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„Das schlaue Füchslein“, Ballett und Konzert

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Nach der Uraufführung 1924 in Brünn und nach der deutschen Premiere drei Jahre später in Mainz wurde Janaöeks hochoriginelles und reizendes Meisterwerk nur noch an drei deutschsprachigen Bühnen gespielt (in Köln, Zürich und Berlin). Nun folgt die Wiener Volksoper mit einer in jeder Hinsicht erfreulichen Aufführung, die von Erich Bormann aus Köln inszeniert, von dem tschechischen Dirigenten Dalibor Brazda geleitet und von dem Tiroler Bühnenbildner Lois Egg ausgestattet wurde. — Leos JanäCek, 18 54 in Nordmähren geboren, Stadtmusikdirektor und Organist in Brünn, wissenschaftlicher Folklorist und überzeugter Antiurbanist, steht zwischen den Generationen der Romantiker und der Puccini-Mahler-Strauß. Sein Realismus ist dem Mussorgskys, die Tonsprache der Debussys und Ravels verwandt. Die frischen Quellen seiner Inspiration sind die mährische Volksmusik und die Naturlaute seiner Heimat mit Vogelruf und Hundegebell, Rhythmus und Tonfall der Rede. Den Stoff zum „Schlauen Füchslein“ fand er in einer Tiergeschichte mit dem Titel „Bystrouska“ von Rudolf Tesnohlidek, die mit dem märchenhaft-magischen Ineinander von Menschen- und Tierwelt geeignet war, seine besten Kräfte ins Spiel zji setzen. Max Brod hat in der deutschen Bearbeitung den von JanäCek selbst zum Opernstoff geformten Text erweitert und zu verdeutlichen versucht. Sowohl in Berlin, wo Walter Felsenstein in der Komischen Oper eine Musteraufführung herausbrachte, wie in der Volksoper hat man das Entbehrliche der Brod-schen Bearbeitung beseitigt. So sind jetzt wieder die Hauptakteure der rührend naiven, heiter-schwermütigen Handlung die Tiere des Waldes: das Füchslein Schlaukopf und sein Gemahl;! Grille, pHeuschreck, Frosch, Mücke und Elster, der Dackel und das Hühnervolk im Försterhaus. Försterin, Schulmeister, Pfarrer und Gastwirt vertreten die Menschenwelt, der Förster und der Landstreicher verbinden beide Sphären. Die Symbolik. (Füchslein Schlaukopf und die Zigeunerin Terinka, die für den Schulmeister, den Pfarrer und den Förster die Jugend, die Natur und das versäumte Glück des Lebens verkörpert) ist diskret angedeutet. — Erich Bormann und der Choreographin Dia Luca ist das überaus Schwierige gelungen, die Welt der Tiere und der Menschen gleichermaßen glaubwürdig darzustellen und die Grenzen ineinanderfließen zu lassen. Lois Egg schuf ein immer transparentes Waldbild und die vielen realistischen Tierkostüme. Die herb-farbige, aus meist kurzen, oft wiederholten Motiven gefügte Musik Janäceks hat Dalibor Brazda mit dem Volksopernorchester sauber und klangschön herausgebracht. Für die Haupt- und Nebenrollen waren, mit Ausnahme des aparten Gastes aus Köln in der Titelrolle (Rita Bartos), durchweg jüngere heimische Künstler eingesetzt: Hans Braun, Sonja Draksler, Paul Späni, Oskar Czerwenka, Karl Weber u. a. — Langanhaltender Beifall für das liebenswürdige Werk und alle Ausführenden.

Das Programm des letzten Abends unseres Staatsopernballetts zeigte, daß man auf dem besten Wege ist, das klassische Repertoire zu erarbeiten. „Der Zauberladen“ von Rossini-R e s p i g h i wurde in der Choreographie Erika H a n k a s und mit der alten Ausstattung (wie seinerzeit im Theater an der Wien), aber mit teilweise neuen, jungen Kräften gezeigt. Nach diesem ausgedehnten Divertissement folgte eines der berühmtesten Ballette der klassischen Literatur, „D e r Geist der Rose“ (nach Webers „Aufforderung zum Tanz“) mit der Choreographie M. Fokines, neueinstudiert von Gordon Hamilton. Die beiden Solisten, Margarete Bauer und Willy Dirtl, sind dieser Aufgabe freilich noch nicht ganz gewachsen, lediglich der letzte Sprung Dirtls ließ an das sagenhafte Schweben Nijinskijs denken, von dem man in Berichten aus jener Zeit liest. Am meisten befriedigte Tschaikowskys „N u ß k n a c k e r s u i t e“, obwohl man die ursprüngliche Handlung (nach E. T. A. Hoffmann) beseitigt hatte und zu der inspirierten, melodiösen und rhythmischen Musik Tschaikowskys eine lockere Folge von Ensemble- und Solotänzen exekutieren ließ. Unter ihnen möchten wir der strengen und noblen Choreographie des „Blumenwalzers“ den Preis des Abends zuerkennen. In hervorragenden Einzelleistungen waren Edeltraut Brexner, Richard Adama, Dietlinde Kiemisch, Christi Zimmerl, Erika Zlocha und Herbert Nitsch, nebst einigen anderen hingen Künstlern, zu bewundern. Von Gordon Hamilton stammt die Choreographie, von Georges W a k h e w i t s c h die prunkvoll-prächtigen Kostüme (chinesische, spanische, orientalische, russische), die vor dem dunklen, von einem mattleuchtenden Goldnetz gegliederten Hintergrund eine wahre Augenweide boten.

Im dritten Konzert der Reihe „Oesterreichisches Musikschaffen der Gegenwart“, veranstaltet von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und der „Oesterreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik“, gab es unter den Werken von zehn Komponisten vier Uraufführungen. — Augustin K u b i z e k schreibt ziemlich avantgardistisch. Düster sind seine Impressionen in der Motette „Also hat Gott die Welt geliebt“. Friedrich Cerha vertonte fünf Rubaijat (das heißt: Vierzeiler) des persischen Gelehrten und Dichters Omar-i Chajam („Omar der Zeltmacher“) aus dem 12. Jahrhundert; die Ueber-setzung von Edward Fitzgerald hat diesen berühmt gemacht. Es ist Gedankenlyrik, musikalisch mitunter witzig-pointiert nachgezeichnet. Friedrich R a c e k gerieten mit dem „Spottlied auf den Mond“ die skurrilen Phasen besser als die liedhaften. „Brueghels Bauernhochzeit“, eine Kantate für kleine Soli, gemischten (drei- bis sechsstimmigen) Chor und Klavier von Leopold Matthias W a 1 z e 1 ist wohl das fröhlichste Werk aus dieser Feder. Die musikalische Illustration entzündet sich an der vitalen Lebensfreude. Die Farben sind'kräftig aufgetragen, die Bewegungen oft bis zur Tanzlust gesteigert, der Chorsatz bei aller Prallheit durchsichtig und motivisch gegliedert. Die Kantate erhielt den stärksten Beifall des Abends. — Von den übrigen Werken wären die sakralen Chöre Karl S c h i s k e s und Hans Stadl-m e i r s sowie die wesensverwandten Madrigale Wilhelm Wald Steins zu nennen, darnach Friedrich Doppelbauers allem Effekt abholde, schwermütige Art. Die instrumentalen Stücke von Armin Kaufmann und Franz Hasenöhrl hielten ein Mittelmaß. Ein besonderes Lob gebührt dem Akademie-Kammerchor und seinem tüchtigen Dirigenten Günther Theuring.

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