Das weiße Gold und seine Alchemisten

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Das Kunsthistorische Museum präsentiert im Wiener Palais Harrach "Weißes Gold aus Europa", die Geschichte der großen europäischen Porzellan-Manufakturen.asdasd

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Das Kunsthistorische Museum präsentiert im Wiener Palais Harrach "Weißes Gold aus Europa", die Geschichte der großen europäischen Porzellan-Manufakturen.asdasd

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Den Stein der Weisen, mit dessen Hilfe Gold gewonnen wird, haben die Alchemisten trotz jahrhundertelanger Bemühungen nie gefunden. Aber einem von ihnen, Johann Friedrich Böttger, gelang 1708 in Dresden, unterstützt vom Naturwissenschaftler Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, eine für die damalige Zeit fast ebenso sensationelle Entdeckung: das Geheimnis der Porzellanherstellung.

Wahre Wunderwerke der künstlerischen Arbeit auf diesem Gebiet sind derzeit im Rahmen der Ausstellung "Weißes Gold aus Europa" im Wiener Palais Harrach zu sehen. Hier wird der Geschichte des Porzellans am Beispiel der noch bestehenden europäischen Manufakturen nachgegangen. Die Betonung liegt auf Manufaktur - Handarbeit. In Zeiten, in denen auch sehr exquisites Porzellan, zum Beispiel das Lilienporzellan, industriell hergestellt wird, hat sich 1992 ein Arbeitskreis Europäischer Porzellan-Manufakturen gebildet, dessen Mitglieder strenge Bedingungen erfüllen müssen. Denn es geht um "echtes", das heißt von Hand gefertigtes Porzellan, um Handmalerei, um sorgfältig ausgebildete Mitarbeiter und die Verbindung von Traditionspflege mit zeitgenössischer Kunst.

Die Wiener Ausstellung stellt die sechs diesem Arbeitskreis angehörenden Betriebe vor, die in folgender Reihenfolge entstanden sind: Meissen (1708), Wien (1718), Sevres (1740), Ludwigsburg (1758), Berlin (1761) und Herend (1839). Bis auf Wien, wo zwischen 1864 und 1923 keine Manufaktur bestand, weisen alle diese Porzellanhersteller eine ununterbrochene Tradition auf. Aufgrund der Aufnahmekriterien könnte nur noch Nymphenburg, das sich aber bisher nicht darum beworben hat, zu diesem exklusiven Kreis stoßen.

Zur Zeit von Böttgers Entdeckung war Porzellan, das die Chinesen bereits seit einem Jahrtausend kannten, in Europa wertvoller als Gold. Vor allem die den Handel mit Ostasien beherrschenden Seefahrernationen machten damit ihr Geschäft. Das nun auch in Mitteleuropa entwickelte Verfahren, aus Kaolin, Feldspat und Quarz Hartporzellan zu produzieren, war von solcher politischer und wirtschaftlicher Bedeutung, daß man das Geheimnis sorgsamst zu hüten gedachte. Doch die von August dem Starken in Meissen errichtete Manufaktur blieb nicht lange allein. Dem Wiener Agenten Claudius Innocentius Du Paquier gelang es, in den Besitz des Arkanums zu kommen. Er errichtete in Wien eine Manufaktur und gewann den ursprünglich in Meissen tätigen Arkanisten Samuel Stölzel zur Mitarbeit, der aber, enttäuscht von nicht eingehaltenen Zusagen, von Wien bald genug hatte. Nie wieder hätte sich Stölzel, ohne sein Leben zu riskieren, wieder in Sachsen blicken lassen können, wäre er nicht so klug gewesen, den besten Wiener Porzellan-Maler, Johann Gregorius Höroldt, mitzunehmen, für Wien ein unersetzlicher Verlust, für Meissen eine große Bereicherung. Denn in Wien war inzwischen nicht nur das begehrte Unterglasurblau, sondern auch das Ein- und Aufbrennen von farbigem Dekor geglückt. Die Meissener Höroldt-Chinoiserien wurden weltberühmt.

Wie man im 18. Jahrhundert vorging, um in den Besitz des Porzellan-Geheimnisses zu gelangen, würde Stoff für einige Romane und Filme hergeben. Letztlich ist die Geschichte aller Manufakturen miteinander verwoben. In der Wiener Ausstellung illustriert das eine "Tafel der Zwölf", auf der für ein Dutzend mit der Geschichte des europäischen Porzellans verbundene Fürsten und Künstler aufgedeckt ist, für jeden natürlich mit "seinem" Service.

Aber Geschirr ist nur ein Teil der Porzellankunst, die alle Formen der Plastik umfaßt, Darstellungen von Personen wie von Tieren und Gegenständen. Der Kontakt zur zeitgenössischen Kunst war und ist allen Manufakturen immens wichtig. In Meissen ist ein Viertel der Produktion auf Entwürfe der Gegenwart ausgerichtet. In Berlin hat der Mailänder Enzo Mari gerade ein neues Service entworfen. Für Augarten in Wien haben Leute wie Josef Hoffmann, Michael Powolny oder Arik Brauer gearbeitet. Aber auch im württembergischen Ludwigsburg, im französischen Sevres oder im ungarischen Herend gaben bis heute eigenständige Künstlerpersönlichkeiten der jeweiligen Manufaktur ihre persönliche Note.

250 Exponate aus den vergangenen drei Jahrhunderten zeigen eindrucksvoll, was man aus Porzellan alles machen kann. Wer Kunst weniger danach bemißt, daß sie aufrüttelt und Denkanstöße liefert, sondern vor allem das Schöne und Dekorative an ihr zu schätzen weiß, wird in dieser Ausstellung voll auf seine Rechnung kommen.

Bis 1. Februar Palais Harrach, 1010 Wien, Freyung 3. Täglich von 10 bis 18 Uhr.

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