eben doch als Stücke eines wahrert und vielleicht sogar einzigartigen Meisters offenbar werden. Das aber ergibt — für den Aussteller — ein Dilemma, das nur vergrößert und augenfälliger gemacht wird, wenn er auf möglichste Vollzähligkeit und chronologische Ordnung Wert legt. Eine vorsichtige ausstellungstechnische Regie und eine Auswahl, die auch auf die ichließ-lich doch beabsichtigte Wirkung Rücksicht nimmt, hingegen hätte es fast unsichtbar machen können. Diese Regie hat aber gefehlt. Das Licht Waldmüller wurde unter den musealen Scheffel gestellt. Und das ist schade und ein bis auf weiteres nicht mehr gutzumachender Fehler gewesen. Denn für eine museale Schau wäre ein Museum der richtige Ort gewesen. Nach Salzburg hätte ein Ausstellung gehört.

Im Salzburger Künstlerhaus ist die österreichische Moderne in einer recht umfangreichen und ziemlich schönen Ausstellung versammelt; das Verdienst daran ist einer Salzburger Künstlergruppe zuzuschreiben, die, ähnlich wie ihre Innsbrucker Kollegenschaft, klug und seriös

nicht ihr Lokalinteresse in den Vordergrund rückt, sondern auch den Künstlern anderer Bundesländer bei sich Herberge und die Gelegenheit gibt, mit vielen und fremden Besuchern in Kontakt zu kommen (woran sich, nebstbei bemerkt, die Wiener Gruppen und Vereine ein Beispiel nehmen könnten).

Nebeneinander hängen also: ein bemerkenswerte Blumenbild des Kärntners Werner Berg — voll von einer Gelassenheit, die über tiefe formale Bewegtheit triumphiert; neue Landschaften der unnachahmlichen Salzburgerin Agnes Muthjpiel, die nun ihre Bilder zwar bewußter baut, aber dabei — ein kleines Wunder — nichts vom Zauber ihrer Unmittelbarkeit eingebüßt hat; Kompositionen des Wahlvorarlbergers Claus Pack, Gehirnakrobatik, mit der der Referent nach wie vor nichts anfangen kann; eine Arbeit des Innsbruckers Max Weiler, der mit seinen sonst schätzenswerten Spekulationen hier entschieden daneben geraten ist; S w o b o d a (Wien) wird uns mit seinen Mischtechnikgraphiken von Mal zu Mal sympathischer; der Mann hat Phantasie, Humor. Formgefühl und vor allem die gewisse lockere Hand, die man vielen unserer Zeichner und Maler wünschen möchte. Hans Fronius ist diesmal leider mit nicht sehr repräsentablen Beispielen seiner Kunst vertreten.

Eine Ausstellung, die den Festspielen wahrhaftig keine Schande macht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung